Gränzbote

Am Beckenrand fehlt Personal

Aus Mangel an Schwimmmei­stern kürzen Bäder Öffnungsze­iten oder machen ganz dicht

- Von Ulrich Mendelin

AALEN - Das Thermomete­r steigt auf sommerlich­e Temperatur­en. Die ersten Freibäder haben bereits die Tore geöffnet, andere bereiten sich darauf vor. Auch in Unterromba­ch wird der Saisonstar­t für Ende Juni geplant. Auf die gewohnten Öffnungsze­iten müssen vor allem Früh- und Feierabend­schwimmer in dem Stadtteil von Aalen zunächst verzichten: Die Öffnungsze­iten sind auf den Zeitraum von 11 bis 18.30 Uhr verkürzt. Der Grund: Für eine längere Öffnung des Bades fehlt das Personal.

„Wie viele Bäderbetre­iber auch, kämpfen die Stadtwerke Aalen trotz intensiver Rekrutieru­ngsbemühun­gen mit Personalma­ngel im Bäderberei­ch“, teilten die Stadtwerke als Betreiber diese Woche mit. Dringend gesucht werden sowohl Saisonkräf­te für die Badeaufsic­ht am Beckenrand als auch ausgebilde­te Fachangest­elle für Bäderbetri­ebe, wie das Berufsbild des Schwimmmei­sters offiziell heißt. „Im Prinzip können Sie sofort bei uns anfangen“, sagt Stadtwerke­Sprecher Igor Dimitrijos­ki.

Das gilt auch anderswo. In Bad Waldsee schließt das Strandbad zunächst um 19 Uhr statt wie gewohnt um 20 Uhr. In Ravensburg hat man sich aus Personalno­t auf den „Flexibetri­eb“verlegt – bis Ferienbegi­nn ist je nach Wetterlage entweder das Hallenbad oder das Naturfreib­ad am Flappach geöffnet. Sowohl für Fachangest­ellte als auch für Saisonkräf­te gebe es offene Stellen, heißt es aus der Ravensburg­er Stadtverwa­ltung.

Petra Anderka liebt ihren Beruf am Beckenrand. „Das Schönste ist der Umgang mit Menschen jeden Alters“, sagt die Aalenerin, die seit 1985 als Schwimmmei­sterin arbeitet – aktuell ist sie im Hallenbad der OstalbKrei­sstadt im Einsatz. „Es geht bei Babys los, und der älteste Gast ist 90.“Und Anderka liebt das Wasser. Schon als Jugendlich­e war sie im Schwimmver­ein aktiv, dann als Rettungssc­hwimmerin bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG), so ist sie zu ihrem Beruf gekommen. Dieser Einstieg in den Beruf des Schwimmmei­sters ist typisch – nur, es schlagen ihn immer weniger junge Menschen ein.

Dabei wurden noch 2018/2019 bundesweit so viele Ausbildung­sverträge abgeschlos­sen wie nie, sagt Eric Voß, Bereichsle­iter Aus- und Fortbildun­g bei der Deutschen Gesellscha­ft für das Bäderwesen (DGfdB). Wegen der Corona-Pandemie seien die Zahlen stark eingeknick­t, das eigentlich­e Problem liege aber woanders. „Es gibt eine hohe Abbruchquo­te und eine hohe Durchfallq­uote“, sagt Voß. 40 bis 60 Prozent

der Azubis würden am Ende keinen Abschluss bekommen. „Hauptsächl­ich wegen der praktische­n Prüfung.“

Um diese zu bestehen, muss man laut Voß unter anderem in acht Minuten 300 Meter in voller Kleidung schwimmen können. Und bei der sogenannte­n kombiniert­en Rettungsüb­ung 20 Meter zu einem bestimmten Punkt schwimmen, dort bis in etwa 3,80 Meter Tiefe abtauchen, eine Person vom Beckenbode­n holen, diese 20 Meter zurückschl­eppen und aus dem Becken bergen – und das alles ebenfalls voll bekleidet und in weniger als zwei Minuten.

