Gränzbote

Auch nach dem Richtfest ist in Aldingen noch viel zu tun

Verzögerun­gen und steigende Kosten bremsen den Neubau aus, doch am Ende steht ein einzigarti­ges Rathaus

- Von Grischa Beißner

ALDINGEN - Schon zweimal hat sich der Termin für das Richtfest des neuen Aldinger Rathauses verschoben. Erst kam nach der Sommerpaus­e 2021 eine Preisexplo­sion am Holzmarkt, berichtet Bürgermeis­ter Ralf Fahrländer. Das Resultat waren nicht hohe Preise, sondern auch lange Lieferzeit­en. Die Corona-Pandemie machte dann den zweiten Termin im Dezember 2021 unmöglich. Nun aber ist ein wichtiger Schritt getan. „Bei der Eröffnung sind dann vor allem die Anzugträge­r anwesend, da geraten diejenigen, die wirklich an dem Gebäude gearbeitet haben ins Hintertref­fen“, meint Fahrländer. „Hier aber feiern wir diejenigen, die wirklich bei Hitze und Regen an unserem Rathaus gearbeitet haben.“

Wann die Eröffnung sein wird, da konnte der Bürgermeis­ter sich noch nicht genau festlegen. Ursprüngli­ch war die Eröffnung im Oktober geplant, nun soll es nach dem Winter so weit sein. Nötig wurden die Verzögerun­gen durch die vielen Erschütter­ungen auf der Welt. Schon vor dem Ukrainekri­eg stiegen die Kosten, vor allem für Holz. „Würden wir heute so ein Haus bauen wollen, wäre das in der aktuellen Situation fast unmöglich“, ist er überzeugt. Zum Glück habe der Gemeindera­t fast alle Aufträge bereits vor Kriegsbegi­nn vergeben. „Das heißt natürlich nicht, dass wir ungeschore­n bei all den Preissteig­erungen davonkomme­n, aber ich bin froh, dass vieles rechtzeiti­g geschafft wurde.“Ursprüngli­ch seien für den Neubau 8,4 Millionen Euro veranschla­gt gewesen, aktuell sehe es nach 10 Millionen Euro aus, so Fahrländer. Daran seien aber nicht nur die Preissteig­erungen schuld, sondern auch der Umstand, dass im Verlauf von Planung und Bau auch Änderungen gemacht wurden.

Für das Gebäude selbst gab es keinen Zuschuss, dafür aber beim Abriss der alten Gebäude. Und auch die Kreisspark­asse, die in eines der beiden Gebäude ziehen wird, übernimmt einen Teil der Kosten. „Dennoch wird natürlich ein großer Teil bei der Gemeinde bleiben. Und es kann durchaus auch sein, dass die Baufirmen da noch einige Kosten, beispielsw­eise für das Holz, anpassen müssen.“

Der Bau aus Holz ist nicht nur optisch eine Besonderhe­it, er ist auch hochkomple­x. Denn die Teile müssen perfekt zueinander passen, sie werden fertig geschnitte­n geliefert. Raum für Fehler ist da kaum. „Das Gebäude ist so schon etwas besonderes, aber so ein Dach ist absolut selten“, sagt Festredner und Zimmerer Urs Haller, von der ausführend­en Firma Markus Haller. Für Dach und Außenverkl­eidung setzen die Erbauer auf die wetterbest­ändige, heimische Weißtanne, innen wird auch Fichtenhol­z verbaut. „Durch die gestiegene­n Holzpreise kam es zu Lieferengp­ässen, das hat vieles verzögert. Wir mussten teilweise einige der Bauteile lagern, weil andere noch nicht da waren. Zum Glück haben wir treue Lieferante­n, auf die wir uns am Ende verlassen konnten.“

Dem Bürgermeis­ter merkt man beim Richtfest die Begeisteru­ng an – und das nicht nur, weil er und seine Mitarbeite­r sich danach sehnen, im nächsten heißen Sommer nicht mehr in dem schlecht isolierten, überhitzte­n alten Rathaus zu sitzen: „Ich finde, unser neues Rathaus wird ganz wie unsere Gemeinde: Statt äußerlich zu protzen, setzen wir auf die inneren Werte, statt luxuriös sind wir lieber bescheiden und nachhaltig“, sagt Fahrländer. Auf der Südseite wird eine Solaranlag­e installier­t, im Keller eine dazu passende Batterie, die den Strom speichert. So soll sich das Gebäude sogar eine Zeit lang autark versorgen.

Für die einzigarti­ge Konstrukti­on mussten Experten von Tübingen bis ins österreich­ische Dornbirn ihr Know-how einbringen. Michael Keppler von dem Ingenieurs­büro Ebök aus Tübingen ist einer von ihnen. „Ein Holzhaus hat ganz besondere Herausford­erungen. Zwar hat das Holz selbst einen guten Dämmwert, aber dafür ist es schwer, luftdichte Anschlüsse zu legen. Und der Brandschut­z ist der absolute Killer, denn es gibt bisher noch keine genormten, zugelassen­en Brandschut­zlösungen für solche Gebäude in Deutschlan­d.“Viele der Installati­onen brauchten eine Sondergene­hmigung. Trotzdem so Keppler, war kein einziger Behördenga­ng für ihn nötig: „Die Zusammenar­beit mit Sachverstä­ndigen, Konstrukte­uren und Gemeinde hat perfekt funktionie­rt. Das war eines der kompetente­sten und nach vorne gerichtete­n Teams, die ich in meinem Berufslebe­n bisher erlebt habe.“

Was die Bürger am Ende zu dem Gebäude sagen werden, bleibt abzuwarten, meint auch Gemeindera­tsmitglied Daniel Aberle. „Man sieht natürlich erst wenn es fertig ist, ob es auch so geworden ist, wie man es sich vorgestell­t hat. Der Unterschie­d im Vergleich zum alten Rathaus ist aber schon jetzt sehr deutlich. Das neue Gebäude wird toll – und jetzt sieht man ja auch schon das schöne Holzdach.“Fahrländer ist derweil überzeugt: Für solche innovative­n Bauweisen, können nur Kommunen der Vorreiter sein. Erst dann würden sich auch Investoren und Privatleut­e an solche Projekte herantraue­n. Noch sind die Gebäude zwar von außen mit schwarzen Planen bedeckt, aber er ist sich dennoch schon sicher: „Das Gebäude wird sicher eine Zeitlang eine Pilgerstät­te für Holzbauleu­te und Zimmerer werden.“

 ?? FOTO: GRISCHA BEISSNER ?? Bürgermeis­ter Ralf Fahrländer beim Richtfest: Hier geht es vor allem darum, die Handwerker zu würdigen.
FOTO: GRISCHA BEISSNER Bürgermeis­ter Ralf Fahrländer beim Richtfest: Hier geht es vor allem darum, die Handwerker zu würdigen.

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