Weltgewandt mit oberschwäbischen Wurzeln
Wie es das Unternehmen Blum-Novotest aus Grünkraut an die Weltspitze geschafft hat
- Kaum zu glauben, wo überall Hightech aus Grünkraut drinsteckt: in Windrädern, Flugzeugen, Smartphones, künstlichen Kniegelenken, Uhren oder Spielzeug. Sie haben eines gemeinsam: Bei ihrer Herstellung geht es um Effizienz und höchste Präzision. Wenn kleinste Teile eines Uhrwerks oder die Gesichter von Spielfiguren geformt werden, kommen Werkzeuge zum Einsatz, die einen Bruchteil eines menschlichen Haares messen können. Möglich macht das die Technik von Blum-Novotest in Grünkraut (Kreis Ravensburg). Mit Lasern werden die Werkzeuge während des Produktionsprozesses laufend vermessen, geringste Abweichungen sofort korrigiert. Ziel ist ein möglichst exaktes Ergebnis bei minimalem Verschleiß und Abfall.
Mit dieser Technik hat es das vor mehr als 50 Jahren als Ein-Mann-Betrieb in Schmalegg gegründete Unternehmen an die Weltspitze geschafft. Bei einem Marktanteil von 90 Prozent ist Blum-Novotest Weltmarktführer in der Lasermesstechnik und gehört außerdem zu den weltweiten Technologie- und Innovationsführern der Mess- und Prüftechnik.
„Besorgniserregend“ist für Firmenchef und Gesellschafter Alexander Blum höchstens der Blick auf den Auftragseingang, der in den kommenden Jahren mächtig wachsen dürfte. Die Messsysteme wurden stetig weiterentwickelt. Die neueste Entwicklung im Bereich Lasermesstechnik ist ihm zufolge „unschlagbar schnell, präzise und zuverlässig“und könnte die Industrieproduktion in den kommenden Jahren deutlich nach vorne bringen. „In modernen Produktionsanlagen wird es dann kaum noch Ausschuss geben“, sagt Maschinenbauingenieur Alexander Blum im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Seit er das Unternehmen 2001 von seinem Vater, Günther Blum, übernommen hat, entwickelte sich das einstige Ingenieurbüro mit enormer Geschwindigkeit. Der Umsatz stieg von damals zwölf Millionen Euro im Jahr auf jetzt 85 Millionen Euro, die Zahl der Mitarbeiter wuchs von 100 auf heute weltweit 650. Davon arbeiten 360 am Stammsitz in Grünkraut. Dort hat sich das Unternehmen immer mehr ausgedehnt. 2008 wurde ein zweites Werk mit 2000 Quadratmetern eröffnet, 2015 ein neues Kundenzentrum, 2018 ein neues Montagegebäude mit 5600 Quadratmetern auf drei Etagen. Alexander Blum hat große Pläne. Der Umsatz soll bis 2028 auf 150 Millionen Euro steigen und Blum ist sich sicher: „Die Märkte geben locker noch mehr her.“
Blum-Novotest gehört zu den Erfolgsgeschichten Oberschwabens, die zum Wohlstand der Region wesentlich beitragen. Doch ist dieser Erfolg Zufall oder wie wird man eigentlich Weltmarktführer? Erfindergeist, Strategie und die konsequente
Bereitschaft zum Wandel sind der Mix, mit dem sich Blum-Novotest einen Spitzenplatz erarbeitet hat. Schon der Gründer, Günther Blum, erkannte, dass zur Automatisierung der Industrie die prozessintegrierte Messtechnik gehört. Sie ist ein wichtiger Baustein für das, was sich hinter dem Schlagwort Industrie 4.0 verbirgt: Produktionsprozesse, die sich komplett selbst steuern und selbst optimieren.
