Kunterbunte, krause Büschel: Die Wildrose hat ein wundersames Anhängsel
Die seltsamen Gebilde sind kein Moos, sondern Pflanzengallen
SPAICHINGEN (jeng) - Beim Spaziergang in freier Natur lohnt es sich, unsere Wildrosen einmal genauer in Augenschein zu nehmen. Selbst wenn sie nicht mehr blühen, bieten sie mitunter einen prächtigen Anblick. Das liegt an den krausen Anhängseln, die an Blattfiedern, Knospen, Blüten oder jungen Hagebutten prangen und oft knallrot gefärbt sind. Sie sehen aus wie Moosbüschel oder Miniatur-Clownsperücken. In Wirklichkeit handelt es sich um Pflanzengallen. Verursacht werden diese wundersamen Gebilde von der Gemeinen Rosengallwespe (Diplolepis rosae). Das ist ein so genannter Hautflügler,
ein Insekt aus der Verwandtschaft der Bienen, Ameisen und klassischen Wespen.
Rosengallwespen kommen ohne Männchen aus. Nur etwa fünf Prozent der Population bestehen aus männlichen Vertretern. Die Weibchen brauchen sie nicht, um sich zu vermehren. Denn das geht auch ohne Befruchtung. In der Biologie spricht man dann von Jungfernzeugung (Parthenogenese). Das Weibchen pikst im Mai mit seinem Stachel eine Rosenknospe an und legt dort unbefruchtete Eier ab. Daraus schlüpfen weibliche Larven, die genetisch exakt identisch sind mit der Mutter.
Die Wespenlarven fressen von innen an der Pflanze herum, was diese zu verstärktem, atypischen Wachstum anregt. Es bilden sich die zotteligen Gallen. Sie sind im Innern verholzt und haben mehrere Kammern. Bis zu 60 Larven wachsen darin heran. Nach sechs bis acht Wochen hat die Rosengalle ihre endgültige Größe von rund fünf Zentimetern erreicht. Sie ist zunächst grün, färbt sich aber im Sonnenlicht schnell gelb und knallrot. Für die Larven bietet die Galle Schutz und Nahrung zugleich. Sie überwintern sogar in dieser Kinderstube, die später braun und unansehnlich wird. Im Frühjahr schlüpft dann die neue Wespengeneration, und das Spiel geht von vorn los.
Im Volksmund heißen die Rosengallen „Schlafapfel“. Man glaubte an eine schlaffördernde Wirkung, wenn man sich ein solches Gebilde unters Kopfkissen legte. Das ist zwar nichts als Aberglaube. Aber schlaflose Nächte müssen solche Gallen niemandem bereiten, auch keinem Hobbygärtner, der Wildrosen angepflanzt hat. Denn die Rosengallwespen sind harmlose Parasiten. Sie schädigen ihren Wirt nicht sonderlich – und ihre Rosengallen sind ein wirklich hübscher Anblick.