Musiker schauen nach Trossingen
Kompetenzzentrum für Amateurmusik eröffnet – Baukosten von drei Millionen Euro
TROSSINGEN - Nicht in Berlin, sondern in Trossingen steht das neue Kompetenzzentrum für Amateurmusik, das sich um die 14,3 Millionen Menschen in Deutschland kümmert, die in Chören singen oder in Musikkapellen oder Orchestern musizieren. Am Sonntag wurde das Gebäude direkt neben der Bundesakademie eingeweiht, und Benjamin Strasser, Präsident des Bundesmusikverbands Chor und Orchester BMCO, erläuterte, was drin stecken wird: Ein offenes Haus, ein ThinkTank, eine Ideenschmiede und Anlaufstelle für die meist ehrenamtlich geführten Vereine, die umso wichtiger ist in diesen Zeiten, da Corona ihnen das Leben sehr schwer gemacht hat.
In dieser großen Herausforderung für die Gesellschaft „kann Amateurmusik Lösungen bieten“, so Strasser. Und dafür dürfen sich die Vereine an den Verband wenden, statt alleine vor sich hin zu wurschteln. Das neue Zentrum verspricht dafür kurze Wege, und auch die enge Vernetzung mit den anderen zahlreichen musikalischen Institutionen, die Trossingen schließlich zu bieten hat. Dazu gibt es im neuen Gebäude auch Coworking-Spaces samt Besprechungsund Seminarräumen, wer also hier arbeiten will oder muss, der kann und darf. Der Verband kümmert sich aber auch um die Koordination der Coronahilfen für die Vereine, bietet „Vereinspiloten“an und vieles mehr.
Zudem sind mit dem Deutschen Harmonika-Verband und dem Landes-Hackbrett-Bund bereits zwei Verbände in das Zentrum integriert. Strasser betonte, dass die Fassade des Gebäudes mit seinem symmetrischen Rhythmus aus Glas und Schattenspendern und den Linien und Objekten der Trossinger Künstlerin Dorothee Pfeifer den musikalischen Aspekt des Gebäudes spiegle. Drei Millionen hat es gekostet, „wir sind im Rahmen geblieben.“Benjamin Strasser bedankte sich bei der Stadt Trossingen, die das Grundstück und die Arbeit ihrer Fachleute zur Verfügung gestellt hat. „Stark und laut klingt der Verband in Richtung Politik und Öffentlichkeit“, so Bürgermeisterin Susanne Irion.
Mit dem Gebäude habe er nun die baulich besten Voraussetzungen, die unterschiedlichen Stimmen in Einklang zu bringen. Warum Trossingen und nicht Berlin? „Nicht, weil hier der Baugrund so billig ist, in dem Fall sogar umsonst“, so Irion. „Man baut sein Haus dort, wo das Herz ist.“Und so spreche hier im ländlichen Raum viel mehr dafür als in einer Etage eines Berliner Gebäudes. Immerhin: „Es gibt nirgendwo einen anderen Ort, der über mehr musikalische Einrichtungen pro Einwohner verfügt!“Sie freue sich, dass die Stadt helfen konnte, zwar nicht mit Geld, „aber wir haben hervorragende Architekten.“Als Vertreter des Kultusministeriums war Johannes Grebe gekommen. Er betonte, dass in Baden-Württemberg das Musizieren im Verein am verbreitetsten ist, „es ist folgerichtig, dass sich das Zentrum nicht nach Berlin davongemacht hat, sondern in ‚The Länd’ geblieben ist.“So sei es auch selbstverständlich, dass das Land hier seinen Obulus gebe. Bei Wissenschaftsministerin Theresia Bauer habe er mit der Idee offene Türen eingerannt. Grebe gab zu, dass er selbst leidenschaftlicher Blasmusiker sei. Amateurmusik, der Begriff sei bewusst gewählt, an Stelle von Laienmusik, und Breitenkultur statt Laienkultur – diese Benennung hefte er sich gerne ans Revers. „Im Sport heißt es: Ohne Breite keine Spitze!“
Einer, der ebenfalls seinen Teil zum neuen Projekt beigetragen hat, ist Ernst Burgbacher, der, so sein Gesprächspartner Lorenz Overbeck, Geschäftsführer des BMCO, fast täglich auf der Baustelle gesichtet wurde. Hier im Haus könne man die Kräfte bündeln, so Overbeck. Burgbacher wiederum erzählte, dass die Entscheidungen des Gemeinderats für das Zentrum so schnell fielen, „das hat uns manchmal fast überfordert!“Ein wichtiger Schritt in die Zukunft, eine weitere Stärkung der Musikstadt Trossingen und die Chance, das Potenzial der Amateurmusik weiter auszubauen, das ist der Neubau für Manfred Kappler, den Vizepräsidenten des Deutschen Harmonika-Verbands.
Schließlich übergab Architekt Günter Hermann den Schlüssel an Bürgermeisterin Susanne Irion. Er betonte, der „kleine Schrein“füge sich harmonisch in die Landschaft. Leider habe man bei der Planung Federn lassen müssen, da die Baukosten in die Höhe schnellten, „aber es ist zu nutzen.“Irion übergab dann ihrerseits den Schlüssel an Benjamin Strasser weiter. Früher habe er immer einen symbolischen Schlüssel, von einem Instrumentenmacher ins Goldbad gelegt, überreicht, so Architekt Hermann, „heute hat man so komische Teile.“Ein solches lag dann eben im Kästchen.
Umrahmt wurde die Einweihung, die übrigens im Saal der Bundesakademie stattfand, von der Combo des Hohner-Konservatoriums, dem Projekt B und der neuen „Musica Trossingensa“, hinter der Anika Neipp, Frank Golischewski, Matthias Anton und Hans-Günther Kölz in neuem musikalischen Gewand stecken. Die aber auch mit passenden Auszügen aus der Hohner-Oper aufwarteten, in der Anika Neipp Trossingen als Hauptstadt der Musik besingt, in der sie dennoch den Blues kriegt, weil sie jede Nacht von den neckischen Stuttgartern träumt, in Trossingen „wird mir höchstens der Dutt hart.“Für die Umrahmung des anschließenden Umtrunks, bei dem auch Ex-Justizminister Guido Wolf mit Bürgermeisterin Irion anstieß, sorgte dann die Stadtmusik.