Neue Recycling-Vorgaben und was sie für die Kunden bedeuten
Gesetzesverschärfung tritt am 1. Juli in Kraft – Sie soll mehr Transparenz beim Umgang mit Verpackungsabfällen bringen
BERLIN - Gelbe Tonne, Blaue Tonne, Glascontainer – Mülltrennung ist in Deutschland Alltag. Auch dass Verpackungsmüll in die Gelbe Tonne beziehungsweise den Gelben Sack gehört, ist bekannt. Doch beim Entsorgen und Recyceln von Verpackungsmaterialien besteht ein Konstruktionsfehler: Trittbrettfahrer unter den Händlern und Herstellern nutzen das System, ohne zu bezahlen. Eine Gesetzesverschärfung, die zum 1. Juli in Kraft tritt, soll das ändern.
Was sieht die Änderung vor?
Ab 1. Juli müssen sich die Produktverantwortlichen (Hersteller, Händler) bei der in Osnabrück ansässigen Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister anmelden. Das soll die Quote derjenigen deutlich erhöhen, die sich an Entsorgungssystemen wie dem Grünen Punkt beteiligen. Hintergrund: Zwar besteht in Deutschland seit 1993 die Pflicht für Firmen, Verpackungsmaterialien entsorgen und recyceln zu lassen. Einige Anbieter, darunter viele aus dem Ausland, ignorieren diese Vorgabe aber.
Beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) begrüßt man grundsätzlich die Verschärfung des Verpackungsgesetzes. Mehr „Transparenz, Fairness und Wettbewerbsgleichheit“würden geschaffen, sagt IW-Expertin Adriana Neligan dieser Zeitung. Mit dem Register müsse sich nun „jedes Unternehmen, das Verkaufsverpackungen in den Verkehr bringt, registrieren lassen und seine Daten melden“. Allerdings sei fraglich, „ob eine Registrierungspflicht aller gewerblichen Verpackungsabfälle bei den schon vorhandenen industriellen Entsorgungsstrukturen zwingend notwendig ist“.
Auf welche Branchen wird sich die Pflicht zur Registrierung vor allem auswirken?
In erster Linie auf den Onlinehandel. Vor allem Händler aus dem Ausland seien unter den schwarzen Schafen, heißt es bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister. Immerhin: In den vergangenen Wochen gab es beim Verpackungsregister allein aus China mehr als 100 000 Neuanmeldungen.
Werden Anfang Juli Onlinehändler aus dem Netz verschwinden?
Das ist gut möglich. „Der Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und die Erhöhung der Transparenz können natürlich dafür sorgen, dass günstige Händler, die sich nicht registrieren lassen wollen, aus dem Netz verschwinden. Allerdings sind die Hürden für die Registrierung nicht hoch“, betont IW-Expertin Neligan.
Auch die Chefin der Zentralstelle Verpackungsregister, Gunda Rachut, rechnet mit einem gewissen Schwund. „Die großen OnlineMarktplätze (zum Beispiel Amazon und Ebay, die Red.) haben ihren Sellern Fristen gesetzt, zu denen die
Shops aus dem Netz genommen werden, wenn die betreffenden Händler ihre verpackungsrechtlichen Pflichten nicht erfüllen“, sagt sie. Allerdings weist sie darauf hin, dass die Händler zweieinhalb Jahre Zeit gehabt hätten, sich auf die neuen Vorgaben einzustellen. Deshalb könne kein Shopbetreiber behaupten, von der Gesetzesänderung überrascht worden zu sein.
Welche Kosten kommen auf Gewerbetreibende zu, wenn sie sich registrieren lassen?
Das ist je nach beauftragtem Entsorgungsunternehmen
unterschiedlich. Meistens bewegen sich die Preise etwa bei Kunststoffverpackungen zwischen ein und zwei Euro pro Kilo, bei Pappe sind es rund 50 Cent.
Auch To-go-Verpackungen sind von der Gesetzesverschärfung betroffen. Inwiefern?
Imbissbuden, die Essen außer Haus verkaufen, müssen beim Verpackungsregister in der Regel ebenso registriert sein wie etwa Bäckereien, Blumenläden oder Apotheken. Alle müssen angeben, welche Verpackungsmengen bei ihnen anfallen – bei Apotheken geht es zum Beispiel um die Dosen für selbst angefertigte Salben.
Wie wird sich die Registrierpflicht auf die Preise auswirken?
Unternehmen, die bisher nicht registriert waren, werden für die Entsorgung ihrer Verpackungsmaterialien künftig bezahlen müssen. Wahrscheinlich werden sie die Kosten dafür dann an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Das sind in vielen Fällen dann aber eher Centbeträge.
Ist das Verpackungsregister ein Bürokratiemonster?
Das weist man bei der Zentralstelle weit von sich. 50 Personen seien mit der Umsetzung der Aufgaben beschäftigt, heißt es. Die Angaben würden in der Regel automatisch erfasst und abgeglichen, das spare Personal.
Bringt das Verpackungsregister dem Recycling von Verpackungen den entscheidenden Schub?
Bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist man skeptisch. Verpackungsgesetz und -register böten „keinen Wettbewerb um die beste ökologische Performance“, kritisiert der DUH-Experte für Kreislaufwirtschaft, Thomas Fischer. Er fordert, dass die Bundesregierung ein Abfallvermeidungsziel formuliert („Halbierung bis 2025“), den Mehrwegansatz über Getränkeverpackungen hinaus ausweitet, eine je nach verwendeter Ressource gestaffelte Abgabe erhebt sowie Vorgaben für den Einsatz von Rezyklaten macht. „Warum werden zum Beispiel Müllbehälter nicht zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial hergestellt?“, fragt er. Im Koalitionsvertrag der AmpelPartner fänden sich zwar positive Ansätze. „Schlagworte reichen jedoch nicht aus. Es fehlen konkrete Ziele und Maßnahmen.“