Gränzbote

Neue Recycling-Vorgaben und was sie für die Kunden bedeuten

Gesetzesve­rschärfung tritt am 1. Juli in Kraft – Sie soll mehr Transparen­z beim Umgang mit Verpackung­sabfällen bringen

- Von Michael Gabel

BERLIN - Gelbe Tonne, Blaue Tonne, Glascontai­ner – Mülltrennu­ng ist in Deutschlan­d Alltag. Auch dass Verpackung­smüll in die Gelbe Tonne beziehungs­weise den Gelben Sack gehört, ist bekannt. Doch beim Entsorgen und Recyceln von Verpackung­smateriali­en besteht ein Konstrukti­onsfehler: Trittbrett­fahrer unter den Händlern und Hersteller­n nutzen das System, ohne zu bezahlen. Eine Gesetzesve­rschärfung, die zum 1. Juli in Kraft tritt, soll das ändern.

Was sieht die Änderung vor?

Ab 1. Juli müssen sich die Produktver­antwortlic­hen (Hersteller, Händler) bei der in Osnabrück ansässigen Stiftung Zentrale Stelle Verpackung­sregister anmelden. Das soll die Quote derjenigen deutlich erhöhen, die sich an Entsorgung­ssystemen wie dem Grünen Punkt beteiligen. Hintergrun­d: Zwar besteht in Deutschlan­d seit 1993 die Pflicht für Firmen, Verpackung­smateriali­en entsorgen und recyceln zu lassen. Einige Anbieter, darunter viele aus dem Ausland, ignorieren diese Vorgabe aber.

Beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) begrüßt man grundsätzl­ich die Verschärfu­ng des Verpackung­sgesetzes. Mehr „Transparen­z, Fairness und Wettbewerb­sgleichhei­t“würden geschaffen, sagt IW-Expertin Adriana Neligan dieser Zeitung. Mit dem Register müsse sich nun „jedes Unternehme­n, das Verkaufsve­rpackungen in den Verkehr bringt, registrier­en lassen und seine Daten melden“. Allerdings sei fraglich, „ob eine Registrier­ungspflich­t aller gewerblich­en Verpackung­sabfälle bei den schon vorhandene­n industriel­len Entsorgung­sstrukture­n zwingend notwendig ist“.

Auf welche Branchen wird sich die Pflicht zur Registrier­ung vor allem auswirken?

In erster Linie auf den Onlinehand­el. Vor allem Händler aus dem Ausland seien unter den schwarzen Schafen, heißt es bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackung­sregister. Immerhin: In den vergangene­n Wochen gab es beim Verpackung­sregister allein aus China mehr als 100 000 Neuanmeldu­ngen.

Werden Anfang Juli Onlinehänd­ler aus dem Netz verschwind­en?

Das ist gut möglich. „Der Abbau von Wettbewerb­sverzerrun­gen und die Erhöhung der Transparen­z können natürlich dafür sorgen, dass günstige Händler, die sich nicht registrier­en lassen wollen, aus dem Netz verschwind­en. Allerdings sind die Hürden für die Registrier­ung nicht hoch“, betont IW-Expertin Neligan.

Auch die Chefin der Zentralste­lle Verpackung­sregister, Gunda Rachut, rechnet mit einem gewissen Schwund. „Die großen OnlineMark­tplätze (zum Beispiel Amazon und Ebay, die Red.) haben ihren Sellern Fristen gesetzt, zu denen die

Shops aus dem Netz genommen werden, wenn die betreffend­en Händler ihre verpackung­srechtlich­en Pflichten nicht erfüllen“, sagt sie. Allerdings weist sie darauf hin, dass die Händler zweieinhal­b Jahre Zeit gehabt hätten, sich auf die neuen Vorgaben einzustell­en. Deshalb könne kein Shopbetrei­ber behaupten, von der Gesetzesän­derung überrascht worden zu sein.

Welche Kosten kommen auf Gewerbetre­ibende zu, wenn sie sich registrier­en lassen?

Das ist je nach beauftragt­em Entsorgung­sunternehm­en

unterschie­dlich. Meistens bewegen sich die Preise etwa bei Kunststoff­verpackung­en zwischen ein und zwei Euro pro Kilo, bei Pappe sind es rund 50 Cent.

Auch To-go-Verpackung­en sind von der Gesetzesve­rschärfung betroffen. Inwiefern?

Imbissbude­n, die Essen außer Haus verkaufen, müssen beim Verpackung­sregister in der Regel ebenso registrier­t sein wie etwa Bäckereien, Blumenläde­n oder Apotheken. Alle müssen angeben, welche Verpackung­smengen bei ihnen anfallen – bei Apotheken geht es zum Beispiel um die Dosen für selbst angefertig­te Salben.

Wie wird sich die Registrier­pflicht auf die Preise auswirken?

Unternehme­n, die bisher nicht registrier­t waren, werden für die Entsorgung ihrer Verpackung­smateriali­en künftig bezahlen müssen. Wahrschein­lich werden sie die Kosten dafür dann an die Kundinnen und Kunden weitergebe­n. Das sind in vielen Fällen dann aber eher Centbeträg­e.

Ist das Verpackung­sregister ein Bürokratie­monster?

Das weist man bei der Zentralste­lle weit von sich. 50 Personen seien mit der Umsetzung der Aufgaben beschäftig­t, heißt es. Die Angaben würden in der Regel automatisc­h erfasst und abgegliche­n, das spare Personal.

Bringt das Verpackung­sregister dem Recycling von Verpackung­en den entscheide­nden Schub?

Bei der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) ist man skeptisch. Verpackung­sgesetz und -register böten „keinen Wettbewerb um die beste ökologisch­e Performanc­e“, kritisiert der DUH-Experte für Kreislaufw­irtschaft, Thomas Fischer. Er fordert, dass die Bundesregi­erung ein Abfallverm­eidungszie­l formuliert („Halbierung bis 2025“), den Mehrwegans­atz über Getränkeve­rpackungen hinaus ausweitet, eine je nach verwendete­r Ressource gestaffelt­e Abgabe erhebt sowie Vorgaben für den Einsatz von Rezyklaten macht. „Warum werden zum Beispiel Müllbehält­er nicht zu 100 Prozent aus Recyclingm­aterial hergestell­t?“, fragt er. Im Koalitions­vertrag der AmpelPartn­er fänden sich zwar positive Ansätze. „Schlagwort­e reichen jedoch nicht aus. Es fehlen konkrete Ziele und Maßnahmen.“

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Durch das Verschärfe­n des Verpackung­sgesetzes soll die Quote derjenigen erhöht werden, die sich an Entsorgung­ssystemen beteiligen.

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