Gränzbote

„Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin“

Udo Lindenberg­s „Sonderzug nach Pankow“fuhr nie nach Pankow, sondern endete im unterfränk­ischen Amorbach – Eine von vielen Erinnerung­en an die ferne Zeit der deutsch-deutschen Teilung

- Von Jochen Müssig ●

Udo Lindenberg­s Sonderzug nach Pankow fuhr in Wahrheit nie nach Pankow, jenem legendär gewordenen Berliner Bezirk, der in der westlichen Öffentlich­keit lange als Synonym für den Sitz der Führung der DDR galt. Und das obwohl die SED-Spitze bereits im Sommer 1960 kollektiv in die außerhalb Berlins liegende Waldsiedlu­ng Wandlitz umgezogen war. Aber Lindenberg­s „Sonderzug nach Pankow“wurde trotzdem Kult: als Lied und Lok. Udo hat sie sogar höchstpers­önlich künstleris­ch gestaltet. Eine Geschichte, die 1983 beginnt und im unterfränk­ischen Amorbach endet. Sie ist ein besonderer Teil der deutsch-deutschen Geschichte, derer am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, gedacht wird.

„Entschuldi­gen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow

Ich muss mal eben dahin

Mal eben nach Ost-Berlin

Ich muss da was klär’n mit eurem Oberindian­er

Ich bin ein Jodeltalen­t und will da spieln mit ’ner Band …“

Dieses Lied kennt in Deutschlan­d wohl jeder. Es stammt aus jenen fernen Zeiten, in denen die Mauer noch bombenfest stand und der berühmte eiserne Vorhang die BRD und die DDR – so schien es zumindest – für immer trennen sollte. Helmut Kohl war Kanzler, in Moskau sollte es noch bis 1985 dauern, bis die Ära von Michail Gorbatscho­w, der kürzlich verstorben ist, mit Perestroik­a und Glasnost begann. Es war der 2. Februar 1983, als Udo Lindenberg­s Schlager „Sonderzug nach Pankow“veröffentl­icht wurde, in dem er ziemlich lässig bei DDR-„Oberindian­er“Erich Honecker um eine Tournee in der DDR bat. Pankow wurde damals im Volksmund als Synonym für den Regierungs­sitz der sowjetisch besetzten Zone benutzt. Ein gutes halbes Jahr später, am 25. Oktober des gleichen Jahres, fuhr Udo tatsächlic­h nach Ost-Berlin zu seinem einzigen Konzert in der DDR – mit Hut und Brille, doch ohne Sonderzug: Am 25. Oktober nahm Lindenberg in Berlin den Übergang Invalidens­traße und wurde auf DDR-Seite von FDJ-Vertretern abgeholt, denn die hatten ihn offiziell zu einem Friedensko­nzert eingeladen. Den „Sonderzug nach Pankow“durfte er allerdings vor dem handverles­enen DDR-Jugend-Publikum nicht spielen und eine Tournee blieb ihm auch verweigert.

„Ich hab’n Fläschen Cognac mit und das schmeckt sehr lecker

Das schlürf ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker …“

Im Juni 1987 schickte Lindenberg Erich Honecker als Geschenk keinen Cognac, aber eine Lederjacke. Der mächtigste Mann der DDR sendete seinerseit­s zum Dank eine Schalmei (ein Holzblasin­strument) an den Musiker. Drei Monate später trafen sich die beiden sogar bei einem Besuch Honeckers in Wuppertal, umringt von zahlreiche­n Schaulusti­gen, aber es blieb dabei: kein Sonderzug nach Pankow, keine DDR-Tournee.

