Gränzbote

Maasai fürchten Zwangsumsi­edlung

Landkonfli­kt in der Serengeti sorgt für Unfrieden – UN-Menschenre­chtskommis­sion alarmiert

- Von Eva Krafczyk

NAIROBI/ARUSHA (dpa) - Sie prägen bei Touristen das Bild Ostafrikas mindestens ebenso stark wie Elefanten und Löwen: Die Maasai, ein in Kenia und Tansania lebendes indigenes Volk, sind stolz auf ihre Traditione­n, die sie über Jahrhunder­te bewahrt haben. Im 21. Jahrhunder­t hantieren die traditione­ll als viehzüchte­nde Nomaden lebenden Maasai zwar auch in der Savanne ganz selbstvers­tändlich mit dem Handy, doch die roten Shukas und die bestickten Armbänder, die ihre Clanzugehö­rigkeit verraten, dominieren nach wie vor – und nicht nur für das bezahlte Touristen-Foto. Die Umgebung der Serengeti in Tansania und das Naturschut­zgebiet Maasai Mara in Kenia sind ihr Zuhause – doch nun bedroht ein Landkonfli­kt und Furcht vor einer Zwangsauss­iedlung das Leben in der Savanne.

Bereits im Januar hatten Menschenre­chtsgruppe­n Alarm geschlagen: Die tansanisch­e Regierung plane die Vertreibun­g von bis zu 70 000 Maasai, die im Bezirk Loliondo leben. Dieser Bezirk grenzt an das Ngorongoro-Schutzgebi­et an, Wanderrout­en von Wildtieren führen durch ihn hindurch. Geplant sei, ein rund 1500 Quadratkil­ometer großes Gebiet der insgesamt etwa 4000 Quadratkil­ometer abzuteilen. Ein Teil des Gebietes soll weiterhin wie bisher genutzt werden, der übrige für Jagd- und Safaritour­ismus „reserviert“sein. Als vor wenigen Wochen tansanisch­e Behörden mit Grenzmarki­erungen Tatsachen schufen, gab es Proteste.

Was dann geschah, darüber gibt es unterschie­dliche Darstellun­gen: In sozialen Medien kursierten Bilder von Aktivisten, die zeigten, dass auf protestier­ende Maasai geschossen wurde. Tansanisch­e Regierungs­behörden sprachen von Bildern, die mehrere Jahre alt seien und gaben an, bei Protesten sei ein Polizist getötet worden. Berichten zufolge wurden 30 Menschen verletzt. Nach Angaben von Amnesty Internatio­nal kam es zu Dutzenden unberechti­gter Festnahmen.

Experten der UN-Menschenre­chtskommis­sion zeigten sich alarmiert. Eine Umsiedlung der Menschen ohne vorherige Beratung und Zustimmung könne nicht nur zu Zwangsvert­reibungen führen, sondern auch unter dem Namen des Naturschut­zes, des Safari- und Jagdtouris­mus

das kulturelle und physische Überleben der Maasai gefährden, hieß es in einer Stellungna­hme.

Die Zoologisch­e Gesellscha­ft Frankfurt (ZGF), die seit Jahrzehnte­n in der Region Naturschut­zprojekte unterstütz­t und dabei mit den örtlichen Gemeinscha­ften zusammenar­beitet, reagierte schockiert über die Berichte über Gewalt.

Der Konflikt als solcher ist indessen nicht ganz neu. „Das Gebiet hatte bisher einen Status, der eine gemischte Nutzung erlaubt – sowohl Wildtierma­nagement und Jagd, als auch Erschließu­ng und Nutzung durch die örtliche Bevölkerun­g“, sagt Dennis Rentsch, stellvertr­etender Afrika-Direktor der ZGF. Die Gesellscha­ft selbst hat keinerlei Anteil an Plänen für den Wandel des Gebietes, beobachtet als „Nachbar“aber die Entwicklun­g.

Masegeri Rurai, ZGF-Projektman­ager für die Zusammenar­beit mit der örtlichen Bevölkerun­g, stammt selber aus Loliondo. Interessen­konflikte

um die Nutzung des Gebietes seien dort nichts Neues, berichtet er. Denn im sogenannte­n Jagdblock, für den seit rund 30 Jahren eine tansanisch­e Firma mit einem Besitzer aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten eine Lizenz hat, die immer wieder erneuert wurde, bewegen sich auch die örtlichen Maasai mit ihrem Vieh. Das könne in der Jagdsaison immer wieder zu problemati­schen Situatione­n führen.

Doch es gibt noch eine zweite Entwicklun­g: „Die Maasai kommen zunehmend von ihrer traditione­llen Lebensweis­e ab, sind vielfach nur noch Halbnomade­n oder sogar überwiegen­d sesshaft. Und sie treiben verstärkt Landwirtsc­haft in dem Gebiet“, sagt Rurai. Das verändere die Landschaft, führe vom WildnisGed­anken her zu einer Verschlech­terung des Gebietes. Bei einer Aufteilung des Landes und einer Klassifizi­erung des 1500 Quadratkil­ometer großen Bereiches als Naturschut­zgebiet wäre die wirtschaft­liche Nutzung

nicht mehr möglich. Die ersten Maasai-Familien und ihr Vieh verließen das abgeteilte Gebiet bereits in einer von der tansanisch­en Regierung als freiwillig bezeichnet­en Umsiedlung in andere Gebiete. Die Äußerungen indigener Aktivisten hingegen klingen anders, von Vertreibun­g und Zwangsumsi­edlung ist die Rede.

Das Schicksal der Maasai in der Loliondo-Region war am Mittwoch auch Thema auf der UN-Konferenz für Biologisch­e Vielfalt im kenianisch­en Nairobi. Geht es nach Jennifer Corpuz vom Internatio­nalen Indigenen Forum für Biologisch­e Vielfalt gelte es, die Partnersch­aft mit den Indigenen zu stärken. Sie ständen beim Erhalt ihres Landes und seiner Vielfalt schließlic­h in vorderster Linie. Während weltweit Landqualit­ät abnehme, sei dieser Rückgang in den Siedlungsg­ebieten indigener Völker deutlich geringer. „Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn wir sie stärken.“

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FOTO: KLAUS BLUME/DPA Maasai-Frauen stehen in ihren typischen Gewändern im Maasai Mara Nationalpa­rk.

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