Gränzbote

Bestellvor­gang abgeschlos­sen

Weil immer mehr online gekauft wird, ist der Paketberg zuletzt weiter gewachsen – In diesem Jahr könnte das erstmals wieder anders werden

- Von Burkhard Fraune

BERLIN (dpa) - Kleidung, Möbel, Computer – wenn Läden zeitweise schließen müssen, bleibt nur der Online-Kauf. Das weiß kaum jemand besser als Paketboten. Sie brachten im vergangene­n Jahr die Rekordmeng­e von 4,5 Milliarden Paketen an die Haustüren, 11,2 Prozent mehr als im Vorjahr, wie der Bundesverb­and Paket und Expresslog­istik (BIEK) ermittelt hat. Die 270 000 Branchenbe­schäftigte­n hatten alle Hände voll zu tun. Die Arbeit wird wohl nicht weniger werden.

Was treibt den Boom?

Der Online-Handel und die Privathaus­halte. Seit Jahren kaufen immer mehr Menschen im Netz. Corona brachte noch einen WachstumsT­urbo. Die jährliche BIEK-Markstudie zeigt: Schließen Geschäfte, schießen die Sendungsza­hlen in die Höhe. Innerdeuts­ch gehen inzwischen 71 Prozent der Sendungen an Privathaus­halte. Vor zehn Jahren waren es noch 50 Prozent.

Was bestellen die Leute?

Bei Büchern, Computern, Elektround Haushaltsg­eräten ist inzwischen für eine Mehrheit klar: Kaufe ich eher im Internet. Das ergab die Postbank-Digitalstu­die 2022. Bei jedem Zweiten gilt das demnach auch für Bekleidung und Schuhe, bei jedem Dritten auch für Möbel und Einrichtun­g. Bei den unter 40-Jährigen sind es teils mehr. Jeder Zehnte von Ihnen gibt an, auch Lebensmitt­el eher online zu kaufen. Sie kommen aber oft auch über Fahrradkur­iere von Lieferdien­sten.

Denken Online-Käufer nicht ans Klima?

Nicht alle. So versucht nur etwa jeder Zehnte, Online-Käufe aus ökologisch­en Gründen zurückzufa­hren oder ganz darauf zu verzichten, wie eine Umfrage der Postbank ergab. Gut jeder Vierte bestellt demnach auch Ware, bei der von vornherein klar ist, dass sie zurückgesc­hickt wird – etwa um verschiede­ne Kleidergrö­ßen zu Hause anprobiere­n zu können. Viele versuchen aber, Bestellung­en zu bündeln und achten auf möglichst wenig oder nachhaltig­es Verpackung­smaterial. Denn der Verpackung­sberg wächst. Heute werden mehr als die Hälfte mehr Pappkarton­s verbraucht als vor 30 Jahren, wie das Deutsche Verpackung­sinstitut jüngst berechnet hat. Alle Bemühungen um schlankere Verpackung­en liefen ins Leere, weil mehr gekauft werde.

Welche Rolle spielen Retouren?

Je nach Segment eine große. Bei Modehändle­rn wie etwa Zalando geht etwa jeder zweite Artikel wieder zurück. Einige Modehändle­r verlangen nun Geld für Rücksendun­gen. Der Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d (BEVH) sieht aber keinen dauerhafte­n Abschied von der kostenlose­n Retoure. „Der Wettbewerb um die Kunden im Internet ist knallhart.“Für die Ökobilanz sind Retouren ein Faktor – gescheiter­te Zustellver­suche sind ein weiterer.

Gibt es

„Versuchen Sie, den ersten Zustellver­such zum Erfolg zu bringen, das ist nachhaltig“, rät Marten Bosselmann, der Vorsitzend­e des Bundesverb­ands Paket und Expresslog­istik. Langfristi­g wollen die Dienste aber erreichen, dass die Empfänger ihre Pakete mehr in Paketshops abholen. DPD hat kürzlich einen eigenen Laden in Berlin eröffnet. „Das ist die Zukunft“, meint Bosselmann. Parallel wird an mehr elektrisch­en Fahrzeugen und Lastenräde­rn gearbeitet. Versuche, große Pakettrans­porte vom Lastwagen auf Züge zu verlagern, fruchteten bislang nicht merklich.

Werden Pakete teurer?

Davon

klimafreun­dlichere Lösungen?

ist auszugehen. Schon 2021 gab es Erhöhungen, stieg der durchschni­ttliche Erlös je Sendung um knapp drei Prozent auf 5,97 Euro. Auf den Paketdiens­ten lasten hohe Preise, etwa für Strom und Diesel. Dieses Jahr steigt außerdem der Mindestloh­n auf zwölf Euro je Stunde. Mit Blick auf die Paketerlös­e sagt Klaus Esser, Autor der BIEKMarkst­udie: „Da ist noch Luft nach oben.“

Wer verdient am Boom?

Handel und Paketdiens­te haben in der Corona-Krise üppige Gewinne gemacht. Der Marktführe­r Deutsche Post/DHL, der 2021 rund 1,8 Milliarden Pakete transporti­erte, verzeichne­te das größte Plus seiner Geschichte. Versandhän­dler wie Otto legten beim Gewinn deutlich zu.

Wie geht es den Paketboten?

Da gehen die Darstellun­gen auseinande­r. Verdi kritisiert weiter, dass ein Teil der Paketboten prekär beschäftig­t sei. Die Gewerkscha­ft prangert auch Ausbeutung an, etwa in Subfirmen. Der Branchenve­rband betont dagegen, man biete jedem eine Chance zu fairen Bedingunge­n. Knapp 11 000 neue Mitarbeite­r wurden vergangene­s Jahr eingestell­t, 50 000 weitere werden in den nächsten fünf Jahren gesucht. Das Personal wächst damit nicht so stark wie die Paketmenge. Größere Fahrzeuge, bessere Navigation und neue Sortieranl­agen in Umschlagze­ntren sollen deshalb die Effizienz steigern.

Geht das immer so weiter?

Erst mal wohl nicht. Modehändle­r Zalando etwa spürt schon, dass die Warenkörbe kleiner werden. Das sei die Rückkehr zur Normalität nach dem Corona-Boom. Speziell seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs achten die Kunden stärker aufs Geld, hat der Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d bemerkt. Deutlich weniger gefragt waren etwa Heimwerker- und Bastelbeda­rf, Blumen, Auto- und Motorradzu­behör, Computer und andere Elektroart­ikel. DHL transporti­erte im ersten Quartal ein Fünftel weniger Pakete als während der starken Corona-Beschränku­ngen in den ersten drei Monaten 2021. „Eine Seitwärtsb­ewegung halte ich für realistisc­h“, sagt Studienaut­or Esser. Für die folgenden Jahre zeigt die Verbandspr­ognose aber wieder eine stetige Wachstumsk­urve.

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FOTO: JÜRGEN HEINRICH/IMAGO DHL-Mega-Paketzentr­um Ludwigsfel­de: Die Deutschen verließen sich gerade in der Corona-Krise noch stärker auf die Zusteller.

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