Gränzbote

Taliban bitten Westen um Hilfe

Dramatisch­e Lage in Kliniken im Erdbebenge­biet in Afghanista­n

- Vvon Emmanuel Peuchot und Abdullah Hasrat

KABUL/ISLAMABAD (dpa/sz) - Nach dem verheerend­en Erdbeben in der afghanisch-pakistanis­chen Grenzregio­n haben die in Kabul regierende­n Taliban um Hilfe aus dem Ausland gebeten. Afghanista­ns Regierungs­chef Mullah Mohammed Hassan Achund rief „die internatio­nale Gemeinscha­ft und alle humanitäre­n Organisati­onen auf, dem von dieser großen Tragödie betroffene­n afghanisch­en Volk zu helfen“. Unterdesse­n behindert Regen die Rettungsar­beiten. Mindestens 1000 Tote und 1500 Verletzte beklagen die Behörden. Die Krankenhäu­ser in der Region sind massiv überlastet.

SCHARAN (AFP) - „Jetzt bin ich allein, ich habe niemanden mehr“, schluchzt Bibi Hawa. Die 55-Jährige sitzt auf ihrem Krankenhau­sbett im ostafghani­schen Scharan, ihr Gesicht ist vom Weinen verzerrt. Mindestens ein Dutzend ihrer Verwandten sind bei dem verheerend­en Erdbeben am Mittwoch ums Leben gekommen. „Wo soll ich hingehen? Mein Herz ist schwach“, klagt Hawa immer wieder. Sie kommt aus Gajan, einem der am stärksten betroffene­n Bezirke. Eine Krankensch­wester versucht die Frau zu beruhigen und streichelt ihr sanft mit der Hand über die Stirn.

Ein Dutzend Frauen liegen in dem Saal. Die meisten schlafen vergraben unter Decken, manche hängen am Tropf. Schahmira hingegen ist wach, in ihrem Schoß liegt ihr Enkel. Sie ist unverletzt, der Einjährige hat einen Kopfverban­d. „Wir schliefen gerade, als wir einen lauten Krach hörten. Ich schrie und dachte, meine Familie sei unter den Trümmern begraben und ich sei die einzige Überlebend­e“, erzählt Schahmira.

Doch auch ihr Sohn und die Schwiegert­ochter sind am Leben und werden im selben Krankenhau­s behandelt. „Wir glaubten, der Junge sei tot. Wir haben sein Gesicht mit Wasser bespritzt. Und da fing er an zu atmen“sagt die Großmutter.

Das Beben der Stärke 5,9 traf den zerklüftet­en und verarmten Osten Afghanista­ns. Mindestens 1000 Menschen starben, über 2000 Häuser wurden nach einer ersten Schätzung der Vereinten Nationen zerstört.

Auf der Männerstat­ion des Krankenhau­ses in Scharan hält ein Vater seinen Sohn auf dem Schoß. Das Kind trägt eine senffarben­e Hose mit kleinen schwarzen Herzen, die linke Wade ist eingegipst. Ein anderer Junge hat einen Gips am linken Arm, das khakifarbe­ne Hemd ist noch staubig. Auf der Stirn klebt ein weißes Pflaster, „Notfall“steht darauf mit schwarzem Filzstift geschriebe­n. Die

Augen des Kindes sind vor Müdigkeit und vom Weinen gerötet.

Der 22-jährige Arup Chan begleitet seine verletzte Cousine in die Klinik. Zwei Mitglieder seiner Familie sind tot. „Als ich aufwachte, war ich voller Staub. Leute kamen und zogen uns heraus. Es war schrecklic­h: Überall Schreie, die Kinder und meine ganze Familie waren unter dem Schlamm begraben“, sagt er. Auch der Leiter des Krankenhau­ses ist schockiert. „Es ist so traurig“, sagt Mohammed Jahja Wiar. Er wurde um drei Uhr am Mittwochmo­rgen alarmiert und schickte sofort Teams in das schwer zugänglich­e Erdbebenge­biet. Als die Verletzten gegen 9 Uhr eintrafen, „weinten sie, und wir haben auch geweint“, sagt der Klinikchef. Die am schwersten Verletzten wurden in die Krankenhäu­ser der Städte Gardes und Ghasni gebracht, wo es Operations­säle gibt. „Unser Land ist arm, es fehlt an Ressourcen. Das ist eine humanitäre Krise. Es ist wie ein Tsunami. Man kann das gar nicht beschreibe­n, aber es ist wirklich eine schwierige Situation“, sagt der Arzt. Die Einheimisc­hen versuchen zu helfen. Vor dem Krankenhau­s warten etwa hundert Männer. „Sie sind zum Blutspende­n gekommen“, erklärt ein Taliban. „Etwa 300 haben seit heute Morgen schon gespendet.“

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FOTOS (2): AHMAD SAHEL ARMAN/AFP Zahlreiche Häuser sind nach dem Erdbeben im Grenzgebie­t von Afghanista­n und Pakistan zerstört, Tausende von Menschen obdachlos.
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Ein verletztes afghanisch­es Kind wird in einem Krankenhau­s der Stadt Scharan behandelt.

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