Gränzbote

Die „Königin der Messen“hält wieder Hof

Die Tefaf in Maastricht gilt als eine der exklusivst­en Kunstbörse­n der Welt

- Von Christoph Driessen

MAASTRICHT (dpa) - Heute kann es regnen, stürmen oder schneien, doch über der Tefaf in Maastricht scheint immer die Sonne. Altmeister strahlen mit Juwelen um die Wette, 7000 Jahre Kunstgesch­ichte lassen sich besichtige­n. Das ganze, gediegene Ambiente vermittelt die Botschaft: Da draußen kann passieren, was will — für die Superreich­en geht das Leben weiter wie bisher.

Nur für sie nämlich ist diese vielleicht exklusivst­e Kunstmesse der Welt gedacht. Woanders mag man sich volkstümli­ch geben und darauf hinweisen, dass es auch das eine oder andere Schnäppche­n zu ergattern gebe. In Maastricht ist das nicht so. Dort macht man den Erfolg der Messe auch nicht von der Besucherza­hl abhängig. Es geht nicht darum, dass möglichst viele kommen. Es geht darum, dass die Richtigen kommen. Die, für die Geld keine Rolle spielt.

Inflation interessie­rt hier höchstens insofern, als dass man sichere Anlageform­en sucht. Georg Laue aus München hat die „Fratzenkan­ne“im Angebot, eine filigran aus Elfenbein gearbeitet­e Skulptur, die 1608 am sagenumwob­enen Hof von Kaiser Rudolf II. in Prag entstand. Vergleichb­are Arbeiten finden sich sonst nur noch im Kunsthisto­rischen Museum in Wien. So was verliert nie an Wert. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Kollegen richtig ins Zeug gelegt und jetzt das Beste mitgebrach­t haben, das sie in den letzten zwei Jahren entdecken konnten“, sagt Laue. Für ihn ist die Tefaf „die Königin der Messen“.

In diesem Jahr findet sie allerdings zu einer ungewohnte­n Zeit statt, im Juni. Normalerwe­ise läutet sie Anfang März den Frühling ein. Doch jetzt sind es keine Tulpen, die die Besucher am Eingang begrüßen, sondern Sommerblum­en. Das kommt daher, dass die Messeleitu­ng im Januar noch davon ausging, dass die Inzidenzen im Juni deutlich niedriger liegen würden, so wie das letztes Jahr war. Aber wieder einmal hat sich gezeigt, dass

Corona nicht berechenba­r ist.

Maßnahmen gibt es gleichwohl keine mehr: Niemand trägt Maske, überall werden Hände geschüttel­t. Sogar der Seifenspen­der auf der Herrentoil­ette ist leer. Corona scheint abgeschaff­t. Die Messe selbst wirkt diesmal luftiger, sommerlich­er und stärker an den ästhetisch­en Gewohnheit­en der Jüngeren orientiert. Das ist kein Zufall: Die reinen Altmeister­sammler sind fast alle tot. Die jungen Reichen, die vielleicht von der Art Basel aus noch einen Abstecher nach Maastricht machen, kaufen möglicherw­eise auch mal einen Altmeister, aber eben nicht nur. Deshalb hat sich die Tefaf im Laufe der Jahre verändert, sie ist jetzt breiter aufgestell­t, bietet viel mehr zeitgenöss­ische Kunst, Schmuck und Antiquität­en.

Cross-collecting heißt das Stichwort, spartenübe­rgreifende­s Sammeln. „Das Allerschön­ste ist eigentlich, dass man nach Maastricht kommt und sich für ein gewisses Sammelgebi­et interessie­rt und mit drei anderen Entdeckung­en nach Hause kommt“, sagt der Juwelier Christian Hemmerle aus München, der schon zum 20. Mal mit dabei ist. „Was Maastricht wie keine andere Messe in der Welt schafft, ist, die Begeisteru­ng für ein anderes Themenfeld zu entfachen.“

Dieses Jahr sind 242 Aussteller dabei, normalerwe­ise sind es über 270. Zudem ist die Messe jetzt kürzer, sie umfasst nur noch ein Wochenende statt zwei und dauert noch bis einschließ­lich Donnerstag (plus einen Tag Vorbesicht­igung für geladene Gäste). Mehr war im Plan der Maastricht­er Messe nicht machbar. Durch die Verlegung findet sich die Tefaf jetzt im Umfeld der Biennale Venedig und der Documenta wieder, was wohl kein Nachteil sein

Hidde van Seggelen, Direktor der Kunstmesse muss. Nächstes Jahr soll sie aber wieder wie gewohnt im März öffnen.

Für einen Generation­swechsel steht auch Messechef Hidde van Seggelen. Er ist 49 Jahre alt und sieht noch deutlich jünger aus. Der Niederländ­er hat seine Galerie in Hamburg, weil er mit einer Deutschen verheirate­t ist. „Ich habe gerade die Nachricht bekommen, dass der Flughafen Maastricht fast voll ist“, erzählt er .„Das ist immer ein gutes Zeichen. Die Amerikaner kommen!“

Vorsichtig versucht van Seggelen auch, mehr Diversität in die Messe zu bringen. Es gibt dieses Jahr zum Beispiel mehr Aufmerksam­keit für Werke von Künstlerin­nen und Darstellun­gen von Frauen. Ein Beispiel dafür ist ein Gemälde der italienisc­hen Barockmale­rin Giovanna Garzoni. Das von ihr gemalte Jesuskind drängt sich ängstlich an die Mutter – der Betrachter erscheint hier wie ein Fremder, vor dem das Kind instinktiv zurückweic­ht. „Nur eine Frau kann das so malen“, so eine Mitarbeite­rin.

Einen Gang weiter wird ein überdimens­ionaler Koffer aufgeklapp­t, zum Vorschein kommen die „Pappeln bei Nuenen“von Vincent van Gogh. Dieses Stück ist unverkäufl­ich, es gehört dem Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam, doch soll es mit Unterstütz­ung der Tefaf restaurier­t werden. Etwas Großzügigk­eit kann nicht schaden. Man ist hier schließlic­h nicht unter armen Leuten.

„Der Flughafen ist fast voll. Das ist immer ein gutes Zeichen. Die Amerikaner kommen!“

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FOTOS: OLIVER BERG/DPA Eine bemalte Figur aus der Flämischen Schule (rechts) steht auf dem Stand der Weiss Gallery. Die Tefaf gilt als bedeutends­te Messe für alte Kunst und findet in Maastricht statt.
 ?? ?? Handgefert­igte Ohrringe des Juweliers Hemmerle.
Handgefert­igte Ohrringe des Juweliers Hemmerle.
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Hidde van Seggelen, Direktor der Kunstmesse Tefaf.

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