Als die Römer durch das Primtal zogen
Eine römische Heerstraße führte einst von Rottweil nach Tuttlingen – Kastell bei Frittlingen
- Das Primtal liegt sehr verkehrsgünstig. In der Antike führte eine Römerstraße durch das Tal. Ergrabene oder aus der Luft erschlossene Gebäude aus der Römerzeit zeugen davon. Doch der genaue Verlauf der Straße ist nicht bekannt. Eine Straße zu bauen, das bedeutete schon immer viel Aufwand, auch als es noch keine überbordenden Planungsvorgaben gab. Deshalb sind Straßen nur dort errichtet worden, wo sie auch wirklich gebraucht werden.
Nach dem Selbstmord von Kaiser Nero im Jahr 68 nach Christus hatte das römische Reich mit Bürgerkriegen und diversen Aufständen zu kämpfen. Als zur Bekämpfung eines dieser Aufstände, des Bataveraufstands von 69/70 n. Chr., Truppen von der Donauprovinz an den Rhein geschickt wurden, mussten die Truppen den langen Umweg um das RheinKnie bei Basel nehmen, weil es dort bereits Straßen gab. Vor allem um solche Truppenverlegungen zwischen Donau- und Rheinprovinzen künftig zu erleichtern, wurde unter Kaiser Vaspasian eine Straße gebaut, die vom Legionslager Straßburg (Argentorate), über Offenburg und das Kinzigtal nach Tuttlingen führte. Ein bei Offenburg gefundener Meilenstein verrät, dass diese Straße unter dem Oberbefehlshaber Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens um 74 n. Chr. errichtet worden ist. Ihr letztes Stück führte durchs Primtal.
Von Süden her kam eine weitere Straße vom Legionslager Vindonissa, heute Windisch bei Brugg im Kanton Argau, über Hüfingen und vereinigte sich mit der Kinzigtalstraße. Dort, entstand die Siedlung Arae Flaviae („Altäre der [Kaiserfamilie der] Flavier“), die dort liegt, wo heute die Altstadt Rottweil ist.
Im Landkreis Tuttlingen gibt es laut Kreisarchivar Hans-Joachim
Schuster insgesamt vier ziemlich sichere Römerstraßen, die allerdings nicht durch konkrete archäologische Funde im Kreisgebiet belegt sind:
Nämlich die schon genannten Straßen durch das Primtal von Rottweil nach Tuttlingen und von Hüfingen nach Rottweil; eine, die dann von Tuttlingen parallel zur Donau auf der Hochfläche Richtung Ulm geführt hat; eine dritte, von dieser im Bereich zwischen Neuhausen und Worndorf nach Süden abzweigende Straße, die durch den Hegau bis Eschenz/Stein a.R. führte, und schließlich eine Straße von Tuttlingen nach Hüfingen.
„In der älteren lokal- und regionalhistorischen Literatur kursieren Spekulationen über weitere Römerstraßen“, so Schuster gegenüber unserer Zeitung. „Diese werden von den heutigen Archäologen aber nicht übernommen beziehungsweise bestätigt.“So spekuliert zum Beispiel die „Beschreibung des Oberamts Spaichingen“aus dem Jahr 1876, dass die Straße von Spaichingen nach Hausen ob Verena – wohl die alte „Hausener Staig“– „auf eine römische gegründet“sei.
Indirekte Zeugnisse der Römerstraße durch das Primtal sind aber zwei einstige Bauwerke: Zum einen die 1994/95 archäologisch ergrabene römische Villa mit Bad (Thermen) in Wurmlingen im Bereich des heutigen Ettwerweges. Hier ist nicht ganz klar, ob es sich um einen Gutshof („villa rustica“) oder um eine Herberge („mansio“) für die auf der nahen Römerstraße Reisenden gehandelt hat.
Das Badehaus ist auch deshalb besonders interessant, weil es einer der wenigen gesicherten Beispiele ist, dass ein römisches Bauwerk auch von den Alemannen weiter genutzt wurde. Denn innerhalb des römischen Steinbaus konnten Holzbauten aus
der Zeit der alemannischen Landnahme entdeckt werden. Ansonsten scheinen die Alemannen römische Gebäude eher gemieden zu haben.
Ein weiteres nachgewiesenes römerzeitliches Bauwerk im Primtal ist ein kleines Kastell bei Frittlingen. Dessen Lage wurde einst durch Luftbildarchäologie entdeckt. Unterirdische Bodendenkmale wie Mauerreste, Gräben oder Pfostenlöcher hinterlassen auf der Oberfläche kaum sichtbare Spuren wie leichte Bodenerhebungen oder Beeinflussungen des Pflanzenwuchses. Diese sind aber mit entsprechend geübtem Auge bei bestimmten Lichtverhältnissen aus der Luft heraus zu erkennen.
Auf diese Weise entdeckte im trockenen Sommer 1990 der Luftbildarchäologe
Otto Braasch (1936-2021) am 11. August auf einem seiner Flüge, dass sich im stark ausgetrockneten Gras einer Wiese auf einer Geländeschulter oberhalb von Frittlingen deutliche drei dunkle, in rechtem Winke zueinander liegende braune Streifen mit leicht abgerundeten Ecken abzeichneten– oberflächliche Zeugnisse von zugeschütteten Gräben, die einst ein römisches Kastell umgaben. Die vierte Seite war nicht sichtbar, da bereits durch Bodenerosion abgetragen.
Bei näherem Hinsehen sind auf dem Luftbild auch Tore und sogar noch Spuren mehrerer Türme zu erkennen. Die nutzbare Innenfläche des römischen Militärlagers betrug etwa 55 bis 60 mal 45 bis 50 Meter, also etwa 0,25 bis 0,3 Hektar.
Das Kastell lag oberhalb des heutigen Frittlingen. Von hier aus konnte man das Primtal und gut überblicken und überwachen. Vielleicht verlief hier aber auch die Grenze des damals von den Römern beanspruchten Gebiets. „Das Primtal hätte dann als „limes“gedient“, so C. Sebastian Sommer vom Landesdenkmalamt BadenWürttemberg, „das Kastell Frittlingen wäre in diesem Fall mehr zu dessen Überwachung als zur Kontrolle der Straße errichtet worden.“