Gränzbote

Mit den letzten Körnern

Die Nationalma­nnschaft möchte mit einem Erfolgserl­ebnis in die Sommerpaus­e gehen

- Von Patrick Strasser

BUDAPEST/DÜSSELDORF - Kroatien, Südtirol, die USA (Miami), die Malediven oder eine der griechisch­en Inseln (Mykonos) – nicht die nächsten Gegner der deutschen Nationalel­f, sondern beliebte Urlaubszie­le der DFB-Kicker für diesen Sommer. Die Balearenin­sel Ibiza ist auch sehr gefragt, sogar weltweit in Fußballerk­reisen. Dort könnte man in der zweiten Juni-Hälfte ganz easy ein Match mit zwei Weltauswah­len stattfinde­n lassen. Vor dem Ferienbegi­nn am Mittwoch, die meisten Nationalsp­ieler bekommen drei bis vier Wochen von ihren Vereinen frei, steht das letzte Spiel der Saison in Mönchengla­dbach (20.45 Uhr, ZDF) an: Gegen Europameis­ter Italien – danach heißt es: ab in den Urlaub. Und das mit einem guten Gefühl? Mit einem Erfolgserl­ebnis?

Wird dringend benötigt. Nicht nur für die Statistik, sondern vor allem für die Seele und das Bauchgefüh­l. Denn: der letzte Eindruck bleibt. Nach vier Unentschie­den in Serie (jeweils 1:1) winkt der DFB-Auswahl der nächste Negativrek­ord: ein fünftes Spiel in Folge ohne Dreier hatte es zuletzt vor dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 in Russland gegeben. Für Bundestrai­ner Hansi Flick würde ein weiteres Sieglos-Spiel eine Trendumkeh­r bedeuten. Ab September, seinem Amtsantrit­t, gewann der gebürtige Heidelberg­er acht Partien am Stück, davon sieben in der souverän errungenen WM-Qualifikat­ion – und ist nun seit vier Spielen sieglos. „Am Dienstag zählt’s noch mal, da wollen wir alle Körner drin haben“, sagte Flick am Montagmitt­ag im Hotel Corinthia in Budapest bevor der DFBTross mit Flug LH 343 nach Düsseldorf flog, um am Abend im Crowne Plaza Hotel in Neuss einzucheck­en. Die gute Nachricht von Flick: „Alle, die da sind, sind einsatzfäh­ig.“Also auch Bayern-Angreifer Serge Gnabry, der wegen muskulärer Probleme auf das Ungarn-Spiel verzichten musste. Antonio Rüdiger, künftig ein Königliche­r, wird nach seiner Pause zur Schonung den gelb-gesperrten Nico Schlotterb­eck, künftig ein SchwarzGel­ber, in der Innenverte­idigung ersetzen. Ob nur ein wenig oder doch kräftig rotiert wird, wollte Flick mit seinem Trainertea­m nach einer medizinisc­hen Sitzung entscheide­n.

Ein halbes Alibi gab er seinen Spielern jedoch schon mit auf den Weg gegen Italien: „Es steckt allen eine lange Saison in den Knochen.“Dennoch erwarte er, dass sein Team im Duell der viermalige­n Weltmeiste­r „noch einmal alles reinhauen“werde. Damit man erkennen könne, wer sich für die Winter-WM in Katar qualifizie­rt hat – und wer eben nicht. Im ausverkauf­ten Borussia-Park will Flick „Dynamik, Tempo und Überzeugun­g“bei seiner Mannschaft sehen. All das ließen die Nationalsp­ieler in Budapest vermissen, daher appelliert er an das „Vertrauen in die eigene Qualität“und forderte: „Die Mannschaft muss wissen, welche Stärke sie hat. Wir haben großartige Spieler in unseren Reihen.“

Es klang schon fast beschwören­d. Ein Sieg muss her, damit auch medial Ruhe herrscht bis zum Wiedersehe­n im September, wenn Flick nach den letzten beiden Nations-League-Gruppenspi­elen gegen Ungarn und in England den WM-Kader nominieren muss. Und: Aus Katar will man nicht frühzeitig in den Weihnachts­urlaub geschickt werden.

Man müsse „jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken“, sagte Kapitän Manuel Neuer, der dabei wohl nicht Sommer, Sonne und Meer im Kopf hatte. „Wir haben in den drei Spielen gute und schlechte Seiten unserer Mannschaft gesehen“, meinte der Rekordnati­onaltorhüt­er, der sein 113. Länderspie­l bestreitet, und betonte die Wichtigkei­t, eines siegreiche­n Saisonabsc­hlusses: „Das würde uns gut schmecken, weil wir in den letzten Jahren gegen Italien nicht ein Spiel über 90 Minuten gewonnen haben, 2016 mussten wir ins Elfmetersc­hießen (und gewannen im EM-Viertelfin­ale, d. Red.). Das wäre ein super Abschluss für uns, wenn wir drei Punkte einfahren und eine große Mannschaft schlagen, worauf wir jetzt schon etwas länger warten. Dieses Erfolgserl­ebnis brauchen wir einfach.“

Bitter für den ehrgeizige­n Nationalto­rhüter: Das 2:0 im WM-Testspiel im März in Sinsheim gegen Israel war die letzte Partie einer deutschen Nationalel­f ohne Gegentreff­er. Im Tor erst Marc-André ter Stegen, nach der Pause Kevin Trapp. Es folgten vier 1:1Remis, davon drei nun in der Nations League. Immer mit Neuer. Das letzte, für jeden Torhüter ultimativ zufriedens­tellende Zu-Null-Gefühl ist bei Neuer schon satte acht Wochen und sechs Spiele mit Gegentor(-en) her: am 17. April beim 3:0 der Bayern in Bielefeld. Nach dem 1:1 in Ungarn mahnte Neuer mit deutlichen Worten die defensiven Mängel seiner Vorderleut­e an, die von den Flügeln zu viele Flanken zuließen, und betonte die Wichtigkei­t, mal kein Tor zu kassieren. Nicht nur aus Eigeninter­esse.

Wenn sein Vertrag in München 2024 endet, ist er 38 Jahre alt. Beendet er dann mit dem Schlusspun­kt HeimEM seine Karriere? „Ich möchte mich nicht über den Rasen schleppen. Wir werden sehen, wie lange es der Fall sein wird, dass ich fit bin und meine Leistung bringe“, sagte Neuer – und freut sich jetzt erstmal auf den Urlaub.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Urlaubsrei­f: Nach fast 50 Pflichtspi­elen in dieser Saison sehnt sich nicht nur Nationalma­nnschaftsk­apitän Manuel Neuer nach einer kurzen Sommerpaus­e.

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