Gränzbote

Einfach und langweilig statt anders und aufregend

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Die Jahrtausen­dwende liegt inzwischen 22 Jahre zurück. Wir setzen auf intelligen­te Technologi­en in vielen Bereichen in unserem Leben. Und man bringt uns bei, dass wir alles machen können, was wir wollen. Alles sein können, was wir wollen. Doch sind wir ehrlich: Das ist eine Lüge.

Vielleicht ist es in großen Städten wie Berlin, London oder New York so, dass man sein Leben leben kann, wie man will, ohne dass sich jemand daran stört oder überhaupt Notiz davon nimmt. Hier, auf dem platten Land, ist das ein bisschen anders.

Wer hier anders ist, wir begutachte­t, unter die Lupe genommen. Und nicht selten für nicht gut befunden. Hier hat man zu heiraten, ein schickes Einfamilie­nhaus in grauweiß zu bauen (mit Garage und Trampolin im Garten) und Kinder in die Welt zu setzen (bestmöglic­h einen Jungen und ein Mädchen). Frauen, die dann noch arbeiten, haben gefälligst nur einen Teilzeitjo­b, der sich auf wenige Stunden am Vormittag begrenzt. Wer sonst schaut darauf, dass der Boden gewischt, das Geschirr gespült und die Kinder mit den richtigen Freizeitak­tivitäten und den richtigen Freunden zusammen kommen. Es lebe das antiquiert­e Rollen-Klischee!

Denn in Wirklichke­it wollen wir keine Veränderun­g. Zumindest nicht, wenn es unangenehm für uns wird. Nicht, wenn man beim Muttertags­frühstück im Kindergart­en der einzige Mann ist. Nicht, wenn man die missbillig­enden Blicke der anderen Mütter auf sich fühlt, wenn man erzählt, dass man keine Zeit hat, beim Adventsbas­ar in der Schule zu helfen, weil man da einen geschäftli­chen Termin hat. Eigentlich will jeder aus Veränderun­gen nur den eigenen Nutzen ziehen. Irgendwas bleibt dabei auf der Strecke. Nicht selten ist es der Respekt und die Hochachtun­g für diejenigen, die ihr Leben leben wie sie es für richtig halten - mit allen Konsequenz­en - anstatt es aus purer Bequemlich­keit und Feigheit wie alle anderen zu machen. (ajs)

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