Scholz fordert EU-Reform
Kanzler reagiert auf Kandidatenstatus für die Ukraine
BRÜSSEL (AFP) - Olaf Scholz (SPD) hat angesichts der neuen EU-Kandidaten Ukraine und Moldau zu Reformen der EU-Institutionen aufgerufen. „Solche Entscheidungen betreffen uns auch immer selber: Die EU muss sich erweiterungsfähig machen“, sagte der Bundeskanzler am Freitag zum Abschluss des Gipfels in Brüssel. Die ohnehin anstehenden Reformen seien durch die neuen Kandidaten noch dringender geworden. Dabei gehe es etwa um die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen und die Größe der Kommission.
„Es kann nicht sein, dass die QuasiRegierung immer größer wird, wenn die Zahl der Mitglieder größer wird“, sagte Scholz. Derzeit gibt es so viele Mitglieder in der EU-Kommission wie EU-Staaten.
Scholz bekräftigte, dass auch die sechs Länder des Westbalkans „die gerechte Belohnung für ihre Mühen“verdient hätten. „Die liegen mir besonders am Herzen“, sagte Scholz am Freitag mit Blick auf Serbien, das Kosovo, Nordmazedonien, Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina.
BERLIN - Die Themen sind gewichtig, das Ambiente luxuriös: Olaf Scholz will bei dem G7-Treffen in Elmau, das am Sonntag beginnt, „Leadership“beweisen – und kann vielleicht ein persönliches Trauma überwinden.
Die Teilnehmer
G7 steht für die Gruppe der sieben führenden Industrienationen. Dazu gehören neben Deutschland die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien. Außerdem ist die EU dabei. Weil diese Runde aber längst nicht mehr die tatsächlichen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse der Welt abbildet, spricht die Bundesregierung inzwischen vom „Forum der führenden Industrienationen und Demokratien“. Tatsächlich definieren sich die G7 – nachdem sie das zwischenzeitlich in die G8 aufgenommene Russland wegen der Krim-Annexion 2014 wieder ausgeschlossen hatten – als Wertegemeinschaft.
Die G7 sind ein informeller Zusammenschluss, die organisatorische Arbeit liegt in den Händen der jährlich rotierenden Präsidentschaft. Die Gipfelbeschlüsse sind rechtlich nicht bindend, sondern können nur politisch Wirkung entfalten.
Der Tagungsort
Zum zweiten Mal findet der Gipfel auf Schloss Elmau vor der Kulisse des Wettersteingebirges in Bayern statt. Zunächst war auch ein Luxushotel an der schleswig-holsteinischen Ostsee im Rennen gewesen, was womöglich dem norddeutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich näher gelegen hätte, aber dieser Plan zerschlug sich. Für Elmau spricht vor allem, dass sich das Gelände auf rund 1000 Metern Höhe mit einer einzigen Zufahrt hervorragend abriegeln lässt – und dass die Gipfelteilnehmer 2015 entzückt waren vom bayerischen BilderbuchAmbiente.
Das Schloss wurde vor rund hundert Jahren ausdrücklich als „Freiraum des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens“errichtet. Schlossgründer Johannes Müller war ein erklärter Kapitalismuskritiker, der sich allerdings zum Entsetrecht zen seiner jüdischen Freunde den Ideen Adolf Hitlers anschloss.
Der Gastgeber:
Nach einem halben Jahr im Amt sind die drei Gipfeltage für Scholz die Gelegenheit, seine „Leadership“– wie er es nennt – für alle Welt sichtbar auszuüben; seine Führung. Innenpolitisch ist ihm das bislang nicht so
gelungen. Der CDU-Außenexperte Johann Wadephul erwartet von Scholz nun nichts weniger, als die „freie Welt auf einen klaren Kurs zu bringen“.
Über Erfolg oder Misserfolg werden nicht nur die Beschlüsse, sondern auch die Bilder entscheiden. Da hat – und das ist der Fluch der ElmauWiederholung – die damalige Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) den Standard gesetzt: legendär ihr Weißwurst-Date mit Barack Obama oder ihre ausgebreiteten Arme im Gespräch mit dem früheren US-Präsidenten.
Begleitet wird der Kanzler, auch das ist eine Premiere, von seiner Frau, der brandenburgischen Bildungsministerin Britta Ernst.
Für Bundeskanzler Scholz gilt es zudem, bei dem Gipfel in Oberbayern eine Art persönliches Trauma zu überwinden: Ausgerechnet in seinem geliebten Hamburg war der dortige G20-Gipfel vor fünf Jahren ins Desaster abgeglittenen, wofür sich Scholz als Bürgermeister später bei den Bürgern entschuldigen musste.
Die Proteste
2015 in Elmau dagegen von Randale keine Spur. In einer Polizei-Auswertung hieß es damals, insbesondere die linksautonome Szene sei „als urbane Bewegung den geografischen und klimatischen Bedingungen des ländlichen Raums nicht gewachsen“gewesen. Diesmal brannten zwar schon im Vorfeld in München mehrere Polizeiautos. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann fürchtet dennoch „keine extremen Eskalationen“. Die Protest-Plattform „Stop G7 Elmau“distanzierte sich ausdrücklich von der Tat.
Anliegen der Protestgruppen sowie zahlreicher Nicht-Regierungsorganisationen, die ebenfalls vor Ort sein werden, sind vor allem mehr Einsatz gegen Hunger und Armut weltweit, ein verschärfter Klimaschutz sowie ein Ende des Kriegs in der Ukraine.
Die Themen
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird wohl auch die Diskussionen der G7-Staats- und Regierungschefs im Schloss dominieren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird dabei per Video zugeschaltet. Die USA kündigten „eine Reihe konkreter Vorschläge“an, „um den Druck auf Russland zu erhöhen“. Scholz wiederum forderte im Bundestag eine Art „MarshallPlan“für den Wiederaufbau der Ukraine.
Der Krieg hat das ursprüngliche Gipfel-Hauptthema Klimaschutz bereits ein wenig verdrängt. Scholz hat dazu wiederum die Idee eines Klimaclubs entwickelt. „Die Staaten, die sich gemeinsam auf den Weg machen für mehr Klimaschutz, sollten untereinander so zusammenarbeiten können, wie wir es uns für die ganze Welt vorstellen“, sagt er. Auch zu diesem Zweck will er die G7 global besser vernetzen und hat daher Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien als Gastländer eingeladen.
Im Kampf gegen den Klimawandel, aber auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie die vom Ukraine-Krieg verschärfte Hungerkrise müssten nicht nur die Demokratien des „klassischen Westens“, sondern alle Demokratien zusammenstehen, so das Ziel von Scholz.