Rätsel um die Gebeine von Waterloo gelöst
FRANKFURT (KNA) - Wissenschaftler haben offenbar den Verbleib Zehntausender Gebeine von Gefallenen der Schlacht von Waterloo aufgeklärt. In einem Forschungsbericht, über den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“vor Kurzem berichtete, legen der belgische Historiker Bernard Wilkin, sein deutscher Kollege Robin Schäfer und der britische Schlachtfeldarchäologe Tony Pollard offen, dass wohl rund 20 Jahre nach der Schlacht damit begonnen wurde, die Gebeine der meisten Gefallenen auszugraben, zu verkaufen und zur Produktion von Zucker zu verwenden.
Stützen können sich die drei Wissenschaftler auf bislang unerschlossene zeitgenössische Berichte und Briefe aus den Gemeindearchiven der Orte Braine-l’Alleud und Plancenoit, auf deren Gebieten sich die Schlacht ereignete. Sie dokumentieren ab 1834 illegale Ausgrabungen in Massengräbern, in denen die Toten nach den Kämpfen verscharrt wurden. Historiker, die vorab die Ergebnisse prüfen konnten, stufen die Relevanz der Ergebnisse als bedeutend ein. „Die Entdeckung ist sehr wichtig, weil sie die Informationen, die wir vorher hatten, komplett verändert“, sagte der französische Historiker und Napoleon-Fachmann David Chanteranne. Er sprach von einem Skandal, den die drei Forscher aufgedeckt hätten.
Die exhumierten Knochen wurden laut der Wissenschaftler zu Knochenkohle verarbeitet. Diese benötigten die Fabriken zur Herstellung von Filtern, um den Zucker zu entfärben – nicht nur in Belgien, sondern auch in anderen Teilen Europas. Mit einem Gewicht von mindestens 1,7 Millionen Kilogramm Knochen der Gefallenen und ihrer Pferde ließen sich rund 238 000 Franc verdienen, was damals einem kleinen Vermögen entsprach, so die Forscher.
Beim letzten Aufbäumen Napoleon Bonapartes, dem alliierte Truppen unter dem englischen General Wellington, und dem preußischen Befehlshaber von Blücher ein Ende setzten, fanden am 18. Juni 1815 mindestens 20 000 Männer und ihre Pferde den Tod.