Das Ringen um eine funktionierende Bundeswehr
Zweifel an schneller „Zeitenwende“– Wehrbeauftragte Högl fordert Überprüfungen
- Nicht erst seit dem Massenausfall des Schützenpanzers „Puma“bei einer Übung wachsen die Zweifel an einer schnellen „Zeitenwende“bei der Bundeswehr. Und nicht nur die Wehrbeauftragte des Bundestages sorgt sich darum, dass das 100Milliarden-Sondervermögen verpuffen könnte.
Eva Högl (SPD) will einen regelmäßigen Bericht über die Modernisierung der Bundeswehr. Genauer gesagt, über die Verwendung des 100-Milliarden-Sondervermögens, das vom Parlament bewilligt wurde. „Wir haben so etwas ja beispielsweise bei den Unterstützungsleistungen für die Ukraine“, sagte die Wehrbeauftragte des Bundestages der Nachrichtenagentur dpa. „So eine regelmäßige Bestandsaufnahme, einen Zeitenwende-Report, fände ich für das Thema Sondervermögen sinnvoll.“Überraschend ist an diesem Vorstoß vor allem wohl, dass die regelmäßige Überprüfung so gigantischer Ausgaben keine Selbstverständlichkeit zu sein scheint.
Die Kontrolle wird noch dringender, wenn man Högls weiterem Ansinnen folgt. Die Wehrbeauftragte plädiert nämlich dafür, die Vollausstattung der Streitkräfte durch den zeitweisen Verzicht auf das komplizierte Regelwerk im Beschaffungswesen zu beschleunigen.
„Die 100 Milliarden Euro dürfen nicht in den vorhandenen Strukturen und Verfahren vergeben werden. Dann kommen wir nicht vorwärts“, sagte Högl. Das Verteidigungsministerium solle vorschlagen, wie das zu geschehen habe. Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können. Högl hat die Standorte der Bundeswehr besucht und viel Zeit auf Gespräche mit Soldaten verwendet. Sie sagte: „100 Tage im
Jahr, also ein Drittel des Jahres, bin ich unterwegs.“Das Verteidigungsministerium wird von Högls Parteifreundin Christine Lambrecht geleitet.
Auch SPD-Chef Lars Klingbeil will mehr Tempo. Er regt einen „Nationalen Pakt für Sicherheit“an, „ein großes Bündnis von Politik und Industrie, damit sich Deutschland ausreichend verteidigen kann, wir unsere Bündnisaufgaben erfüllen und zugleich weitere Waffen in die Ukraine liefern können“. Der in Niedersachsen erscheinenden „Böhme-Zeitung“sagte Klingbeil, es sei wichtig, dass das Sondervermögen schnell genutzt werde. Auch er sprach sich dafür aus, „nicht auf den üblichen bürokratischen Wegen, sondern in einer Rekordgeschwindigkeit“zu agieren.
Wie sehr die Bundeswehr in Bedrängnis ist, hat erst kürzlich der Komplettausfall aller „Puma“-Schützenpanzer bei einer Übung gezeigt. Die Bundestagsabgeordneten der Grünen Niklas Wagener (Verteidigungsausschuss) und Sebastian Schäfer (Haushaltsausschuss) nahmen den Vorfall zum Anlass, um dem Lambrecht-Ministerium die Leviten zu lesen. „Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr darf nicht zum Lotteriespiel werden“, erklärten die Politiker vom grünen Koalitionspartner. „Es ist die Aufgabe der Bundeswehr und des Bundesverteidigungsministeriums, die Einsatzbereitschaft jetzt sehr zügig wieder her- und dauerhaft sicherzustellen.“
Auch dass die Abgeordneten aus der Presse von den Problemen mit dem „Puma“erfuhren, kritisierten die beiden. Wagener und Schäfer halten außerdem „eine grundlegende Beschaffungsreform“für „zwingend notwendig“. Das sei umso wichtiger, „damit wir keine Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr fehlleiten. Ziel muss sein, die Beschaffung zufriedenstellend zu beschleunigen sowie die Qualität des beschafften Materials zu verbessern“.