Gränzbote

Auch Leo, der Schlächter, liegt in Gänsäcker

Münze mit Konterfei des Kaisers aus Konstantin­opel bei Ausgrabung­en im künftigen Donautech entdeckt

- Von Dieter Kleibauer ●

- Schon die ganz, ganz alten Tuttlinger haben internatio­nale Beziehunge­n gepflegt. Bei den archäologi­schen Grabungen im künftigen Gewerbegeb­iet Donautech sind Münzen aus dem fernen Konstantin­opel aufgetauch­t – später Byzanz, heute Istanbul. Sie zeigen den damaligen oströmisch­en Kaiser Leo I., geprägt im Jahr 457 n. Chr. Ein Gutmensch war Leo keinesfall­s – er ließ einen Rivalen samt Sohn ermorden und trug folgericht­ig in der damaligen Geschichts­schreibung den Beinamen „Der Schlächter“. Kein Kandidat für einen Ehrenbürge­r.

Die goldenen Leo-Münzen sind nur ein Teil der Ausgrabung auf den Möhringer Äckern. Im Gemeindera­t stellte die Archäologi­n Gertrud Kuhnle vom Landesdenk­malamt den Stand des Projekts vor – aus städtische­r Sicht war ihr wichtigste­s Fazit: Die Arbeiten neigen sich dem Ende entgegen. Darauf warten die Stadt und die investitio­nswilligen Firmen sehnsüchti­g, um mit der Erschließu­ng und den Neubauten beginnen zu können.

Das Gewerbegeb­iet liegt auf wahrhaft historisch­em Boden, machte Gertrud Kuhnle klar. Die zahlreiche­n Funde reichen von der Jungsteinz­eit (2600 bis 2200 v. Chr.) bis in die Spätantike, aus der eben jene goldenen Leo-Münzen stammen. Und nicht genug damit: Auch jüngere Funde lagen im Boden des Gänsäckers: Überbleibs­el der Schlacht von Tuttlingen 1643 im Dreißigjäh­rigen Krieg, Musketenku­geln, Teile von Stichwaffe­n, Reste von Pferdegesc­hirren.

Auf mehreren Hektar Fläche sind die Archäologe­n unterwegs und weisen mit ihren Funden nach, dass das Areal schon immer ein beliebter Siedlungso­rt nahe der Donau gewesen ist, deren Flussbett damals noch ganz anders aussah. Die ersten dieser Siedler, noch der Steinzeit zugeordnet, haben Keramiksch­erben hinterlass­en; selbst Splitter von Holzkohle sind den Forschende­n aufgefalle­n – kein spektakulä­rer Fund wie eine Goldmünze, aber für Wissenscha­ftler

wertvolle Erkenntnis­se bergend.

In der Chronologi­e der Gänsäcker-Besiedlung schließen sich die Bronzezeit (2200 – 1500 v. Chr.), die so genannte Urnenfelde­r-Zeit (1300 – 800 v. Chr.) sowie die Hallstattz­eit (800 bis 450 v. Chr.) an. Aus der Latène-Zeit (250 – 160 v. Chr.) hat man zum Beispiel Fibeln, Verschlüss­e für Kleider, gefunden, Tierknoche­n, aber auch Spuren hölzerner Hauspfoste­n. In der Römerzeit, 100 – 260 n, Chr., gab es dann bereits Gebäude mit Steinfunda­menten, eins war möglicherw­eise eine Darre, in der Getreide gedroschen wurde.

Die Archäologi­nnen und Archäologe­n haben viele Funde gesichert, von denen manche noch Fragen aufwerfen, die bislang nicht beantworte­t werden können. Als nächste Schritte gelten die Sicherung eines Brunnensch­achts sowie das Erstellen eines 3-D-Films, der die Siedlungen im Kontext der Topographi­e zeigt.

Das Landesamt für Denkmalsch­utz wäre gerne länger und intensiver vor Ort und sieht weitere mögliche

Funde in der Umgebung des neuen Gewerbegeb­iets. Da hat Gertrud Kuhnle eine Bitte an die Landwirte: Nicht zu tief pflügen, weil im Feld noch wertvolle Objekte ruhen könnten. An anderer Stelle ist das

schon erfolgt: Der Bau der GäubahnTra­sse vor vielen Jahrzehnte­n führt mitten durch ein potenziell­es Grabungsge­biet und hat bereits wertvolle Flächen unwiederbr­inglich zerstört.

 ?? ARCHIV-FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN ?? Bei den Grabungen im geplanten Gewerbegeb­iet Donautech im Tuttlinger Gänsäcker haben die Archäologe­n des Landesdenk­malamts nicht nur Tonscherbe­n aus der Bronzezeit gefunden.
ARCHIV-FOTO: SEBASTIAN HEILEMANN Bei den Grabungen im geplanten Gewerbegeb­iet Donautech im Tuttlinger Gänsäcker haben die Archäologe­n des Landesdenk­malamts nicht nur Tonscherbe­n aus der Bronzezeit gefunden.

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