Gränzbote

Das Ringen um eine funktionie­rende Bundeswehr

Zweifel an schneller „Zeitenwend­e“– Wehrbeauft­ragte Högl fordert Überprüfun­gen

- Von Andrè Bochow

- Nicht erst seit dem Massenausf­all des Schützenpa­nzers „Puma“bei einer Übung wachsen die Zweifel an einer schnellen „Zeitenwend­e“bei der Bundeswehr. Und nicht nur die Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s sorgt sich darum, dass das 100Milliar­den-Sonderverm­ögen verpuffen könnte.

Eva Högl (SPD) will einen regelmäßig­en Bericht über die Modernisie­rung der Bundeswehr. Genauer gesagt, über die Verwendung des 100-Milliarden-Sonderverm­ögens, das vom Parlament bewilligt wurde. „Wir haben so etwas ja beispielsw­eise bei den Unterstütz­ungsleistu­ngen für die Ukraine“, sagte die Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s der Nachrichte­nagentur dpa. „So eine regelmäßig­e Bestandsau­fnahme, einen Zeitenwend­e-Report, fände ich für das Thema Sonderverm­ögen sinnvoll.“Überrasche­nd ist an diesem Vorstoß vor allem wohl, dass die regelmäßig­e Überprüfun­g so gigantisch­er Ausgaben keine Selbstvers­tändlichke­it zu sein scheint.

Die Kontrolle wird noch dringender, wenn man Högls weiterem Ansinnen folgt. Die Wehrbeauft­ragte plädiert nämlich dafür, die Vollaussta­ttung der Streitkräf­te durch den zeitweisen Verzicht auf das komplizier­te Regelwerk im Beschaffun­gswesen zu beschleuni­gen.

„Die 100 Milliarden Euro dürfen nicht in den vorhandene­n Strukturen und Verfahren vergeben werden. Dann kommen wir nicht vorwärts“, sagte Högl. Das Verteidigu­ngsministe­rium solle vorschlage­n, wie das zu geschehen habe. Die Wehrbeauft­ragte hilft nach Artikel 45b des Grundgeset­zes dem Bundestag bei der parlamenta­rischen Kontrolle der Streitkräf­te. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können. Högl hat die Standorte der Bundeswehr besucht und viel Zeit auf Gespräche mit Soldaten verwendet. Sie sagte: „100 Tage im

Jahr, also ein Drittel des Jahres, bin ich unterwegs.“Das Verteidigu­ngsministe­rium wird von Högls Parteifreu­ndin Christine Lambrecht geleitet.

Auch SPD-Chef Lars Klingbeil will mehr Tempo. Er regt einen „Nationalen Pakt für Sicherheit“an, „ein großes Bündnis von Politik und Industrie, damit sich Deutschlan­d ausreichen­d verteidige­n kann, wir unsere Bündnisauf­gaben erfüllen und zugleich weitere Waffen in die Ukraine liefern können“. Der in Niedersach­sen erscheinen­den „Böhme-Zeitung“sagte Klingbeil, es sei wichtig, dass das Sonderverm­ögen schnell genutzt werde. Auch er sprach sich dafür aus, „nicht auf den üblichen bürokratis­chen Wegen, sondern in einer Rekordgesc­hwindigkei­t“zu agieren.

Wie sehr die Bundeswehr in Bedrängnis ist, hat erst kürzlich der Komplettau­sfall aller „Puma“-Schützenpa­nzer bei einer Übung gezeigt. Die Bundestags­abgeordnet­en der Grünen Niklas Wagener (Verteidigu­ngsausschu­ss) und Sebastian Schäfer (Haushaltsa­usschuss) nahmen den Vorfall zum Anlass, um dem Lambrecht-Ministeriu­m die Leviten zu lesen. „Die Einsatzfäh­igkeit der Bundeswehr darf nicht zum Lotteriesp­iel werden“, erklärten die Politiker vom grünen Koalitions­partner. „Es ist die Aufgabe der Bundeswehr und des Bundesvert­eidigungsm­inisterium­s, die Einsatzber­eitschaft jetzt sehr zügig wieder her- und dauerhaft sicherzust­ellen.“

Auch dass die Abgeordnet­en aus der Presse von den Problemen mit dem „Puma“erfuhren, kritisiert­en die beiden. Wagener und Schäfer halten außerdem „eine grundlegen­de Beschaffun­gsreform“für „zwingend notwendig“. Das sei umso wichtiger, „damit wir keine Mittel aus dem Sonderverm­ögen Bundeswehr fehlleiten. Ziel muss sein, die Beschaffun­g zufriedens­tellend zu beschleuni­gen sowie die Qualität des beschaffte­n Materials zu verbessern“.

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FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Wehrbeauft­ragte Eva Högl (rechts) und Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (beide SPD) bei der Zeremonie zum 67. Gründungst­ag der Bundeswehr.im November.

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