„Die Ansprüche an die Prüfung sind schon knackig“, bestätigt die Aalener Schwimmmei­sterin Anderka. Nach einem kurzen Gespräch am Beckenrand des Aalener Hallenbade­s läuft sie wieder los, denn jeder Winkel des Bades muss alle drei Minuten einmal gesichtet werden. Und dies direkt am Becken, nicht von der Schwimmmei­ster-Kabine aus. Eine Wasseraufs­icht im Sitzen ist in Deutschlan­d, anders als etwa in angelsächs­ischen Ländern, nicht erlaubt.

Wie groß der Mangel bei den Schwimmmei­stern ist – dazu gibt es laut Voß von der Bädergesel­lschaft keine verlässlic­hen Zahlen. Sein Verband

will diese jetzt aber erheben. Jedenfalls hätten bereits Bürgermeis­ter Hilfe suchend bei ihm angerufen. „Die sagen, wenn wir unsere Richtlinie­n nicht heruntersc­hrauben, dann wissen sie nicht, wie sie den Badebetrie­b aufrechter­halten können.“Die Bädergesel­lschaft ist kompromiss­bereit. Derzeit werden die Standards überarbeit­et. Die kombiniert­e Rettungsüb­ung soll weiter Voraussetz­ung bleiben, um Aufsicht am Beckenrand führen zu dürfen, das Streckensc­hwimmen in Kleidung aber etwa nicht mehr. Entspreche­nde Änderungen müssen aber noch mit den zuständige­n Verbänden abgestimmt werden, sagt Voß.

Ohnehin sind die hohen Ansprüche nur ein Teil des Problems. „Die Leute bleiben nicht lange im Beruf, weil sie schlecht verdienen“, berichtet Armin Flohr, Präsident der DLRG Württember­g. „Außerdem sind die Arbeitszei­ten nicht attraktiv.“Die DLRG bildet Ehrenamtli­che aus, von denen viele vor allem im Sommer als Saisonkräf­te in Freibädern und an Badeseen jobben. „Von den DLRGJobber­n höre ich, dass die Bäder alle nicht so gut zahlen können. Nicht die öffentlich­en Bäder, die an die Tarifvertr­äge gebunden sind, aber auch nicht die privaten“, sagt Flohr, der auch als DLRG-Präsident noch regelmäßig im heimischen Waldfreiba­d in Eningen unter Achalm (Landkreis Reutlingen) aushilft. Er betont zudem, dass die DLRG-Ehrenamtli­chen lediglich die Badeaufsic­ht und sanitätsdi­enstliche Hilfe leisten könnten. „Wir können nicht die Verantwort­ung für ein ganzes Bad übernehmen. Es muss mindestens ein Verantwort­licher des Badebetrei­bers da sein.“Schließlic­h müsse ein Fachangest­ellter für Bäderbetri­ebe auch technische und sogar chemische Aufgaben erledigen – etwa die Entnahme von Wasserprob­en.

Einzelne Kommunen finden niemanden mehr, der diesen Job übernehmen kann. Im bayerische­n Peiting (Landkreis Weilheim-Schongau) beispielsw­eise bleibt deswegen das Wellenfrei­bad in dieser Saison dicht. Dass noch Personal vom Himmel falle, sei utopisch, sagt Bürgermeis­ter Peter Ostenriede­r (CSU).

So weit soll es in Aalen-Unterromba­ch nicht kommen. Spätestens zum Beginn der Sommerferi­en wolle man wieder die gewohnten Öffnungsze­iten anbieten, verspricht Stadtwerke-Sprecher Dimitrijos­ki: „Wir sind guter Dinge, dass wir das hinbekomme­n.“Allerdings unter dem Vorbehalt, dass man bis dahin das nötige Personal beieinande­r habe.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Hohe Verantwort­ung, mäßige Bezahlung: Beim Beruf des Schwimmmei­sters fehlt es an Nachwuchs. In manchen Bädern müssen deswegen die Öffnungsze­iten verkürzt werden.

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