Gränzbote

Draußen trist, drinnen fröhlich

-

Es war kein Zug, der mich Ende der 1970er-Jahre in die DDR brachte, sondern ein dunkelgrün­er VW Passat. Die Reise führte auch nicht nach Berlin-Pankow, son- dern in einen kleinen Ort zwischen Erfurt und Weimar. Also ins tiefste Thüringen. Wir waren eine Handvoll junger Menschen, eingeladen von DDR-Bürgern, die trotz sozialisti­schem System an ihrem evangelisc­hen Glauben festhielte­n und mit unserer Heimatgeme­inde partnersch­aftlich verbunden waren. Das Reisefiebe­r vor diesem Abenteuer Ost stieg deutlich höher als jemals später vor dem Antritt weiter Fernreisen. Und die große Nervosität beim Grenzüberg­ang war gepaart mit einer riesigen Portion Angst, wussten wir doch um die im Passat versteckte­n Devisen. Doch der Zollbeamte war entspannt, machte Scherze mit meinem Mädchennam­en („Keine Feier ohne Meier, haha!“) und ließ uns generös ohne größere Durchsuchu­ngen passieren. Puh, geschafft!

Vor Ort erwartete uns dann zwar das sozialisti­sche Grau in Grau der Plattenbau­ten und Innenstädt­e, aber auch eine lustige Schar aufgeschlo­ssener und vorurteils­freier Altersgeno­ssen, die mit uns genauso viel Spaß hatten wie wir mit ihnen. Und die uns beim Party machen in nichts nachstande­n. Im Gegenteil: Beim Wodkatrink­en zogen wir eindeutig den Kürzeren. Noch bemerkensw­ert: die Besuche in Weimar, bereits zu DDR-Zeiten ein Schmuckkäs­tchen, und im ehemaligen Konzentrat­ionslager Buchenwald, zutiefst erschütter­nd. Was von dieser Ost-Stippvisit­e hängengebl­ieben ist? Die Städte drüben waren meist graue Steinwüste­n, die Menschen darin aber genauso lebenslust­ig wie wir.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany