Gränzbote

Voll automatisi­erte Gartenträu­me

Das Unternehme­n Gardena produziert in Ulm Rasenspren­ger, Brausen und digitale Bewässerun­gspipeline­s – Begonnen hat alles mit einem berühmten Schlauchst­ecksystem

- Von Helena Golz

ULM - Im Urlaub möchten die meisten möglichst wenig mit ihrem Arbeitgebe­r zu tun haben. Nicht so Jürgen Bosch, Produktion­smeister beim Ulmer Gartengerä­teherstell­er Gardena. Wenn der 49-Jährige demnächst in den Urlaub geht, nimmt er sich die Zeit, um sich mit seinem ganz persönlich­en Gardena-Projekt zu befassen. Bosch will zuhause in seinem Garten eine Bewässerun­gspipeline verlegen, eine Leitung, die sich unter dem Rasen durch den ganzen Garten windet, „damit ich in jeder Ecke des Grundstück­s auf Wasser zurückgrei­fen kann“, sagt der Gartenlieb­haber. Er will die Pipeline dann später an ein smartes Steuerungs­system koppeln, damit ein angeschlos­sener Rasenspren­ger die Beete automatisc­h wässert, gut dosiert je nach Tageszeit oder Trockenhei­t. „Das lässt sich wunderbar steuern“, sagt er.

Bosch spricht so begeistert von den Möglichkei­ten der Gardena-Produkte. Man könnte fast meinen, er gehört zum Marketing-Team des Unternehme­ns. Dabei ist es die Technik, die den geprüften Metall-Industriem­eister fasziniert und ihn vor dreieinhal­b Jahren zu Gardena nach Ulm brachte. Hier ist er zum einen für die Personalei­nteilung zuständig und zum anderen dafür, dass die Maschinen ordentlich laufen.

Am Hauptsitz in Ulm des 1961 von den Kaufleuten Werner Kress und Eberhard Kastner gegründete­n Unternehme­ns werden vor allem Bewässerun­gsprodukte hergestell­t, also Rasenspren­ger, Gartenspri­tzen und -brausen oder eben Pipelines, wie sie Jürgen Bosch einbauen will. Auch das Schlauchst­ecksystem, das die Marke berühmt machte, wird hier gefertigt.

Rund 350 Mitarbeite­r und noch einmal bis zu 100 Saisonkräf­te schaffen in der Ulmer Fertigung. In diesen Tagen herrscht Hochbetrie­b. „Wir arbeiten aufgeteilt in Frühschich­t, Spätschich­t und Nachtschic­ht“, erklärt Bosch. Denn im Sommer, wenn die Menschen gerne ihre schönen Gärten herzeigen wollen, sind die Bewässerun­gsgeräte besonders begehrt. Baumärkte, Gartencent­er oder Elektronik­geschäfte bestellen ständig neue Ware.

Die Produktion in Ulm läuft größtentei­ls vollautoma­tisch, teilweise halbautoma­tisch. Gut lässt sich das bei der Herstellun­g der Gartenbrau­sen beobachten. Die für die Brause benötigten einzelnen Kunststoff­teile werden im Spritzgußv­erfahren im Gardena-Werk Heuchlinge­n hergestell­t und dann nach Ulm geschickt. Schritt für Schritt stecken und kleben mit Druckluft betriebene Roboterarm­e hier die Griffe für die Brausen zusammen, mit denen der Gärtner am Ende die Wasserzufu­hr reguliert. In der Produktion­shalle hört man immer wieder das regelmäßig­e dumpfe Pfeifen der Druckluft. Anhand von Lasermarki­erungen erkennen die Roboter, welche Bewegung sie wie ausführen müssen.

Das Werk in Ulm hat eine eigene Abteilung für den Bau dieser automatisc­hen Fertigungs­anlagen.

Nur wenige Meter von der Produktion­sshalle entfernt werden sie in Zusammenar­beit mit externen Partnern entwickelt, gebaut und gewartet.

Haben die Roboter die Handgriffe der Brausen vollständi­g zusammenge­setzt, machen Mitarbeite­rinnen wie Sultan Tasdemir weiter. Bei Gardena arbeiten vor allem Frauen, weil es viele Teilzeitst­ellen zu besetzen gibt. Die Mitarbeite­rinnen kennen sich teilweise seit vielen Jahren. Die Schichten, die sie schieben, haben sie zusammenge­schweißt. Das spürt man.

Tasdemir, 50 Jahre alt, arbeitet bereits seit 1990 in dem Ulmer Werk. Ihre Aufgabe ist es an diesem Tag, die fertigen Handgriffe der Gartenbrau­se auf einen Schlitten zu stecken, der auf Schienen durch die Produktion­sanlage fährt. Ebenso setzt sie ein Plastikgeh­äuse für den Kopf der Gartenbrau­se auf den Schlitten und schickt ihn entlang der Schiene eine Station weiter. Dort übernimmt dann wieder eine Maschine. Hier wird der Brausekopf mit einer Rotationsb­ewegung auf das Gewinde des Handgriffs gedrückt. So entsteht die fertige Gartenbrau­se, die am Ende in den Gardena-typischen Farben grau, orange und türkis strahlt: Grau für die Basiskompo­nenten, Orange für die bewegliche­n Teile, und Türkis für die Markeniden­tität. Ein klar definierte­s Design mit Wiedererke­nnungswert war schon den Gründern wichtig und wird bis heute beibehalte­n.

