Scholz hält wenig von längeren AKW-Laufzeiten
Bundeskanzler sieht FDP-Vorstoß skeptisch – Branchenverband widerspricht Grünen-Chef
BERLIN - In der Ampelkoalition geht der Konflikt über eine weitere Nutzung der Kernkraft weiter. So hat die FDP ihre Forderung nach einer Laufzeitverlängerung der verbliebenen drei Atomkraftwerke bekräftigt. „Es geht nicht um einen Winter, den wir jetzt überbrücken müssen, sondern um drei bis fünf Jahre der Sicherung unserer Energieversorgung und der Knappheit beim Gas“, sagte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner am Dienstag in Berlin. Weder der Ausbau der Erneuerbaren Energien noch Flüssigerdgas-Terminals würden seiner Ansicht nach die drohende Knappheit beim Gas beseitigen. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) haben längere Laufzeiten der AKW, die Ende des Jahres vom Netz gehen sollen, bereits abgelehnt.
Nichtsdestotrotz äußerten sich auch andere FDP-Politiker ähnlich, wobei man sich bei den Liberalen noch nicht einig zu sein scheint, über welchen Zeitraum die Verlängerung erfolgen soll. So forderte Fraktionsgeschäftsführer Johannes Vogel eine „Streckung“der Laufzeiten „zumindest über diesen Winter“, auch mit Blick auf den Klimaschutz, da ansonsten mehr Kohle verbrannt würde. Unterstützung bekommen sie von der Union, in der die Parteichefs Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) ebenfalls eine Laufzeitverlängerung fordern.
Der Koalitionsausschuss, der am Mittwoch stattfinden soll, dürfte insofern eine muntere Veranstaltung werden, nachdem Lindner am Dienstag auch noch mitteilte, das von der EU geplante Verbot des Verbrennermotors verhindern zu wollen – das die Grünen ausdrücklich unterstützen. Geradezu unversöhnlich scheinen die Lager sich jedoch in der Atomfrage gegenüberzustehen.
So werde es eine Laufzeitverlängerung mit seiner Partei nicht geben, sagte SPD-Parteichef Lars Klingbeil. Weniger resolut, dafür aber ähnlich skeptisch äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag: Die Atombrennstäbe reichten bis Ende des Jahres und bislang gebe es von Expertenseite keine Aussagen dazu, wie die Laufzeit der AKW verlängert werden könnte. GrünenChef Omid Nouripour nannte den Vorschlag „hanebüchen“, da es seiner Meinung zufolge an Brennelementen mangele, die kurzfristig nicht zu beschaffen seien.
Ganz so hanebüchen scheint der Vorschlag dann aber doch nicht zu sein. So befürwortet der Branchenverband Kernenergie eine Laufzeitverlängerung in der aktuellen Krisensituation und hält die Beschaffung von Brennstäben vor dem Jahresende für machbar, wenn auch Eile geboten sei, wie ein Sprecher dem „Münchner Merkur“mitteilte. Das dafür nötige Uran gebe es nicht nur in Russland, sondern auch in Australien oder Kanada.