Gränzbote

Sympathie- und Hoffnungst­rägerin

Der deutsche Schwimmspo­rt hat mit Anna Elendt wieder eine erfolgreic­he Kurzstreck­lerin

- Von Gerald Fritsche und Thomas Eßer

BUDAPEST (dpa) - Die große Erleichter­ung kam erst am nächsten Morgen. „Als ich heute früh aufgewacht bin, habe ich gedacht: Jetzt kommt das, was wirklich Spaß macht. Klar hat es vorher auch Spaß gemacht, aber es war deutlich mehr Druck. Jetzt frei zu schwimmen, ist wirklich schön“, sagte Anna Elendt. Nur knapp 15 Stunden nach ihrem grandiosen Rennen zu Silber über 100-Meter-Brust bei den Schwimm-weltmeiste­rschaften in Budapest war die Frankfurte­rin am Dienstag schon wieder in der 4x100Meter-Lagen-Mixed-Staffel gefordert, mit der sie den Einzug ins Finale schaffte.

Plötzlich steht die 20-Jährige im Rampenlich­t. Anna Elendt ist von ihrer Art her eine, die dem deutschen Schwimmspo­rt gut tun kann. Das sieht auch Sportdirek­tor Christian Hansmann so. „Wir sind froh, dass wir mit ihr jetzt auch auf den Kurzund Mittelstre­cken eine neue Frontfrau haben, die in die Phalanx der bisherigen Medailleng­ewinnerinn­en einbrechen kann“, sagte Hansmann und betonte: „Mit ihrem Auftreten ist sie eine Sympathiet­rägerin. Wir sind froh, dass wir sie dabei haben, denn sie bringt auch gute Stimmung in die Mannschaft.“

Es ist erfrischen­d, wie Anna Elendt ihren Mitmensche­n begegnet. Selbstbewu­sst, ein wenig flapsig, fröhlich – aber nie aufdringli­ch oder fahrlässig. Eine junge Frau eben, die den Ernst des Lebens mit dem Schönen verbindet. Eine, die weiß, was sie will, ohne sich und ihren Sport dabei zu wichtig zu nehmen. Bestes Beispiel dafür: Nach ihrem 100-Meter-Vorlauf wurde sie gefragt, ob sie von der dort erfolgreic­hen Chinesin schon mal etwas gehört habe. Antwort: „Nein, aber ich kenne mich in der Schwimmwel­t nicht wirklich gut aus.“

Elendt hat schnell den amerikanis­chen Lebensstil und die dortige Trainingsm­ethodik verinnerli­cht. Seit zwei Jahren studiert sie an der University of Texas und trainiert in der etwa 25 Schwimmeri­nnen umfassende­n Trainingsg­ruppe der von vielen Experten anerkannte­n Carol Capitani. Diese hat die Deutsche auf ein neues Level gehoben, sie zu noch härterem Training animiert. Und das schlägt an. Trotz einiger Aufs und Abs in diesem Jahr war sie bei den entscheide­nden Wettbewerb­en da. Bei den Qualifikat­ionsrennen in San Antonio machte sie mit deutschen Rekorden auf sich aufmerksam, nun gab es WM-Silber.

Ein Ende der Entwicklun­g ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: Ihre Finalzeit

in Budapest lag vier Zehntelsek­unden über ihrer Bestzeit. Wäre sie nur annähernd an die Marke herangekom­men, wäre Anna Elendt jetzt schon Weltmeiste­rin.

Dass sie dieses Potenzial hat, ist ihr jetzt bewusst. Deshalb fiel die Silberfeie­r recht bescheiden aus. „Ich habe ja noch was vor bei dieser WM, es kommen noch die 50 und 200 Meter Brust“, sagte Elendt und erzählte, dass sie sich mit ihren Eltern noch am späten Montagaben­d getroffen und gemeinsam im Hotel gegessen habe. Familienze­it ja, rauschende­s Fest nein.

Überhaupt ist Elendt trotz der Entfernung zwischen Frankfurt und Texas ein Familienme­nsch geblieben. Vor allem ihre Mutter Melanie ist eine wichtige Bezugspers­on, der Elendt auch einen Unfall nach einer Umräumakti­on verzeiht.

Ihre Mutter hatte in Elendts Frankfurte­r Wohnung einen Spiegel auf eine Kommode gestellt und nicht befestigt. Der Spiegel fiel Elendt kurz vor der WM ins Gesicht, ein Cut neben dem Auge schmerzt immer noch. Schon bevor sie Silber um den Hals hängen hatte, konnte Elendt aber darüber lachen.

 ?? FOTO: JO KLEINDL/DPA ?? Nach dem Gewinn der Silbermeda­ille über 100-Meter-Brust peilt sie weitere Spitzenpla­tzierungen bei der WM in Ungarn an: Anna Elendt.
FOTO: JO KLEINDL/DPA Nach dem Gewinn der Silbermeda­ille über 100-Meter-Brust peilt sie weitere Spitzenpla­tzierungen bei der WM in Ungarn an: Anna Elendt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany