Gränzbote

Beim Photovolta­ik-Ausbau kein Vorbild

Baden-Württember­g versäumt bei landeseige­nen Dächern die Energiewen­de

- Von Verena Pauer

STUTTGART - Klimaneutr­al bis 2040: So ist der Plan des Landes Baden-Württember­g. Damit das funktionie­ren kann, setzt die Landesregi­erung unter anderem auf den Bau von Photovolta­ik-Anlagen (PV-Anlagen) und nimmt seit diesem Jahr auch Besitzer von Firmen- und Privathäus­ern vermehrt in die Pflicht. Für die eigene Verwaltung verfolgt die Landesregi­erung noch ehrgeizige­re Ziele: Sie soll bereits ab 2030 klimaneutr­al arbeiten. Dazu sollen alle geeigneten Dächer von Gebäuden im Landesbesi­tz mit PV-Anlagen ausgestatt­et werden. Doch es gibt Versäumnis­se, sagt der Landesrech­nungshof. Das Land will nun nachsteuer­n.

Bereits im Juli vergangene­n Jahres hatte der Landesrech­nungshof in Karlsruhe nachgezähl­t: 26 neuere Gebäude in Landeshand würden sich für die Nutzung von Solarenerg­ie eignen, doch das Land habe dort keine Anlagen errichtet. Fast drei Millionen Kilowattst­unden Strom hätte es dadurch gewinnen können – der Jahresverb­rauch von mehr als 900 Privathaus­halten. 1000 Tonnen CO2 hätten eingespart werden können.

Mängel wirft die Behörde der Landesverw­altung auch bei der Planung vor. Bei einzelnen Gebäuden sei zwar geprüft worden, ob sich das jeweilige Dach für eine PV-Anlage eigne. Doch danach sei nichts mehr passiert. In anderen Fällen sei für Neubauten zwar eine Anlage eingeplant worden. Doch bis zum Bau dieser auf das längst fertiggest­ellte Dach seien mehrere Jahre vergangen, was zu zusätzlich­en Kosten geführt habe.

Die Landesregi­erung komme ihrer „gesetzlich verankerte­n Vorbildfun­ktion“nicht nach, kritisiert der Rechnungsh­of. Und das, obwohl sie die Regelung für Photovolta­ik zuletzt angezogen hat. Seit Mai müssen alle, die einen Bauantrag für ein Wohnhaus stellen, eine PV-Anlage auf ihr Dach bauen. Für alle anderen neuen Gebäude und Parkplätze ab 35 Stellplätz­en gilt diese Regelung schon seit Januar. Im kommenden Jahr möchte die Landesregi­erung dann auch alle Hausbesitz­er in die Pflicht nehmen, die ihr altes Dach grundlegen­d sanieren wollen.

Bis Ende nächsten Jahres würden die 26 bemängelte­n Gebäude mit Photovolta­ikanlagen nachgerüst­et, heißt es aus dem Landesfina­nzminister­ium

– „soweit keine baurechtli­chen, denkmalsch­utzrechtli­chen oder andere zwingende Gründe entgegenst­ehen.“Das Ministeriu­m unter Führung von Danyal Bayaz (Grüne) hatte sich zum Ziel gesetzt, spätestens 2030 alle geeigneten Dächer im Landesbesi­tz mit PV-Anlagen auszustatt­en. Doch davon ist sie noch ein Stück entfernt.

Gerade einmal 170 Gebäudedäc­her des Landes sind mit Photovolta­ik-Panelen bestückt, zwei Prozent der landeseige­nen Dächer. Doch von seinen 8000 Gebäuden würden insgesamt nur 200 für einen Ausbau infrage kommen, so das Ministeriu­m. Das Land hat jedoch erst ein Viertel seiner Liegenscha­ften auf die Eignung untersucht. Das Ministeriu­m geht davon aus, dass insgesamt 600 000 Quadratmet­er Solarmodul­e installier­t werden könnten. Bisher beträgt die Fläche 124 000 Quadratmet­er, eine Leistung von etwa 17 Millionen Kilowattst­unden. Damit habe Baden-Württember­g bereits ein Fünftel seiner Ausbaufläc­hen ausgeschöp­ft, sagt Ministeriu­mssprecher Sebastian Engelmann.

Trotzdem müsse das Land beim Ausbau an Tempo zulegen, räumt er ein. Die Behörde überarbeit­e momentan ihr Energie- und Klimaschut­zkonzept. „Darin werden wir auch unter anderem unsere PV-Ausbauziel­e verschärfe­n“, sagt Engelmann. In drei bis vier Wochen sollen diese feststehen.

Den Ausbau erschwert, dass ein Viertel der landeseige­nen Gebäude unter Denkmalsch­utz stehen, das Installier­en einer Photovolta­ik-Anlage entweder gar nicht oder nur mit besonderen Genehmigun­gen möglich ist. Für den Denkmalsch­utz in Baden-Württember­g ist das Bauministe­rium zuständig. Das habe erst im Mai in einer Leitlinie festgelegt, dass auf Kulturdenk­malen die Genehmigun­g für Solaranlag­en regelmäßig zu erteilen sei, sagt Engelmann: „Wir würden auch weitere gesetzlich­e Änderungen ausdrückli­ch begrüßen, die dazu beitragen, dass auch auf denkmalges­chützten Gebäuden einfacher PV installier­t werden kann.“

Auch in Bayern ist der Ausbau von Solar-Panelen auf landeseige­nen Dächern mit erst vier Prozent nicht weit fortgeschr­itten. Fast 11 000 Gebäude besitzt der Freistaat. Nur 1300 sind nach Angaben des Bauministe­riums für Solarstrom geeignet. In Bezug auf den Denkmalsch­utz soll sich hier zumindest für Privatpers­onen einiges ändern. Die Regierung in München plant, Hauseigent­ümer finanziell zu unterstütz­en, sollten sie ihre PV-Anlagen zum Beispiel durch Farbe oder Materialie­n an das Gebäude anpassen. Die Grünen im bayerische­n Landtag wollen außerdem eine Änderung des Denkmalsch­utzgesetze­s einbringen. Dort komme das Wort Photovolta­ik bisher nicht vor, so ihre Kritik.

In Baden-Württember­g sei man noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem man sein wolle, sagt indes Ministeriu­mssprecher Engelmann. Bis 2030 müsse noch viel getan werden. Dazu müssten neben Finanzmini­sterium und Denkmalsch­utzbehörde­n auch andere Beteiligte mitziehen – wie zum Beispiel die Universitä­ten. Das Land stelle die Gebäude zur Verfügung. Wenn dann aber der Bau einer PVAnlage verweigert werde, weil eine Vogelbeoba­chtungssta­tion auf dem Dach errichtet werden solle, oder der Architekt sich dagegen sperre, sei das nicht zielführen­d.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Baden-Württember­g und die Sonnenener­gie: Auf landeseige­nen Dächern, wie hier auf dem Gebäude der Hochschule Reutlingen, sind Photovolta­ik-Anlagen selten zu finden.

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