Spaichinger vertrauen Leitungswasser
Selbst bei dem Grundnahrungsmittel machen sich Verschwörungsmythen breit
SPAICHINGEN - Knapp einen halben Cent kostet der Liter Wasser aus dem Hahn, rechnet Katja Carow von der Stadt Spaichingen vor, inklusive Abwasser und Mehrwertsteuer. „Ich trinke selber am liebsten Leitungswasser”, sagt sie. Aber das tun nicht alle.
Es dauert zwar eine Weile, aber dann verlässt die erste Person mit Wasserflaschen im Einkaufswagen den Discounter am Primtal Center. Wir fragen sie, warum sie Flaschen kauft. „Zuhause trinke ich immer Leitungswasser“, erklärt Annika Ferber. „Aber wenn ich unterwegs bin, dann ist es so leider praktischer. Gerade auf Festivals oder längeren Touren. Da kann ich nur schwer Wasser abfüllen.“Ein Argument, das für viele ausschlaggebend ist, die wir ansprechen.
Auch Brigitte Bohmholt aus Aldingen kauft das Wasser in der Flasche, weil es praktischer ist. „Bei uns ist es gemischt, manche trinken nur mit Sprudel, andere ohne.“Da wird der Einfachheit halber alles in Flaschen gekauft. Peter Friesen hat den ganzen Einkaufswagen voll mit leeren Flaschen. „Eigentlich wäre uns Leitungswasser lieber“, sagt er, „aber bei uns sind die Leitungen nicht gut.“Er habe das Wasser zuhause sogar testen lassen, ein Wert sei ihm dann aber zu hoch gewesen. „Dann haben wir es mit Filtern versucht, aber die haben dann so viel aus dem Wasser herausgezogen, dass wir sogar Gelenkprobleme bekamen“, berichtet Friesen. Auch Jennifer Poppke macht sich Gedanken: „Ich trinke das Wasser lieber aus dem Hahn, mein Freund lieber aus der Flasche. Aber ich glaube, dass Menschen lieber zur Flasche greifen, weil sie oft von der Mineralwasserund der Filterindustrie verunsichert werden.” Es sei für die Menschen dann schwer zu beurteilen, ob das Leitungswasser gut oder schlecht sei. “Woher weiß ich als Normalbürgerin wirklich, was stimmt? Ich kann nur entscheiden, wem ich glaube”, sagt sie.
Tatsächlich kursieren vor allem im Internet viele Theorien über Wasser, vom Marketing der Filterhersteller, bis hin zu obskuren Verschwörungstheorien. Oft werden entweder Ängste geschürt, wie über die Belastung des Leitungswassers, meist direkt mit einem Link zum Kauf von Filtern. Oder es werden bestimmte Eigenschaften gezielt überhöht. Beispielsweise, so schreibt das Verbrauchermagazin Öko-Test, wenn es um die enthaltenen Mineralien geht. Im Internet finden sich viele Artikel von Mineralwasserkonzernen, die gerade mit dem Mineraliengehalt werben. Allerdings, das zeigen laut Öko-Test wissenschaftliche Studien, nimmt der Körper Mineralien vor allem über die Nahrung auf. Auch Leitungswasser enthält Mineralien, wenn auch weniger, und muss dabei weit strengere Reinheitskriterien erfüllen als das Wasser aus der Flasche. Dabei wird auch gern für sogenannte TDS-Filter geworben, die aber lediglich messen, wieviele Feststoffe in einem Wasser enthalten sind. Ob es sich dabei um gesundheitsschädliche Stoffe handelt, oder um gesunde Mineralien und Spurenelemente wird nicht unterschieden. Ein Mineralwasser hat da sogar oft automatisch noch höhere Werte.
Aber speziell Plastikflaschen werden von Öko-Test kritisiert. Denn besonders bei Einwegflaschen löst sich häufig Mikroplastik aus der Flasche und gelangt dann in den Körper. Zudem
sei die Umweltbilanz von Plastikflaschen verheerend. 2020 werden rund eine Milliarde Liter importiert. Laut der Deutschen Umwelthilfe verursachen allein die Einwegflaschen in Deutschland pro Jahr 470 000 Tonnen Müll. Aber es gibt 67 Prozent des Mineralwassers nur in Einwegflaschen, schreibt Öko-Test.
Es gibt zunehmend auch Menschen, die sich von Verschwörungstheorien im Internet verunsichern lassen: Impunfwillige werden über das Trinkwasser heimlich geimpft, die Menschen werden per Flourid im Wasser gedankenkontrolliert, die Regierung gibt Chemikalien ins Wasser, um Frösche schwul zu machen. Solche Behauptungen finden sich im Netz. Viele dieser Mythen kommen aus den USA. Dort wird tatsächlich Flourid ins Wasser gegeben – allerdings zum Schutz gegen Karies. Und in den USA sind viele Vertreter dieser Vorstellungen auch gleichzeitig selbst Verkäufer von sogenanntem „rohen Wasser“, das direkt aus Quellflüssen und -bächen entnommen wird. Ohne irgendeine Reinigung. Das Problem: In vielen anderen Ländern ist das Trinkwasser tatsächlich viel schlechter als in Deutschland. Trotzdem machen viele Menschen keinen Unterschied. verunsichert, wenn es um das hiesige Leitungswasser geht. Jochen Schicht vom Energieversorgung Rottweil (ENRW) die Spaichingen mit Wasser versorgt erläutert: „In Spaichingen und Umgebung gibt es zwölf Quellen. Dieses Quellwasser wird gefasst und fließt im natürlichen Gefälle zur Wasseraufbereitung“, erklärt Schicht. „Hier wird es mittels Ultrafiltrationsanlagen von Rohwasser zu Reinwasser aufbereitet. Dabei werden Bakterien, Partikel, Makromoleküle und Proteine bis zu einer Porengröße von 100 bis 2 Nanometer herausgefiltert.“
Außerdem gibt es Wasser von der Bodenseewasserversorgung und die Hohenberggruppe, wenn das Quellwasser nicht reicht. „Die Qualität des Trinkwassers wird regelmäßig durch zertifizierte und unabhängige Labore geprüft und durch wiederkehrende Kontrollen des Gesundheitsamts bestätigt“, sagt Schicht. Trinkwasser in Deutschland zähle generell zu den am besten kontrollierten Lebensmitteln, was die strenge deutsche Trinkwasserverordnung regele. „Es verfügt über eine herausragende Qualität und kann jederzeit getrunken werden“, so Schicht.
Am Ende bleibt Wasser für viele vermutlich trotzdem auch eine Geschmacksfrage.