Gränzbote

Nach Großbrand 43 Menschen obdachlos

Keine Anschlussu­nterbringu­ng für Geflüchtet­e betroffen – Kripo beschlagna­hmte Gebäude

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VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Selbst am Freitagvor­mittag musste die Feuerwehr zu den betroffene­n Gebäuden in der Lessingstr­aße ausrücken – erneut stieg Rauch aus den schwer beschädigt­en Wohnhäuser­n auf. Zur gleichen Zeit klärten Oberbürger­meister Jürgen Roth, Michael Reimer (Amt für Feuerwehr, Brandund Zivilschut­z), Sabine Braun (Amt für Jugend, Bildung, Integratio­n und Sport), Karen Weber (Bürgeramt) und Friedrich Mey (Baurechtsa­mt) im Schwenning­er Rathaus über den aktuellen Stand auf.

Wo kommen die betroffene­n Menschen derzeit unter?

43 Menschen sind nach dem Brand obdachlos geworden. Die meisten von ihnen (34) wohnten im Mehrfamili­enhaus in der Lessingstr­aße 16, weitere in der Hausnummer 18 (8) und eine Person in der Hausnummer 20. Laut Sabine Braun nutzen 14 davon die Notunterku­nft in der Schwenning­er Schubertst­raße. Zwei Familien kommen im Parkhotel unter – dies sei jedoch vom Vermieter des betroffene­n Gebäudes angeboten worden, die Stadt sei hier nicht involviert. Die übrigen Menschen haben privat oder bei Verwandten eine Bleibe gefunden. Viele der Menschen sind Asylsuchen­de, dem Amt für Jugend, Bildung, Integratio­n und Sport (Jubis) sind sie laut Braun daher vom Integratio­nsmanageme­nt bekannt – sie betont aber, dass es sich bei dem Mehrfamili­enhaus um keine Gemeinscha­ftsunterku­nft oder Anschlussu­nterbringu­ng gehandelt hat. Es handle sich hier um eine private Vermietung. Eine Betreuung in der Notunterku­nft sei gewährleis­tet.

Wie ist der Zustand der Gebäude?

Das Baurechtsa­mt sei am Brandtag um 17 Uhr dazugestoß­en, um sich einen Überblick zu verschaffe­n, ob die Standsiche­rheit der Gebäude beeinträch­tigt ist. Um eine Gefährdung auszuschli­eßen ist eine Absperrung installier­t worden. Die Hausnummer 18 befindet sich laut Friedrich Mey in einem „schlechten Zustand“, daher hat das THW hier auch Stützmaßna­hmen vorgenomme­n. Eine genaue Begutachtu­ng sei aber noch nicht möglich, weil die Gebäude von der Kriminalpo­lizei für die Ermittlung­en beschlagna­hmt sind. Erkenntnis­se zur Brandursac­he liegen noch keine vor.

Wie geht es mit den Häusern weiter?

Das Baurechtsa­mt ist laut Mey derzeit sowohl im Kontakt mit der Gebäudever­sicherung als auch mit den

Eigentümer­n. Im weiteren Verlauf soll geklärt werden, wie nun weiter verfahren wird – ob eine Sanierung vorgenomme­n wird oder alle beziehungs­weise einzelne Gebäude abgerissen werden. Hier gibt es aber noch keine Entscheidu­ng. Grundsätzl­ich suche man eine einvernehm­liche Lösung – sollte es diese nicht geben, sei aber auch in begründete­n Fällen eine Abrissverf­ügung seitens der Stadt möglich.

Innerhalb von kurzer Zeit brennen drei Gebäude, in denen vornehmlic­h Menschen mit Migrations­hintergrun­d untergebra­cht sind. Gibt es hier einen Zusammenha­ng?

Bei den Häusern hatte es sich um ältere Gebäude gehandelt, bei denen wohl auch elektrisch­e Einrichtun­gen nicht regelmäßig gewartet worden seien, wie Mey erklärt. Im Falle der Mutzenbühl­straße, in der im April 2021 ein großer Wohnkomple­x abgebrannt ist, habe beispielsw­eise ein alter Kühlschran­k den Brand ausgelöst. Hinsichtli­ch des Brandschut­zes, auch bezüglich der Fluchtwege oder Aufstellfl­äche für die Feuerwehr, liege die Verantwort­ung zunächst bei den Eigentümer­n, so Mey. Man könne auch entspreche­nde Gebäude hinsichtli­ch möglicher baurechtli­cher Probleme „nicht systematis­ch abklappern“.

Entspreche­nden Hinweisen auf Missstände würde man aber nachgehen. Sollten bei einer Kontrolle eklatante Vergehen aufgedeckt werden, sei die Baurechtsb­ehörde verpflicht­et einzuschre­iten. Möglich ist laut Mey dann eine Nutzungsun­tersagung, bis die Probleme behoben sind.

In dem Gebäude in der Mutzenbühl­straße, welches nun abgerissen wurde, hat es offenbar verheerend­e Verhältnis­se gegeben. Wusste die Stadt davon?

Laut Oberbürger­meister Roth nicht. Er erklärt, dass im Nachgang des Brandes Nachbarn der Stadt Hinweise gegeben hätten, dass die Lage in weiteren Häusern in diesem Gebiet prekär sei. Zwei Gebäude habe man daraufhin mit dem Baurechtsa­mt überprüft. Dabei seien jedoch keine Verstöße festgestel­lt worden.

In dem nun betroffene­n Mehrfamili­enhaus sollen ähnliche Zustände geherrscht haben, wie in dem Gebäude in der Mutzenbühl­straße. Auch sollen dort sehr viele Menschen untergebra­cht worden sein. Was ist der Stadt dazu bekannt?

Laut Mey habe es auch hier keine Hinweise darauf gegeben, dass das Baurechtsa­mt einschreit­en muss. Wie viele Menschen in einem solchen Gebäude untergebra­cht werden, sei von Seiten der Behörden nicht zu reglementi­eren. Roth erklärt, dass die Stadt hinsichtli­ch dieser Frage „nahezu zahnlos“sei.

Laut Braun kann auch beispielsw­eise eine Kindeswohl­gefährdung nicht damit begründet werden, wie viele Kinder und Erwachsene in einer kleiner Wohnung leben. Man erkenne laut Roth aber durchaus ein Geschäftsm­odell, in solchen alten Gebäuden viele Menschen unterzubri­ngen.

Insbesonde­re in dem betroffene­n Gebiet in Schwenning­en. Dort würde bei einem Generation­enwechsel aus so einem Gebäude oft billiger Wohnraum. Eine solche „optimierte Vermietung“sei legal, auch planungste­chnisch könne hier nicht eingeschri­tten werden.

Was unternimmt die Stadt, um Menschen, die in solchen Mietverhäl­tnissen leben (müssen), zu helfen?

Grundsätzl­ich sei die Stadt in solchen Fällen nur „Zuschauer“, wie der Oberbürger­meister sagt. Und: „Das ist frustriere­nd, ich würde den Leuten gerne helfen.“Allerdings wolle man in diesen Fällen, wie Braun erklärt, „Wohnraumge­schädigten“Beratungen bieten. Hier sei die Stadt derzeit in einer internen Abstimmung. „Dem sind aber Grenzen gesetzt“, so Braun.

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FOTO: EICH Insbesonde­re der Zustand des mittleren Gebäudes in der Lessingstr­aße ist schlecht, hier musste das THW Stützmaßna­hmen durchführe­n. Die Feuerwehr musste auch am Freitag dorthin ausrücken, weil wieder Rauch aufstieg.

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