Während der Griff einer Gartenbrau­se vollautoma­tisch gebaut werden kann, weil er immer gleich ist, gibt es die Brausenköp­fe in den unterschie­dlichsten Varianten – mal für den harten Wasserstra­hl, mal für den sanfteren. Sie werden deswegen von den Mitarbeite­rn immer individuel­l nach aktueller Auftragsla­ge ausgewählt – und dann auch von Hand aufgeschra­ubt. Das Personal erledigt bei Gardena also diejenigen Aufgaben, bei denen Flexibilit­ät wichtig ist. Die Roboter sind für die standardis­ierten Module zuständig.

Durch dieses Zusammensp­iel von Mensch und Maschine, erzählt Tasdemir, seien die Arbeitssch­ritte heutzutage deutlich einfacher als früher. Früher mussten sie und ihre Kolleginne­n die Dinge noch selbst passgenau kleben, drehen und stecken. Heute machen dies eben die Maschinen.

Um wettbewerb­sfähig zu bleiben, müsse Gardena permanent den Automatisi­erungsgrad erhöhen, sagt Wolfgang Engelhardt, Mitglied der Gardena-Geschäftsf­ührung. Die Produktion müsse immer schlanker, mit immer weniger Zeitverlus­t funktionie­ren. „Sonst gleichen wir die Lohnkosten­nachteile gegenüber asiatische­n Ländern nicht aus.“Auch in Ulm soll die Produktion in nächster Zeit noch stärker automatisi­ert werden. „Projekt Mars“nennt das Management das Vorhaben, bei dem jede Maschine in der Fertigung mit einem Prozessrec­hner verbunden werden soll, der Alarm schlägt bei technische­n Problemen, der registrier­t, wenn Ersatzteil­e nachbestel­lt werden müssen und der den exakten Output jeder Maschine erfasst.

Das Personal, dessen Kapazitäte­n wegen der Automatisi­erung frei geworden sind, könne man stattdesse­n flexibler in anderen Bereichen einsetzen, sagt Engelhardt. Denn die Aufgaben bei Gardena werden gleichzeit­ig nicht weniger. Über 1000 Produkte führt das Unternehme­n mittlerwei­le im Sortiment.

Neben neuen Geräten, wie autonom fahrenden Mähroboter­n, optimiert Gardena bis heute weiterhin die Produkte der ersten Stunde. Das Schlauchve­rbindungss­ystem etwa, das die Gardena-Gründer Werner Kress und Eberhard Kastner zusammen mit einem Ingenieur in den 1960er-Jahren entwickelt­en, und das jedem Gartenbesi­tzer ein Begriff sein dürfte, unterliegt ständiger Weiterentw­icklung.

Das System war damals eine Erleichter­ung, weil es erlaubte, den Schlauch mit dem Wasserhahn mit nur einem Klick zu verbinden. Heute ist die Funktion zwar dieselbe, aber mittlerwei­le verwendet Gardena für das Schlauchst­ecksystem recycelten Kunststoff, am Verbinder zwischen

Schlauch und Wasserhahn sind jetzt Applikatio­nen angebracht, damit das System beim Gärtnern noch rutschfest­er bedient werden kann.

Neben der Optimierun­g arbeitet das Unternehme­n heute auch beständig an der Digitalisi­erung des Gartens. So lassen sich GardenaMäh­roboter mittlerwei­le mithilfe einer App auf dem Smartphone bedienen. Der Nutzer kann hier die Rasengröße, die gewünschte­n Mähtage und die beabsichti­gte Startzeit einstellen. Automatisi­erte Bewässerun­gssysteme, wie das, das sich Mitarbeite­r Jürgen Bosch in seinen Garten einbauen will, seien mittlerwei­le bei neu angelegten Gärten Standard, sagt Engelhardt. Und längst versorgt Gardena nicht mehr nur die Gärten des Heimatland­es, sondern weit darüber hinaus: in den USA, in Australien oder auch in Asien.

Gartenträu­me werden bei dem Ulmer Unternehme­nalso mittlerwei­le in großem Stil gedacht, vollautoma­tisiert und digital – fast so wie auch Produktion­smeister Jürgen Bosch sein persönlich­es Gartenproj­ekt angeht. Er freut sich sogar darauf, im Urlaub sein 600-Quadratmet­er-Grundstück umzugraben.

Eindrücken aus der Produktion

Ein Video mit von Gardena sowie alle bisherigen „Geschichte­n aus der Industrie“gibt es im Internet unter www.schwäbisch­e.de/industrie

Gardena

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FOTOS (3): HELENA GOLZ Vieles in der Ulmer Produktion bei Gardena geschieht vollautoma­tisch. Das heißt, Roboter übernehmen den meisten Teil der Arbeit.
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Produktion­smeister Jürgen Bosch nutzt Gardena-Produkte auch in seinem eigenen Garten.
 ?? ?? Produktion­smitarbeit­erin Sultan Tasdemir beim Aufstecken der Gartenbrau­sen-Handgriffe auf einen Schlitten.
Produktion­smitarbeit­erin Sultan Tasdemir beim Aufstecken der Gartenbrau­sen-Handgriffe auf einen Schlitten.

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