Gränzbote

Das Gewissen der Royals

Erst Flüchtling­e, nun Sklaverei – Prinz Charles findet in Ruanda erneut klare Worte

- Von Benedikt von Imhoff

KIGALI (dpa) - Bedauern von historisch­em Unrecht, Verständni­s für politische Veränderun­gen – und scharfe Regierungs­kritik im Privaten: Prinz Charles zeigt sich immer mehr als Gewissen der Krone. „Ich finde keine Worte für das Ausmaß meiner persönlich­en Trauer über das Leid so vieler Menschen“, sagte der britische Thronfolge­r am Freitag im ostafrikan­ischen Ruanda über Sklaverei im britischen Empire. Nicht nur die anwesenden Staats- und Regierungs­chefs des Staatenbun­ds Commonweal­th, auch seine eigene Familie nahm der 73-Jährige in die Pflicht: „Auch wir müssen neue Wege finden, unsere Vergangenh­eit anzuerkenn­en.“

Zwar vermied der älteste Sohn von Queen Elizabeth II. eine Entschuldi­gung, auch um keine Tür für Schadenser­satzforder­ungen zu öffnen. Doch scheint es Charles angeraten, in die Offensive zu gehen. Das gilt auch für Bestrebung­en einiger Commonweal­th-Mitglieder, sich von der Krone zu lösen und, wie zuletzt bereits Barbados, zu Republiken zu erklären.

Vor allem in der Karibik werden solche Stimmen immer lauter, wie auch Charles' Sohn Prinz William jüngst bei einem Besuch in der Region erfuhr. Die Entscheidu­ng über die Staatsform liege alleine bei den einzelnen Staaten, betonte Charles, der eines Tages Oberhaupt des Commonweal­th sein wird, in Kigali.

Dort traf sich der Queen-Nachfolger auch mit dem britischen Premiermin­ister Boris Johnson. Die Begegnung galt als heikel. Der Prinz, so hatte die Zeitung „Times“berichtet, habe in einem privaten Gespräch Johnsons Entschluss kritisiert, illegal eingereist­e Migranten gleich welcher Nationalit­ät ohne Prüfung ihres

Asylantrag­s nach Ruanda abzuschieb­en. Charles nannte das Vorhaben demnach „entsetzlic­h“und zeigte sich „mehr als enttäuscht“. Der Wirbel war groß: Denn grundsätzl­ich gilt die Annahme, dass Mitglieder des Königshaus­es sich nicht zu politische­n Themen zu äußern haben.

Charles werde seiner Rolle als „outspoken Royal“, also als unverblümt­es Familienmi­tglied, einmal mehr gerecht, kommentier­te die „Times“. Bereits seit Jahrzehnte­n nimmt der Prince of Wales, wie sein offizielle­r Titel lautet, kein Blatt vor den

Mund, wenn es um Themen gibt, die ihn persönlich interessie­ren. Ob Umwelt, Tierschutz oder Landwirtsc­haft: Im Vereinigte­n Königreich ist bekannt, dass Charles sich hierzu auch mal kritisch äußert und entspreche­nd bei Regierungs­mitglieder­n vorstellig wird. Aber in aller Regel bleibt alles hinter den Kulissen.

Selbst Gesten werden genau darauf abgeklopft, ob Royals damit eine Aussage verbinden könnten. War es Kritik an der britischen Flüchtling­spolitik, dass die beliebte Kinderbuch­figur Paddington Bär, der laut seiner Geschichte ein Flüchtling aus Peru ist, gemeinsam mit der Queen in einem Film zu deren Thronjubil­äum Tee trank? Dass Charles das Regierungs­programm der konservati­ven Regierung eher lustlos herunterra­tterte, galt einigen ebenfalls als Zeichen von Unmut.

Gespannt wartet das Königreich bereits darauf, ob ein König Charles III. versuchen würde, die Regeln des Sagbaren für einen Monarchen zu verschiebe­n, wie es sein Freund und Biograf Jonathan Dimbleby vor einigen Jahren andeutete. Ein solcher Schritt, so Dimbleby damals, würde eine „seismische Verschiebu­ng in der Rolle des Souveräns“bedeuten. Charles selbst hatte sich später deutlich zurückhalt­ender geäußert und seine parteipoli­tische Neutralitä­t als König betont.

Die Kritik an den britischen Flüchtling­splänen, die Charles' Residenz Clarence House nicht dementiert­e, könnte nun in eine andere Richtung deuten. „Bereitet Euch vor auf König Charles, den Monarchen, der seine Meinung äußert“, kommentier­te der Kolumnist Simon Jenkins in der Zeitung „Guardian“. „Er wird sich nicht ändern.“

Zuletzt versuchte Charles, sich ein moderneres Image zu geben. Gemeinsam mit Ehefrau Herzogin Camilla trat er in der beliebten Vorabendse­rie „EastEnders“auf, im Ballsaal des Buckingham-Palasts soll eine Sendung der Tanzshow „Strictly Come Dancing“aufgenomme­n werden – vielleicht sogar mit Charles und Camilla als Tänzern.

Verfassung­sexperten bleiben indes gelassen: Charles sei nicht der erste Thronfolge­r, der sich über Konvention­en hinwegsetz­e. Spätestens als König sei er in einem Geflecht aus Riten, Traditione­n und ungeschrie­benen Gesetzen eingehegt.

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FOTO: CHRIS JACKSON/DPA Zu Besuch in der Völkermord-Gedenkstät­te in Ruandas Hauptstadt Kigali: Prinz Charles mit Rachel Murekatete, der dortigen Leiterin.

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