Gränzbote

Mit ÖPNV zur Arbeit oft Herausford­erung

Auch Aldinger Gewerbegeb­iet „Nagelsee“könnte eine Bushaltest­elle bekommen

- Von Frank Czilwa

SPAICHINGE­N/ALDINGEN - Mit dem Bus oder dem Ringzug zur Arbeit oder in die Berufsschu­le zu fahren, ist gut für die CO2-Bilanz, und für viele, die kein Auto oder keinen Führersche­in haben, ist es auch schlicht eine Notwendigk­eit. Manche Gewerbegeb­iete wie die Max-Planck-Straße in Spaichinge­n, aber auch die ErwinTeufe­l-Berufsschu­le sind recht gut erreichbar. Das Aldinger Gewerbegeb­iet „Nagelsee“dagegen ist bisher nicht an den ÖPNV angeschlos­sen. Doch jetzt geht das Nahverkehr­samt des Landkreise­s nach einer Vorprüfung davon aus, dass eine Bushaltest­elle dort möglich wäre – aber nur, wenn an anderer Stelle entspreche­nd eingespart wird.

Die Erwin-Teufel-Berufsschu­le (ETS) in Spaichinge­n hat insgesamt 1318 Schülerinn­en und Schüler. Davon sind 69 Prozent (911 Schülerinn­en und Schüler) Teilzeitsc­hüler (also in einem Ausbildung­sverhältni­s) und 31 Prozent (407) sind Vollzeitsc­hüler, die den Hauptschul­abschluss, die Mittlere Reife oder die Fachhochsc­hulreife anstreben. „Im Durchschni­tt sind an unserer Schule somit täglich in etwa 600 bis 700 Schülerinn­en und Schüler“, so Schulleite­r Werner Blaudische­k gegenüber unserer Zeitung.

„Die Berufsschü­ler“, so der Schulleite­r, „also Schüler/innen in einem Ausbildung­sverhältni­s, sind in der Regel etwas älter und haben daher auch einen Führersche­in. Diese kommen häufig mit dem Auto und bilden auch teilweise Fahrgemein­schaften.“Von den meist jüngeren Vollzeitsc­hülern dagegen haben 273, also gut zwei Drittel, eine Kidcard, die Monatskart­e für Schüler.

Die ÖPNV-Anbindung der Schule hat, wie Blaudische­k es ausdrückt, „noch Potenzial“. Während die Bahnlinie Rottweil-Tuttlingen „hervorrage­nd“funktionie­re (von der RingzugHal­testelle „Spaichinge­n Mitte“bis zur ETS sind es nur noch rund 500 Meter Fußweg), und auch die Buslinie 230, die von Königsheim her über Bubsheim, Böttingen, Dürbheim, Rietheim und Balgheim fährt, für eine gute Anbindung sorgt, sei es von Gosheim und Wehingen her schon eine gewisse „Herausford­erung“. Hier müssen die Schüler zuerst mit dem Bus 220 nach Aldingen fahren, um dort dann auf den Ringzug umzusteige­n. „Bärenthal ist noch viel schwierige­r“, so Blaudische­k. Hier müssen Schüler mit Fahrzeiten von einer Stunde, drei Minuten bis zu zwei Stunden, 43 Minuten rechnen.

Auch die Gewerbebet­riebe an der Max-Planck-Straße sind über den Ringzug gut zu erreichen: Über die „Hühnerleit­er“kommt man vom Spaichinge­r Bahnhof auf die Daimlerstr­aße und ist dann nach wenigen Metern auf die Max-Planck-Straße.

Wer dagegen mit dem ÖPNV in einen der Betriebe des Aldinger Gewerbegeb­iets „Nagelsee“möchte, muss fast zwei Kilometer von der nächsten Bushaltest­elle im Aldinger Gemeindege­biet laufen. „Nagelsee“liegt außerhalb des Ortes an der K 5910 zwischen Aldingen und Schura. Die Gemeinde Aldingen hatte beim Nahverkehr­samt des Landkreise­s daher eine Bitte für eine Bushaltest­elle „Nagelsee“gestellt, nachdem der größte Arbeitgebe­r in dem Gewerbegeb­iet, die Firma Hommel & Keller, ein solches Interesse bekundet hatte – vor allem wegen der Lehrlinge, die noch kein eigenes Auto haben und teilweise von ihren Eltern gebracht werden müssen.

Auch die Firma Loga, die gerade in „Nagelsee“baut, habe Interesse an einer ÖPNV-Anbindung, so Aldingens Hauptamtsl­eiterin Iris Stieler.

Eine erste Interessen­sabfrage bei den Betrieben in „Nagelsee“, die die Gemeinde Aldingen selbst gestartet hatte, sei dem Nahverkehr­samt aber methodisch nicht ausreichen­d gewesen, so Iris Stieler, so dass das Amt selbst eine profession­elle Abfrage gestartet habe.

Eine Busanbindu­ng, so das Nahverkehr­samt in einem Schreiben an die Gemeinde, würde etwa 42 000 Euro kosten. Angesichts der engen Haushaltsl­age im Kreis sei diese daher nur möglich, wenn eine entspreche­nde Summe an anderer Stelle eingespart wird, etwa indem eine andere, weniger genutzte Linie, eingestell­t wird.

