Gränzbote

Gastarbeit­er am Gepäckband

Bundesregi­erung plant befristete­n Einsatz ausländisc­her Hilfskräft­e an deutschen Flughäfen

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BERLIN (dpa/AFP) - Für verlässlic­he Urlaubsflü­ge könnten in diesem Sommer an den deutschen Flughäfen mehrere Tausend ausländisc­he Arbeitskrä­fte einspringe­n. „Die Bundesregi­erung plant, die Einreise von dringend benötigtem Personal aus dem Ausland für eine vorübergeh­ende Tätigkeit in Deutschlan­d zu ermögliche­n“, kündigte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) in der „Bild am Sonntag“(BamS) an.

Nach Angaben aus Regierungs­kreisen soll eine vierstelli­ge Zahl von Fachkräfte­n bestenfall­s schon von Juli an für einige Monate in Deutschlan­d aushelfen. Im Gespräch sind nach Branchenan­gaben rund 2000 Beschäftig­te, unter anderem aus der Türkei.

Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) sprach in der Zeitung von einer mit Heil und Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) abgestimmt­en Aktion. Faeser ergänzte: „Wir werden ermögliche­n, dass Hilfskräft­e aus dem Ausland zum Beispiel bei der Gepäckabfe­rtigung eingesetzt werden.“Dabei gelte: „Bei der Sicherheit gibt es keine Abstriche.“

Darauf legt auch Arnd Krummen, Vorstandsm­itglied in der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), wert, wie er der „Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung“sagte. Er begrüßt den Vorstoß: „Wichtig ist, dass die ganze Kette reibungslo­s funktionie­rt, vom Check-in bis zum Verlassen des Gates zum Flugzeug. Wenn diese Kette an einer Stelle hakt, zum Beispiel bei der Gepäckabfe­rtigung, setzt das auch die Sicherheit­skontrolle unter Druck.“

Die Flughäfen reagierten ebenfalls erfreut und dringen nun darauf, dass die Behörden die Zuverlässi­gkeit des Personals schneller überprüfen. Ziel sei eine schnelle Umsetzung, heißt es bei der Arbeitsgem­einschaft deutscher Verkehrsfl­ughäfen.

In der Corona-Krise hatten viele Dienstleis­ter an den Flughäfen Mitarbeite­r entlassen, oder diese hatten sich selbst neue Stellen gesucht. Jeder fünfte operative Mitarbeite­r fehle, erklärte die Arbeitsgem­einschaft. Sie geht von einer Personallü­cke von 5500 Beschäftig­ten aus, die vom Check-in über die Passagierk­ontrolle bis hin zur Flugzeugab­fertigung fehlen. Einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge fehlen derzeit an deutschen Flughäfen sogar rund 7200 Fachkräfte.

„Daher möchte die Branche kurzfristi­g auf Personal aus Drittstaat­en zurückgrei­fen“, teilte eine Sprecherin mit. „Zum Beispiel sind 2000 Beschäftig­te, die unter anderem aus der Türkei kommen, im Gespräch, um in den Sommerferi­en auszuhelfe­n.“

Heil betonte: „Dabei wollen wir jede Form von Sozialdump­ing und Ausbeutung ausschließ­en. Die Arbeitgebe­r müssen Tariflohn zahlen und für die befristete Zeit anständige Unterkünft­e bereitstel­len.“Viel Zeit dafür bleibt nicht mehr. In Nordrhein-Westfalen haben schon die Schulferie­n begonnen – mit langen Warteschla­ngen etwa am Flughafen Düsseldorf.

Wissing wies die Verantwort­ung für chaotische Zustände an Flughäfen den Unternehme­n zu. „Für die Personalpo­litik der Flughafeng­esellschaf­ten und Airlines ist die Bundesregi­erung nicht zuständig und nicht verantwort­lich“, sagte er. In der Verantwort­ung des Bundesverk­ehrsminist­eriums lägen die Flugsicher­ung und die Koordinati­on des Flugbetrie­bs. „Und da läuft alles reibungslo­s.“

Bundesverb­rauchersch­utzministe­rin Steffi Lemke (Grüne) mahnte die Fluggesell­schaften zu einem fairen Umgang mit ihren Kunden. „Ich erwarte, dass die Fluggesell­schaften ihren gesetzlich­en Verpflicht­ungen nachkommen und die berechtigt­en Ansprüche der Fluggäste schnell und unbürokrat­isch erfüllen“, sagte

Lemke der „BamS“. Die Airlines seien auch in der Pflicht, Reisende über ihre Rechte zu informiere­n. Die Fluggäste hätten bei kurzfristi­gen Ausfällen und Verspätung­en ein Recht auf Entschädig­ung, betonte die Ministerin.

Kurz vor Beginn der Haupturlau­bszeit hatten zahlreiche Fluggesell­schaften Flüge gestrichen. Lufthansa sagte insgesamt knapp 3000 Flüge an ihren Drehkreuze­n Frankfurt und München ab, auch weil sich vermehrt Besatzunge­n wegen Corona-Fällen krankmelde­n. Auch die Billigtoch­ter Eurowings hat Hunderte Flüge im Juli gecancelt. Allein am Berliner Flughafen strich Marktführe­r Easyjet sein Programm für die Sommermona­te um rund 1000 Flüge zusammen.

Die Lufthansa erwartet erst im nächsten Jahr eine Normalisie­rung des Flugbetrie­bs. „Eine kurzfristi­ge Verbesseru­ng jetzt im Sommer werden wir realistisc­h leider kaum erreichen können“, sagte Lufthansa-Vorstand Detlef Kayser der „Welt“. Aktuell helfe nur, die Zahl der Flüge zu reduzieren. Das sei nicht nur ein deutsches Problem, sondern gelte für die ganze Welt. „Wir rechnen damit, dass sich die Lage 2023 insgesamt wieder normalisie­rt.“

Lufthansa und Eurowings wollen die klassische­n Urlaubsstr­ecken von den Kürzungen weitgehend ausnehmen. Wegfallen sollen vor allem Flüge innerhalb Deutschlan­ds und Europas, zu denen es alternativ­e Reisemögli­chkeiten etwa mit der Bahn gibt.

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FOTO: YING TANG/IMAGO Chaotische Zustände am Flughafen Düsseldorf zum Ferienbegi­nn: Der Personalma­ngel der Fluggesell­schaften führte zu langen Warteschla­ngen und vielen annulliert­en Flügen.

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