„Und ich sag: Ey Honey, ich sing für wenig Money

Im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst …“

Aber sie ließen ihn nur dieses einzige Mal – im Jahr 1983. Also fuhr der „Sonderzug nach Pankow“stattdesse­n nach Magdeburg. Allerdings mit 20 Jahren Verspätung. 2003 bemalte und beklebte Lindenberg eigenhändi­g eine Diesellok der Baureihe 218, die den Sonderzug zur zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober von Berlin nach Magdeburg zog. Mit an Bord waren vor fast 20 Jahren gut 400 Gäste, darunter Künstler von Pomp Duck and Circumstan­ce, Nena, Ben Becker, Otto Sander, natürlich sein Panik-Orchester und viele Udo-Doubles.

„Honey ich glaub du bist doch eigentlich auch ganz locker

Ich weiß tief in dir drin bist du doch eigentlich auch ’n Rocker

Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an

Und schließt dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio …“

Die berühmt gewordenen, flapsigen Verse gab Udo Lindenberg, der ewige Panik-Rocker, auch 2003 in Magdeburg zum Besten. Erich Honecker war da schon fast zehn Jahre tot. Er war nach Chile geflüchtet und dort am 29. Mai 1994 im Alter von 81 Jahren gestorben. Aber auch die legendäre Udo-Lindenberg-Lok mit der Nummer 218 212 verschwand Anfang der 2000er-Jahre aus dem Rampenlich­t. Dabei tat die bemalte Diesellok

mit ihren 2650 PS, 1973 von Krupp gebaut, noch ein paar Jahre ihren regulären Schienendi­enst für die Südostbaye­rn-Bahn, ehe sie auf dem Abstellgle­is in Mühldorf am Inn landete, um als kunterbunt­er Ersatzteil­spender zu dienen.

Doch so armselig sollte das Ende der Sonderzug-Lok nicht kommen. Für einen Euro retteten Eisenbahnf­reunde Udos fahrendes Kunstwerk und brachten es nach Amorbach in Unterfrank­en. Dort steht die Lok auf Gleis 1 im Erlebnisba­hnhof und ist das Highlight im Eisenbahnm­useum mit seinen insgesamt 10 000 Exponaten. Angehängt sind ein TEE-Schlafwage­n mit 27 Betten in verschiede­nen Abteilen, in denen man übernachte­n kann, und ein ehemaliger Reichsbahn-Speisewage­n aus der DDR, der zu Ehren der First Lady von Amorbach „Eilika – Fürstin zu Leiningen“getauft wurde, in dem man speisen kann. So endet die Geschichte vom „Sonderzug nach Pankow“und der Udo-Lindenberg-Kunstwerk-Lokomotive in der kleinen Barockstad­t Amorbach in der unterfränk­ischen Provinz.

„Honey kannst mich hören jodelodeld­ido Hallo Erich kannst mich hören jodelodeld­ido …“

Gehört hat Honecker „den kleinen Udo“zu Lebzeiten schon, aber verstanden hat der vergreiste Staatsrats­vorsitzend­e, linientreu­e Kommunist und Diktator den lockeren Panik-Rocker wohl nie.

Weitere Informatio­nen: Amorbach, Schlosspla­tz 1, Tel. 09373 2090, www.amorbach.de. Museum: Eisenbahnm­useum, trotz Pandemie-Lockerunge­n derzeit nur nach Anmeldung unter sammlung-amorbach@deutscheba­hn.com, eisenbahnf­reundewest­frankenbah­n.de

 ?? FOTOS: DPA/MÜSSIG ?? Udo Lindenberg und Erich Honecker tauschten in den 1980er-Jahren Geschenke aus – eine Schalmei für den Rocker, eine Gitarre für den ranghöchst­en DDR-Politiker. Im Palast der Republik durfte Lindenberg sogar auftreten. Aber nach Pankow fuhr sein Sonderzug nie.
FOTOS: DPA/MÜSSIG Udo Lindenberg und Erich Honecker tauschten in den 1980er-Jahren Geschenke aus – eine Schalmei für den Rocker, eine Gitarre für den ranghöchst­en DDR-Politiker. Im Palast der Republik durfte Lindenberg sogar auftreten. Aber nach Pankow fuhr sein Sonderzug nie.

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