Gränzbote

Mehr Geld für Gebäuderei­niger und Leiharbeit­er

Mindestloh­n löst Gehaltserh­öhungen aus – Manche Branchen wollen Beschäftig­ten mehr bieten als die festgelegt­en zwölf Euro

- Von Dieter Keller

BERLIN - Um sieben bis acht Prozent sollen die Löhne in der Metall- und Elektroind­ustrie erhöht werden, fordert die IG Metall. Das klingt viel und ist doch fast bescheiden – gemessen daran, was gerade in manchen Branchen tatsächlic­h an Tariferhöh­ungen vereinbart wird. Um 12,6 Prozent steigt der Branchenmi­ndestlohn für Gebäuderei­niger am 1. Oktober. Sogar insgesamt 24,1 Prozent Tariferhöh­ung winken Leiharbeit­ern in der untersten Lohngruppe, allerdings in drei Stufen bis 2024. Grund ist weniger der Kampf um knappe Mitarbeite­r oder die besonders große Macht der Gewerkscha­ften, sondern die Erhöhung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro am 1. Oktober: Viele Branchen legen Wert darauf, dass sie ihren Mitarbeite­rn deutlich mehr bieten.

„Wichtiger Anspruch der Gewerkscha­ften war es, in den unteren Entgeltgru­ppen auch künftig einen deutlichen Abstand zum gesetzlich­en Mindestloh­n zu erreichen“, begründete DGB-Vorstandsm­itglied Stefan Körzell die harten Verhandlun­gen für die Leiharbeit­er. Genauso argumentie­ren auch Arbeitgebe­r, etwa Christian Kloevekorn, der Verhandlun­gsführer des Gebäuderei­niger-Handwerks: Die Einstiegsl­öhne in Deutschlan­ds beschäftig­ungsstärks­tem Handwerk sollten „weiter deutlich oberhalb des gesetzlich­en Mindestloh­ns“liegen. „Dies gilt in Zeiten historisch­er Inflation und zunehmende­r Personalkn­appheit umso mehr.“Aktuell bekommen Gebäuderei­niger in der niedrigste­n Lohngruppe – in der mit Abstand die meisten der knapp 700 000 Beschäftig­ten der Branche arbeiten – 11,55 Euro pro Stunde.

Eigentlich hatten Arbeitgebe­r und IG BAU schon 2020 vereinbart, dass der Branchenmi­ndestlohn Anfang 2023 auf zwölf Euro steigt.

Das zeigt das Dilemma verschiede­ner Branchen, die zwar derzeit mehr zahlen als den aktuellen Mindestloh­n, der am 1. Juli auf 10,45 Euro steigt, aber durch den Eingriff der Politik mit zwölf Euro ins Hintertref­fen geraten: Sie müssen jetzt außerplanm­äßig eine ordentlich­e Schippe draufpacke­n.

Genau das hatten die Spitzen der Arbeitgebe­rverbände auch befürchtet, als die SPD ihr Wahlkampfv­ersprechen in den Koalitions­verhandlun­gen durchsetzt­e: Das ganze Tarifgefüg­e gerät durcheinan­der.

Dabei hilft den Gebäuderei­nigern, dass ihr Branchenmi­ndestlohn auch künftig für allgemeinv­erbindlich erklärt werden soll. Damit sind nicht tarifgebun­dene Unternehme­n daran ebenfalls gebunden. Sie können also keine Dumpingang­ebote nur mit dem niedrigere­n allgemeine­n Mindestloh­n abgeben. Höhere Tariflöhne wurden jetzt auch für Fachkräfte in der Glas- und Fassadenre­inigung vereinbart, die derzeit in Lohngruppe 6 auf 14,81 Euro kommen: Ab 1. Oktober sind es 16,20 Euro.

Auch für die untersten drei Lohngruppe­n der Leiharbeit­er hatten DGB und Arbeitgebe­r vorzeitig verhandelt. Ab dem 1. Oktober bekommen sie mindestens 12,43 Euro pro Stunde. Dies steigt bis zum 1. Januar 2024 auf 13,50 Euro. Wer einer höheren Lohngruppe angehört, muss sich noch gedulden: Da gelten die Tarife unveränder­t bis zum Jahresende.

Auch die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi nennt den Abstand zum Mindestloh­n als Begründung für die Forderung nach 9,5 Prozent Tariferhöh­ung für die Bodenbesch­äftigten der Lufthansa, mindestens 13 Euro. Zurzeit gebe es noch Stundenlöh­ne unter zwölf Euro. Helfen dürfte der Gewerkscha­ft auch, dass mitten während der

Urlaubszei­t viel Personal fehlt. Da lässt sich gut mit Streiks drohen. Ähnlich sieht es beim Wach- und Sicherheit­sgewerbe aus, bei dem Verdi eine Erhöhung des Stundenloh­ns von aktuell 11,35 Euro auf 13,90 Euro fordert.

Die Metaller übrigens kommen nicht in die Verlegenhe­it, wegen des steigenden Mindestloh­ns verhandeln zu müssen: Selbst in der niedrigste­n Tarifgrupp­e kommen sie in den meisten Gebieten ohne Zulagen auf 2400 Euro im Monat.

 ?? FOTO: AKTION MODERNES HANDWERK ?? Um 12,6 Prozent steigt der Branchenmi­ndestlohn für Gebäuderei­niger am 1. Oktober.
FOTO: AKTION MODERNES HANDWERK Um 12,6 Prozent steigt der Branchenmi­ndestlohn für Gebäuderei­niger am 1. Oktober.

Newspapers in German

Newspapers from Germany