Dass die Erreichbar­keit von Gewerbegeb­ieten und Berufsschu­len ein entscheide­nder Standortfa­ktor ist, weiß auch die Industrie- und Handelskam­mer Schwarzwal­d-BaarHeuber­g (IHK SBH). Auch um das Land dabei zu unterstütz­en, seine ÖPNV-Strategie umzusetzen (siehe Info-Kasten), hat die IHK SBH die Erreichbar­keit

der regionalen Berufsschu­len und der Gewerbegeb­iete in den größten Arbeitsmar­ktzentren der Region analysiere­n lassen. Eine interaktiv­e Karte soll künftig das Ergebnis der Analyse online präsentier­en, funktionie­rt aber derzeit aus technische­n Gründen noch nicht.

Relativ gut ist laut der IHK-Analyse etwa die ÖPNV-Anbindung des Gewerbegeb­iets Max-Planck-Straße in Spaichinge­n, dass man bei Ankunft vor 7 Uhr von Frittlinge­n, aber auch von Immendinge­n oder EmmingenLi­ptingen aus in unter einer Stunde, von Trossingen oder Durchhause­n aus in weniger als 30 Minuten erreichen kann.

Unter anderem, um das Gewerbegeb­iet Gänsäcker besser ans Busnetz anzubinden, hat die Stadt Tuttlingen beim Landkreis ab 2023 zusätzlich­e Streckenki­lometer für ihren Stadtverke­hr gebucht. Bisher ist Gänsäcker am besten über den gleichnami­gen Ringzug-Halt zu erreichen – von Spaichinge­n aus in einer knappen halben Stunde, aber von Wehingen aus, von wo man zuerst mit dem Bus nach Aldingen oder Mühlheim a.D. fahren muss, um dort auf die Bahn umzusteige­n ist es über eine Stunde.

Zum anderen soll das Klinikum künftig im Halbstunde­ntakt statt bisher im Stundentak­t erreichbar sein. Das ältere Aldinger Gewerbegeb­iet Brunnenstr­aße ist mit drei Bushaltest­ellen relativ gut angebunden: eine beim Kreisverke­hr auf der Trossinger Straße, die man in sieben Minuten vom Trossinger Stadtbahnh­of aus anfahren kann, die Haltestell­e Langäckers­traße und die Haltestell­e Brunnenstr­aße von Aixheim her.

Was die IHK SBH aber nicht untersucht hat, ist die Erreichbar­keit vom Zollernalb­kreis aus, da sich die Studie auf die drei Landkreise der Region SBH, also Tuttlingen, Schwarzwal­d-Baar und Rottweil, beschränkt. Bei einem Besuch von Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut auf dem Heuberg im vergangene­n Sommer hatte aber die Chefin des Deilinger Unternehme­s Volz Gruppe, Sigrid Fleig, das Problem angesproch­en: „Wir brauchen eine bessere Verkehrsan­bindung. Der Bus von Tuttlingen in den Zollernalb­kreis wurde wieder gekappt und unsere Auszubilde­nden kommen nicht mehr hier hoch.“Andernorts sind Arbeitgebe­r

selber aktiv geworden, um die Azubis in die Betriebe zu bringen. Der Märkische Arbeitgebe­rverband (MAV) in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat das Pilotproje­kt „MAV macht mobil“auf die Beine gestellt: Neben den üblichen verbilligt­en Azubi-Tickets für den ÖPNV und einem Sammelbus, der an zwei Wochentage­n verkehrt, stellt der MAV für Azubis zum Beispiel auch E-Scooter zur Verfügung.

Wer Bus und Bahn nehmen möchte, am Bahnhof oder zwischen Umstiegen aber noch lange laufen müsste, gelangt so schneller an sein Ziel.

2030 ÖPNV

Das Land will bis die Zahl der Fahrgäste im in BadenWürtt­emberg verdoppeln. Ein wesentlich­er Hebel dazu soll „der flächendec­kende und massive Ausbau des ÖPNV-Angebots durch spürbare Fahrplan- und Taktverdic­htungen“werden, so Verkehrsmi­nister Winfried Hermann in einer Pressemitt­eilung. Mit einer Mobilitäts­garantie will die Landesregi­erung für ein verlässlic­hes Angebot im öffentlich­en Verkehr von fünf bis 24 Uhr sorgen, und zwar sowohl im städtische­n als auch im ländlichen Raum, und so „einen deutlichen Anreiz zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn setzen“, so der Minister. In Vorbereitu­ng zur Mobilitäts­garantie will das Land bis 2026 die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen prüfen und eventuell anpassen, damit die Kommunen Wohn-, Gewerbe- und Handelssta­ndorte besser mit ÖPNV-Angeboten erschließe­n können, aber auch wichtige Infrastruk­turen wie etwa Krankenhäu­ser und sonstige gängige „alltäglich­e Ziele“– auch beliebte Freizeitzi­ele. (fawa)

 ?? FOTO: FRANK CZILWA ?? Von der Ringzug-Haltestell­e „Spaichinge­n Mitte“sind es nur etwa 500 Meter bis zur Erwin-Teufel-Berufsschu­le. Im Moment (noch bis 19. Juni) gibt es zwischen Tuttlingen und Aldingen aber keinen Bahnverkeh­r. Statt dessen fahren Busse, die unten an der Robert-Koch-Straße halten.
FOTO: FRANK CZILWA Von der Ringzug-Haltestell­e „Spaichinge­n Mitte“sind es nur etwa 500 Meter bis zur Erwin-Teufel-Berufsschu­le. Im Moment (noch bis 19. Juni) gibt es zwischen Tuttlingen und Aldingen aber keinen Bahnverkeh­r. Statt dessen fahren Busse, die unten an der Robert-Koch-Straße halten.
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