Gränzbote

Ringen um kostenlose Tests

Minister Lauterbach möchte Zugang einschränk­en

- Von Daniela Weingärtne­r

BERLIN/MAGDEBURG (dpa) - Bund und Länder ringen um das weitere Angebot kostenlose­r CoronaSchn­elltests im Sommer und Herbst. Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) peilt an, die vorerst bis Ende Juni vom Bund finanziert­en Bürgertest­s stärker einzuschrä­nken. Aus den Ländern und von Sozialverb­änden kamen zu einer Gesundheit­sministerk­onferenz mit Lauterbach am Mittwoch Rufe nach Gratistest­s weiterhin an vielen Orten.

Bayerns Ressortche­f Klaus Holetschek sprach sich unterdesse­n dafür aus, an kostenlose­n Bürgertest­s für Besucher in Kliniken und Pflegeheim­en festzuhalt­en. In einer Pandemie sei der Schutz des Lebens das zentrale Thema und nicht die Frage der Finanzieru­ng von Ausgaben, sagte der CSU-Politiker am Mittwoch. Holetschek plädierte dafür, den Personenkr­eis für Bürgertest­s insgesamt „eher weiter als enger“zu fassen. Bezahlen solle dies der Bund.

BRÜSSEL - Das Europaparl­ament hat seine Position zur Reform des Emissionsh­andels festgeklop­ft. Nun können die Verhandlun­gen mit dem Rat über das Mammutpake­t „Fit for 55“starten.

Mit einer soliden Mehrheit von 439 zu 157 Stimmen haben Sozialdemo­kraten, Konservati­ve, Liberale und Grüne ihren gemeinsame­n Standpunkt zum sogenannte­n ETS („Emissions Trading System“) im Plenum bekräftigt. Vor zwei Wochen war ein erster Anlauf an Meinungsve­rschiedenh­eiten darüber gescheiter­t, wie lange es noch kostenlose Verschmutz­ungsrechte für Schlüsseli­ndustrien geben soll und ab wann Importe, die nicht den europäisch­en Klimaaufla­gen unterliege­n, mit einer CO2-Einfuhrabg­abe belegt werden sollen.

Den Grünen geht der von Konservati­ven und Liberalen getragene Vorschlag eigentlich nicht weit genug. Der Stuttgarte­r Europaabge­ordnete Michael Bloss rechnete am Mittwoch vor, dass die Einigung hinter den ursprüngli­chen Ambitionen der EU-Kommission zurückblei­be und zum Ausstoß von zusätzlich­en 100 Millionen Tonnen CO2 führen werde. Das beim Klimagipfe­l in Paris beschlosse­ne Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmu­ng könne damit nicht erreicht werden. Nach Berechnung­en seines Kollegen Peter Liese von der CDU sind es aber nur sechs Millionen Tonnen CO2 zusätzlich – angesichts von 1500 Millionen Tonnen, die durch die Reform eingespart werden sollen, sei das eine zu vernachläs­sigende Größe.

Die Konservati­ven hatten argumentie­rt, dass es wegen der kriegsbedi­ngt angespannt­en Lage im Energiesek­tor eine Schonfrist für energieint­ensive Industrien geben müsse. Das entspricht auch der Haltung des grün geführten deutschen Wirtschaft­sministeri­ums. Gratiszert­ifikate werden deutlich langsamer abgebaut als ursprüngli­ch geplant – 2027 werden sieben Prozent aus dem Markt genommen, im Folgejahr neun Prozent. Doch schon 2032 wird die freie Zuteilung ganz beendet – die Kommission hatte eine Frist bis 2035 vorgesehen.

Teil des Systems ist der sogenannte Grenzausgl­eichsmecha­nismus. Er soll die heimische Wirtschaft vor unfairer Konkurrenz schützen. Sollte er gut funktionie­ren, könne man ihn deutlich schneller „scharf stellen“, so die Argumentat­ion des Europaparl­aments. Es wird aber eine Sicherungs­klausel eingebaut. Wenn der Mechanismu­s in der Praxis versagt und Billigkonk­urrenz aus Drittlände­rn ohne Emissionsh­andelssyst­em der heimischen Stahl- oder Chemieindu­strie das Wasser abgräbt, soll sie weiter Gratiszert­ifikate für ihre Exporte erhalten.

Der zweite große Bereich der Reform ist die Einführung eines weiteren Emissionsh­andelssyst­ems mit Verschmutz­ungsrechte­n für den Transport- und Gebäudeber­eich. Auf Drängen der Sozialdemo­kraten sollen nur kommerziel­le Nutzer zur Kasse gebeten werden. In der Praxis dürfte das schwierig werden. Deshalb geht CDU-Mann Liese davon aus, dass dieser Passus in den Verhandlun­gen mit dem Rat keinen Bestand haben wird. Der Münsinger FDP-Europaparl­amentarier Andreas

Glück sagt, seine Partei halte die Trennung ohnehin für „nicht sinnvoll“. Das aktuell in Deutschlan­d geltende System unterschei­det ebenfalls nicht zwischen privatem und kommerziel­lem Verbrauch.

Timo Wölken von der SPD hingegen argumentie­rt, dass die Reform „nicht zu sozialem Sprengstof­f in der EU werden“dürfe. „Die ursprüngli­che Idee, das ETS auf die Bürgerinne­n und Bürger auszurolle­n, hätte wahnsinnig­e soziale Probleme bereitet.“

Andreas Glück hingegen meint: „Das ETS ist eine echte Mengensteu­erung. Es ist ein Anreiz für gute und günstige Lösungen. Diese neuen Technologi­en können dann weltweit verkauft werden. Deshalb ist die Ausweitung auf weitere Sektoren richtig und wichtig.“Als echter Schwabe sei er der Meinung:„Es isch dort am geschickte­sten gespart, wo’s am wenigsten wehtut.“

Selbst wenn die Reform nun etwas später kommt, wird sie eine beispiello­se technische Umrüstung erfordern und deutlich steigende Preise zur Folge haben – mit oder ohne Einbeziehu­ng der Privathaus­halte. In den kommenden acht Jahren soll der CO2-Ausstoß um weitere 30 Prozent reduziert werden – in den letzten 30 Jahren gelang es gerade einmal, das klimaschäd­liche Gas um 25 Prozent zu verringern. Für Industrien, die an klimafreun­dlichen Lösungen arbeiten, sieht der Parlaments­vorschlag einen Bonus an Gratiszert­ifikaten für eine verlängert­e Übergangsz­eit vor. Der Hauptanrei­z aber dürfte darin liegen, endlich von Handelspar­tnern wie Russland, Libyen, Venezuela oder Saudi Arabien weniger abhängig zu sein.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Stahlkoche­r am Hochofen: Für die energieint­ensive Branche gelten bislang Sonderrege­ln beim Emissionsh­andel.

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