Ein Feuerwerk der Literatur am Fuße des erloschenen Vulkans
In der „Blauen Stunde“der Kunststiftung Hohenkarpfen wird die neue Biografie „Wilhelm Hoffmann – Leben und Wirken“vorgestellt
REGION SPAICHINGEN - Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs musste unser Land wiederaufgebaut werden. Auch aus geistigen Ruinen. Wilhelm Hoffmann (1901 bis 1986), langjähriger Direktor der Württembergischen Landesbibliothek, hat sich beim geistigen Wiederaufbau der jungen Bundesrepublik große Verdienste erworben. Dessen Erkenntnis, dass jeder Mensch ein Recht auf Bildung haben müsse und dies eine soziale und zugleich wirtschaftliche Aufgabe von hohem Rang sei, war für ihn Anspruch und Verpflichtung zugleich. Professor Friedemann Maurer, der Vorsitzende der Kunststiftung, hieß in seiner Begrüßung über 50 Kulturbeflissene willkommen und war sichtlich stolz auf das hochkarätige Dreigestirn dieser Buchpräsentation.
Der erste Redner, Claus-Wilhelm Hoffmann (Jahrgang 1932 und von 1964 bis1994 Oberbürgermeister der Stadt Biberach/Riß) hat den Sammelband herausgegeben, der die Lebensleistung
seines Vaters würdigt. Der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei Weltenbrände erlebt und trotzdem die Hoffnung auf Frieden nie aufgegeben hat. Er begrüßte die neue Zeit mit seinem Buch „Nach der Katastrophe“, das in Beuron beginnt, wohin die Handschriften und Inkunabeln der Stuttgarter Landesbibliothek ausgelagert waren. Deren Leitung hatte er von 1947-1951 inne, wurde ein Jahr später Vizepräsident der Deutschen Schillergesellschaft und zwei Jahre später deren Präsident.
Im Rahmen der Gründung des Deutschen Literaturarchivs 1955 in Marbach/Neckar hat er sich bleibende Verdienste erworben.
Das unterstrich auch der zweite Redner dieser gehaltvollen Stunde, Professor Dr. Ulrich Ott, hochangesehener Altdirektor des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs. Dessen anspruchsvolle Assoziationskette führte von Aristoteles über Goethe bis in die Nachkriegszeit, in der die DDR die Kultur (neben dem Sport) zu einer Wettkampfbühne der konkurrierenden Systeme erklärte. Wilhelm Hoffmann sei ein „Alphastern“gewesen, der mit Weitblick und Mut Weichen gestellt habe. Wie bei der Einbringung des legendären Cotta-Archivs, das im zweiten Weltkrieg in Überlingen in Sicherheit gebracht worden war. „Hoffmann war ein Netzwerker“, so Ott und hatte auch gute Beziehungen zum ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss.
Arnold Stadler, der BüchnerPreisträger aus Rast bei Sauldorf und Stammgast auf dem Hohenkarpfen, wartete zum Schluss mit einem feurigen Plädoyer für das gute alte Buch auf und zeichnete dessen Stellenwert in der Weltgeschichte nach. An der heutigen Schnittstelle von analoger und digitaler Welt sparte er nicht mit kritischen Gedanken zu dem, was bisweilen als Fortschritt gepriesen wird wie dem Aufgehobensein von Kulturgütern in der Cloud. „Jetzt fängt Dein neues Leben an“, habe er sich einst bei der Entgegennahme seines ersten PC sagen lassen, als ob die Technik alles bewerkstelligen könne und es keiner eigenen Inspiration mehr bedürfe. Dass Luther mit der Bibelübersetzung den Weg der Schriftwerdung der deutschen Sprache geebnet habe , ist für ihn, der katholische Theologie studiert hat, unbestritten. „Doch schon 500 Jahre vorher hat Notker von St. Gallen den Psalter übersetzt“, so Stadler der guten Ordnung halber.
„Die Vergangenheit um der Zukunft willen zu vergegenwärtigen“, ist und bleibt die Aufgabe des Buches. Und „Herzenssache“für ihn als Schriftsteller.