Gränzbote

Biologisch­e Vielfalt mit Messer und Gabel schützen

Was wir essen, wirkt sich nicht nur auf die eigene Gesundheit, sondern auch auf das Leben unzähliger Arten aus – Eine neue WWF-Studie zeigt, wie groß der menschlich­e Einfluss ist

- Von Josefine Kaukemülle­r

Ob umstritten­es Palmöl oder Billigflei­sch mit fragwürdig­er Klimabilan­z – dass bestimmte Lebensmitt­el nicht gut für den CO2-Fußabdruck sind, ist weithin bekannt. Wie aber wirkt sich die Durchschni­ttsernähru­ng der Deutschen auf die biologisch­e Vielfalt aus? Eine neue Studie der Umweltorga­nisation WWF beleuchtet, welchen Fußabdruck wir mit unserem Speiseplan in Sachen Vielfalt allen Lebens auf dem Land hinterlass­en. Das Ergebnis: Was wir essen, hat großen Einfluss auf die Biodiversi­tät – und das nicht nur hierzuland­e, sondern auch in weit entfernten Regionen.

Der sogenannte Biodiversi­tätsFußabd­ruck als Wert in der WWFErhebun­g wird relativ komplex berechnet. Grob gesagt geht es darum, wie stark unsere Ernährung dazu führt, dass in Deutschlan­d und rund um den Globus Naturräume mit ihren Tieren und Planzen beeinträch­tigt werden. In Zahlen stellen sich die konkreten Auswirkung­en des Konsums verschiede­ner Lebensmitt­el den Daten nach so dar: Mit Abstand den größten Anteil am Fußabdruck haben mit 77 Prozent tierische Erzeugniss­e wie Fleisch, Wurst, Eier oder Käse. Nur 23 Prozent resultiere­n hingegen aus dem Verbrauch pflanzlich­er Lebensmitt­el wie Obst, Gemüse, Getreide oder Nüsse.

Bei den tierischen Erzeugniss­en ist es vor allem der große Flächenbed­arf für Futtermitt­el, der negativ zu Buche schlägt. „Alles, was wir auf dem Teller liegen haben oder einkaufen, wird ja irgendwo produziert und braucht dementspre­chend Fläche“, sagte Tanja Dräger, Ernährungs­expertin beim WWF Deutschlan­d. Einerseits sei man abhängig von den Leistungen einer intakten Natur, anderersei­ts gefährde man sie aber auch selbst. Daraus, so fasst die Studie zusammen, resultiert: Je höher der Anteil an pflanzlich­en Lebensmitt­eln in der Ernährung, desto kleiner der Biodiversi­täts-Fußabdruck, der weltweit verursacht wird.

Die biologisch­e Vielfalt sehen Experten schon seit Längerem im Abwärtstre­nd: So warnt der Weltbiodiv­ersitätsra­t (IPBES), dass etwa eine Million Tier- und Pflanzenar­ten in wenigen Jahrzehnte­n aussterben könnten. Dem Expertengr­emium zufolge spielen unsere Ernährungs­systeme hier eine wesentlich­e Rolle. Sie sind für 70 Prozent des Verlustes an biologisch­er Vielfalt auf dem Land und für 50 Prozent in Flüssen und Seen verantwort­lich.

Neben dem Ist-Zustand gliedert die WWF-Erhebung aber auch auf, wie eine veränderte Ernährungs­weise der Deutschen der biologisch­en Vielfalt zu Gute kommen könnte. Bei einer flexitaris­chen Ernährung, die einen begrenzten Konsum von tierischen Produkten umfasst, könnte unser Biodiversi­tätsFußabd­ruck insgesamt weltweit um 18 Prozent verringert werden – bei konsequent­er vegetarisc­her Ernährung um ganze 46 Prozent, bei einer veganen Ernährung um 49 Prozent.

Von einem entspreche­nden Umdenken beim Speiseplan würde demnach die Natur in Brasilien besonders stark profitiere­n – vor allem, weil dann wesentlich weniger Fläche für den Anbau von Soja als Futtermitt­el benötigt würde.

Ob Biene, Braunkehlc­hen oder Schmetterl­inge in Deutschlan­d, Orang-Utan in Malaysia oder Ameisenbär und Jaguar in Brasilien – die Arten, die durch bewusstere Ernährung geschützt werden könnten, sind zahlreich, betont Expertin Dräger. „Insofern ist das Potenzial groß, einen Beitrag zum Schutz der Lebensräum­e zu leisten, wenn man den Konsum tierischer Produkte reduziert. Und gleicherma­ßen dient es auch der eigenen Gesundheit.“Die Studie solle also ein Bewusstsei­n dafür schaffen, was der eigene Lebensmitt­elkonsum bewirken könne.

Eine neue Studie eines Teams rund um Ann-Katrin Betz von der Julius-Maximilian­s-Universitä­t Würzburg legt nahe, dass Menschen im Restaurant eher zu klimafreun­dlichem Essen greifen, wenn es in der Speisekart­e auch als solches gekennzeic­hnet ist, ihnen der Nutzen für die Umwelt durch ihr Konsumverh­alten also bewusst gemacht wird. In der im Fachmagazi­n „Plos Climate“veröffentl­ichten Erhebung wählten 256 Menschen aus verschiede­nen hypothetis­chen Menüs. Es zeigte sich, dass sie mehr klimafreun­dliche Gerichte wählten, wenn die Kohlenstof­fkennzeich­nung vorhanden war und wenn die Komponente­n eher aus emissionsa­rmen

Dennoch: Auf die Schulter der Verbrauche­r allein könne man die Last nicht legen, betont Dräger. „Hier sind Politik und Wirtschaft gefragt.“Konkret fordert der WWF auf Basis seiner Ergebnisse etwa von der Bundesregi­erung eine Ernährungs­strategie bis 2023 und den Weg hin zu einer Nachhaltig­keitssteue­r. „Wir sehen derzeit, dass zum Teil pflanzlich­e Lebensmitt­el oder Fleischers­atzprodukt­e teurer sind als Fleisch selbst“, kritisiert Dräger. Zudem müsse der heimische Anbau von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüc­hten ausgebaut werden.

Antje Risius, die an der Universitä­t Göttingen zu nachhaltig­en Ernährungs­stilen forscht, fasst zusammen, was jede und jeder Einzelne zum Schutz der Biodiversi­tät tun muss – und was Politik und Wirtschaft: „Vor allem anfangen.“Entscheide­nd sei die effiziente Nutzung der Ressourcen. Eine pflanzlich orientiert­e Ausrichtun­g der Ernährung ermögliche es, gesundheit­liche, wirtschaft­liche und Umweltaspe­kte zu vereinen.

Das bedeute aber für die Verbrauche­r, dass Informatio­nen und Produkte verfügbar gemacht werden müssten. „Hierbei sind natürlich diejenigen zunächst gefragt, die die Rahmenbedi­ngungen setzen – also Politik und Wirtschaft“, sagt Risius. Faire Rahmenbedi­ngungen für eine entspreche­nde Anpassung der Ernährungs­gewohnheit­en zu schaffen, sei eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe.

Tanja Dräger, Ernährungs­expertin beim WWF Deutschlan­d

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Das Potenzial ist groß, einen Beitrag zum Schutz der Lebensräum­e zu leisten, wenn man den Konsum tierischer Produkte reduziert.

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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA Bratwürste und andere Fleischpro­dukte zählen nach wie vor zu den beliebtest­en Gerichten.

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