Mehr Windräder, weniger Artenschutz
Bund will Abstandsregeln der Länder bei Bedarf außer Kraft setzen – Wirtschaft fordert klarere Vorgaben
BERLIN - Die Bundesregierung will den Bau von viel mehr Windrädern durchsetzen. Mit der „Brechstange“, kritisieren Bürgerinitiativen. Auch Wirtschaftsverbände sind nicht zufrieden mit den geplanten Gesetzen zum Ausbau der Windenergie. Wenn die Bundesregierung nicht aufpasse, würden die Planungsverfahren bald länger und nicht kürzer dauern, erklärten der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW), der Windenergieverband (BWE) und die Organisation der Kommunalen Stadtwerke (VKU). Grundsätzlich begrüßten die Verbände die Pläne der Ampel-Regierung jedoch.
Zwei Vorhaben beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch: ein Gesetzespaket, um die nötigen Flächen für die Errichtung neuer Windräder bereitzustellen, und eine Novelle des Bundesartenschutzgesetzes. Bei diesem geht es darum, dass der Schutz bedrohter Vogelarten den Ausbau der Windenergie nicht zu sehr bremsen soll. Vor allem daran entzündet sich die Kritik der Verbände.
Sie wollen beispielsweise Präzisierungen erreichen, damit nicht der Schutz einzelner Vögel dazu führen kann, dass Windräder verhindert werden. In der Vergangenheit haben Klagen von Naturschützern vor Gericht oft den Ausbau blockiert. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) antwortete, sie vertraue auf die Einschätzung der Juristen ihres
Hauses, dass die vorgeschlagenen Änderungen zu einer Beschleunigung der Windrad-Genehmigungen, nicht zu einer Verlangsamung führen werden.
Lemke muss einen heiklen Konflikt lösen – den zwischen Klimaund Artenschutz. Theoretisch argumentierte sie, dass Klimaschutz mittels erneuerbarer Energien auch Tieren helfe, deren Lebensgrundlage durch die Erhitzung der Erdatmosphäre gefährdet sei. Die beiden Fragen praktisch auszutarieren, ist jedoch schwierig. Die Gesetzesnovelle läuft nun darauf hinaus, dass nicht einzelne Individuen, etwa einzelne Rotmilane, geschützt werden, sondern der Erhalt der Art im Mittelpunkt steht. Man lege „Ausnahmen vom Artenschutz“fest, erklärte Lemke, „vereinheitliche“die Rechtslage bundesweit und „beschleunige“so die Genehmigungen von Windrädern. Neubauten in Landschaftsschutzgebieten sollen einstweilen möglich sein. Andererseits wird ein „Artenschutzhilfsprogramm“mit einem Volumen von mindestens 80 Millionen Euro aufgelegt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) formulierte eine doppelte Botschaft. Das sogenannte Windenergie-Flächenbedarfsgesetz (WindBG) bringe neuen Schwung in den Zubau der erneuerbaren Energien. Gleichzeitig werde man die „Sorgen und Ängste“in der Bevölkerung „ernst nehmen“. Das dürfe aber nicht zu einer „Blockade“führen wie in der Vergangenheit. Habeck hielt es für möglich, dass sich die Zahl der Windräder in Deutschland bis in die 2030er-Jahre von jetzt etwa 30 000 auf etwa 60 000 verdoppelt. Weil die Rotoren leistungsfähiger würden, steige ihre Zahl nicht über 40 000, schätzte dagegen der BWE.
Laut dem Gesetz, das der Bundestag nun berät, sollen bis 2032 rund zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie ausgewiesen werden. Heute sind es etwa 0,8 Prozent, von denen 0,5 Prozent tatsächlich mit Rotoren bebaut sind. Den einzelnen Bundesländern werden jeweils Flächenziele zugewiesen, die sie erreichen müssen – Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beispielsweise jeweils 1,8 Prozent. Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen sollen auf jeweils 2,2 Prozent ihrer Fläche kommen.
Sollten die Länder diese Vorgaben nicht erreichen, werden nach einer Überprüfung 2026 ihre jeweiligen Abstandsregeln außer Kraft gesetzt, kündigte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) an. Diese Vorschriften regeln bisher, wie nahe Windparks an Wohnsiedlungen heranrücken dürfen.