Pflegedienst verärgert über „Formularwahn“
Martin Grieble kritisiert Abrechnungen von Corona-Tests, Verband weist sie zurück
TUTTLINGEN (dh) - Wenn es um die Abrechnungen von Corona-Tests geht, findet Martin Grieble deutliche Worte: Es sei ein „Formularwahn“, sagt er, „ein gewollter Kampf gegen die Pflegedienste“, und: „Die machen das absichtlich!“Viel aufgestaute Wut entlädt sich bei ihm, dessen ist sich Grieble bewusst, und das liegt nicht nur an der aktuellen Abrechnung – zum Teil aber schon.
Worum es konkret geht: Nach wie vor können Pflegeeinrichtungen wie private Pflegedienste die Kosten für Corona-Tests von den Pflegekassen erstattet bekommen. Martin Grieble betreibt einen solchen Pflegedienst in Tuttlingen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter testen sich regelmäßig, ebenso die Patientinnen und Patienten. Pro Test und Testung konnte er in den vergangenen zwei Jahren variierende Beträge abrechnen. Zuletzt waren es pro Test 3,50 Euro, seit dem 1. Juli nun 2,50 Euro. An sich ein akzeptabler Betrag, sagt Grieble, im Einkauf zahle er nicht mehr viel für die Tests.
Um den Preis geht es aber gar nicht. Nachdem er die Abrechnung für das erste Halbjahr 2022 bei der Kasse eingereicht hatte, kam der Antrag postwendend wieder zurück. „Weil ich das falsche Formular genommen hatte“, empört sich Grieble. Seine zuständige Pflegekasse, die Barmer Ersatzkasse, sitzt in Schwäbisch Gmünd. Die Ansprechpartner kennt er nicht. Bei der AOK in Tuttlingen, mit der er früher schon zu tun hatte, wäre das nicht passiert, meint Grieble. Mit einem Kontakt vor Ort könne er solche Angelegenheiten auch mal unbürokratisch regeln. Aber so? „Die wissen, dass ich nicht auf der Matte stehe.“Die Zuteilung der Pflegekassen erfolgte zentral, laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erst bundesweit, dann detaillierter auf Landesebene. Einer Liste des GKV-Spitzenverbands zufolge ist für die Pflegeeinrichtungen meist die AOK Tuttlingen zuständig, in einigen wenigen Fällen die Barmer Ersatzkasse, einmal die IKK classic. Wie das zustande kam, hat der Verband der Ersatzkassen auf Anfrage bisher nicht beantwortet, eine Antwort der Barmer steht noch aus.
Für die Problematik mit dem Formular hat der GKV-Spitzenverband eine Erklärung: Sobald sich die gesetzlichen Voraussetzungen änderten, sei auch ein neues Formular nötig, erläutert Pressesprecher Jens Ofiera auf Nachfrage. Zum 1. Juli war das zum Beispiel der Fall, die Abrechnungspauschale senkte sich von 3,50 auf 2,50 Euro pro Test, auch zuvor gab es schon Änderungen. Nur mit dem richtigen Formular könne gewährleistet werden, „dass die jeweils geltenden Erstattungsansprüche automatisch berücksichtigt werden“. Sonst müsste die Pflegekasse den Erstattungsbetrag nachträglich zum Beispiel kürzen.
Der Vorwurf, dass die Abrechnungen
zu bürokratisch abliefen, weist der GKV-Sprecher zurück. Innerhalb kürzester Zeit habe der Verband 2020 Kostenerstattungsverfahren für pandemiebedingte Mehraufwendungen und Mindereinnahmen, die CoronaPrämien und Antigen-Testungen aufgesetzt. Die zuständigen Pflegekassen zahlten die geltend gemachten Erstattungsbeträge innerhalb von 14 Kalendertagen aus, heißt es weiter. Nachweise seien nur auf Verlangen vorzulegen. „Im Vergleich zu anderen Unterstützungsmaßnahmen in der Wirtschaft haben die Leistungserbringenden damit frühzeitige und kontinuierlich finanzielle Unterstützung erhalten“, betont Ofiera.
Eine Argumentation, die beim Tuttlinger Pflegedienst Grieble nur bedingt ankommt. Immer mehr Zeit müsse er mit Papierkram verbringen, und das nicht nur mit Corona-Formularen. Probleme zwischen Kassen und Pflegediensten ließen sich kaum auf persönlicher Ebene klären, auch die Dokumentationspflichten hätten sich in den vergangenen Jahren verschärft. „Wie die Patienten versorgt sind, interessiert keinen“, sagt er. Regelmäßig müsse er Anfragen von neuen Patienten ablehnen, weil er sie personell nicht stemmen könne. Dennoch seien die Patienten das, was ihn seit 42 Jahren im Beruf halte, sagt Grieble: „Ich hab mich auch in Corona-Zeiten nicht gedrückt, ich war jeden Morgen um halb sieben am Patient.“