Spielhallen: Jetzt sind es noch acht
Spielstättengesetz bedeutet für einige das Aus - Suchtberater befürchten Abwanderung ins Online-Zocken
TUTTLINGEN - Spielhallen an fast jeder Ecke: So sah das Stadtbild Tuttlingens noch vor ein paar Jahren aus. Mittlerweile gibt es einige Standorte weniger, auch bedingt durch Änderungen im Glücksspielgesetz. Weitere Schließungen sind vom Ausgang der Klageverfahren am Verwaltungsgericht abhängig. Nur: Fachleute, wie Suchtberater, sehen das nicht nur positiv. Ihre Befürchtung ist, dass die Szene ins Internet abrutschen könnte. Dort herrsche keinerlei Kontrolle mehr. Zocken ist dann 24 Stunden an sieben Tagen die Woche möglich.
Momentan sind in Tuttlingen noch acht Spielhallen geöffnet. Aber auch sie haben Konzessionen eingebüßt, das heißt, es gibt in den Hallen weniger Automaten oder andere Spiel-Angebote. Mit den verbliebenen Betreibern sind Jennifer Matthies und ihre Kollegen von der Tuttlinger Suchtberatungsstelle in Kontakt. „Wir schulen die Mitarbeiter, um ihnen zu zeigen, wie sie Besucher mit Suchtpotenzial erkennen können.“Flyer der Suchtberatungsstelle liegen aus. Spieler, die erkannt haben, dass sie ein Problem haben, können sich bei den Spielotheken sperren lassen. Zudem herrscht Alkoholverbot. Wer spielt, sollte nicht betrunken, sondern in bestem Fall bei klarem Verstand sein.
Jennifer Matthies weiß, dass die Kontrolle bei einigen dennoch verloren geht. Derzeit begleitet sie zehn Spielsüchtige, die seit fast einem Jahr regelmäßig zu ihr kommen. Zudem haben sich in diesem Zeitraum mindestens drei Angehörige von mutmaßlichen Spiel-Abhängigen bei der Beratungsstelle gemeldet. Internet-Zocken greife auch jetzt schon um sich, inzwischen gibt es über 100 verschiedene Casino-Anbieter. Auch Sportwetten oder Börsenspekulationen zählt sie als Abhängigkeiten ihrer Klienten auf. „Aber die meisten, die zu uns kommen, sind klassische Automatenspieler“, sagt die Sozialpädagogin. Heißt im Umkehrschluss aber auch, dass dieses Klientel den Zugang zu Hilfe zumindest findet.
Vor allem um den Schutz von Kindern und Jugendlichen ging es den Verantwortlichen, die das Landesglücksspielgesetz geändert haben. Zum 1. Juli 2021 ist die Übergangsfrist abgelaufen, es gilt eine Abstandsfrist von 500 Metern zwischen zwei Spielhallen. Bei Neuansiedlungen greift die Abstandsregelung schon seit Jahren und zudem ein Mindestabstand von 500 Metern zu Schulen und Kindergärten.
Schon vor Ablauf der Übergangsfrist haben zum Beispiel die Casinos in der Helfereistraße und in der Gerberstraße geschlossen. Auch das Casino Deluxe in der Stockacher Straße ist jetzt zu. In Sichtweite gibt es das Löwen Play in der Möhringer Straße, das nach wie vor geöffnet hat. Diese beiden kamen sich offensichtlich in die Quere. Wie hat die Stadtverwaltung entschieden, welches bleibt und welches nicht?
Zu dieser Konkurrenzsituation gibt es keine Aussage. Stattdessen verweist Laurenzia Balzer, persönliche Referentin des OB, auf Rechtsverfahren, die noch offen seien, insgesamt drei Klageverfahren. Sie weist aber auch darauf hin, dass nicht alle der Spielhallen, die nun zu sind, wegen der geänderten Gesetzeslage geschlossen worden seien: „Unter anderem Corona oder auch Veränderungen der Mietsituation spielten dabei auch eine Rolle.“
In den Jahren 2020 und 2021 waren die Spielhallen Wochen, zeitweise Monate geschlossen. Das hat die Stadt auch am Einbruch der Vergnügungssteuer gemerkt. Die Einnahmen in 2021 fielen um rund 1,8 Millionen
Euro geringer aus, als angesetzt – tatsächlich wurden nur rund 640 000 Euro eingenommen. Der Planansatz für dieses Jahr liegt bei 1,5 Millionen Euro und damit rund eine Million unter den Einnahmen vor Corona. Gründe dafür sind das Aus einiger Spielhallen, wie Balzer mitteilt.
Geld ist das eine, Gesundheit das andere. Die Suchtberaterin spricht sich deshalb für „den besseren Zugriff auf Klienten und Betroffene“in den Spielhallen aus, der durch eine Abwanderung ins Internet völlig verloren gehe. Und sie zählt weitere Gefahren des Online-Zockens auf: „Man kann bargeldlos bezahlen, das birgt eine höhere Gefahr, die Kontrolle
zu verlieren.“Außerdem breche die soziale Komponente weg. Denn in der Regel gebe es dann keinen mehr, der sagt: „Jetzt hör halt mal auf.“
Spielsucht ist eine Krankheit, die die Betroffenen ohne professionelle Hilfe meist nicht bewältigen. Jennifer Matthies hat in der Beratung festgestellt, dass viele Glücksspieler noch weitere Abhängigkeiten – wie zum Beispiel von Alkohol, mit sich tragen und der Anteil an psychischen Erkrankungen hoch ist. Angehörige hängen in diesem Suchtkreislauf mit drin. Nicht zuletzt deshalb, weil es um sehr viel Geld geht, das da verzockt wird.