„Wir bieten für alle großen Trends die richtigen Lösungen“, sagt Alexander Blum selbstbewusst. Außer Industrie 4.0 sind das auch die Transformation zur Elektromobilität und die Digitalisierung. Die große Bandbreite der Anwendungen ist eine Stärke von Blum-Novotest. Das Unternehmen steht auf drei Säulen: Messkomponenten, wobei Blum neben der berührungslosen Lasermesstechnik auch Messtaster entwickelt, die mit optischen Signalen gesteuert werden. Der zweite Bereich sind Messmaschinen, die in der Serienfertigung beispielsweise bei Automobilherstellern eingesetzt werden. Die dritte Säule ist die Prüftechnik, die Blum 1994 von der Willicher Firma Novotest zukaufte und die seither auch den Firmennamen komplettiert. Novotest-Prüfstände profitieren vom Hochlauf der Elektromotoren, wo sie bereits im Einsatz sind.
Ebenfalls früh erkannte Blum den Trend zur Globalisierung. „Ich habe schon immer international gedacht und gelebt“, sagt der gebürtige Oberschwabe. Schon als Student lebte er in Paris, baute ab 1999 die erste Tochtergesellschaft
in den USA auf und ist heute weltweit vernetzt. BlumNovotest ist mit aktuell 18 Tochtergesellschaften für Service und Vertrieb auf dem ganzen Erdball präsent. Im Januar eröffnet das Unternehmen weitere Standorte in Mexiko, Thailand und Vietnam, im Laufe des Jahres einen in der Türkei. „Wir wollen nicht von einem Markt oder einer Branche abhängig sein“, erklärt Blum seine Strategie.
An eine Abkehr von der Globalisierung glaubt er nicht, an einen Wandel jedoch schon. „Wichtig ist, dass wir lernen, Partnerländern auf Augenhöhe zu begegnen und nicht von Ravensburg aus die Welt beglücken wollen.“In Zukunft wird es mehrere Weltregionen geben - Indien, China, Nordamerika – die voneinander unabhängiger sind als heute, sagt Blum voraus. Wer mit diesen Regionen Handel treiben wolle,
müsse regionale Produkte und Dienstleistungen bieten und auch regionale Führungskräfte beschäftigen. Blum plant in jeder Weltregion ein Kompetenzzentrum aufzubauen.
Von anderen kopiert zu werden, befürchtet Blum allerdings nicht. „Wir beherrschen die Hochzeit komplexer Themen“, so beschreibt es der Unternehmer: „Da ist die Einstiegshürde für Wettbewerber sehr hoch.“Es sei eben doch etwas dran an der „deutschen Ingenieurskunst". „Ich bin ein Fan unseres Bildungssystems. Es fördert Abstraktionsvermögen.“
In seinem Betrieb hat die Ausbildung einen hohen Stellenwert – aktuell sind es 36 Auszubildende. Mit dem Spohn Gymnasium in Ravensburg hat das Unternehmen eine Bildungspartnerschaft. Außerdem will Blum künftig auch junge Menschen aus dem Ausland als Azubis nach Grünkraut holen, weil es in den meisten Ländern kein vergleichbares Ausbildungssystem gibt. Neue Mitarbeiter aus anderen Ländern bekommen über Video- und Selbstlernplattformen die erste Schulung. Inzwischen stehen alle Trainingsprogramme auf der Plattform zur Verfügung, in vielen Sprachen.
Auch bei der Digitalisierung will das Unternehmen in Deutschland Vorreiter sein. „Bei uns gibt es kein Fax und kein Eintippen“, so Blum. Aufträge werden komplett digital erfasst. Auch in der Produktion sind die Abläufe digitalisiert: Ein fahrerloser Transporter erhält Aufträge per Smartphone und bringt das Material an die richtigen Montageplätze. Dass es nicht überall in Deutschland so funktioniert, ist aus seiner Sicht ein großer Fehler: „Wir sind zu wenig digital, zu bürokratisch und die Verkehrsverbindungen sind unkalkulierbar“, kritisiert Blum.
Die Weichen sind auf weiteres Wachstum gestellt. Wachstum sei nicht alles, sagt der Firmenchef, doch „wenn wir nicht wachsen, verlieren wir Marktanteile“. Bei aller Weltgewandtheit bleibt Blum-Novotest seinen Wurzeln treu: Produziert wird ausschließlich in Deutschland, in Grünkraut und bei Novotest in Willich (Nordrhein-Westfalen). Mit einem Anteil von über 70 Prozent Eigenkapital ist das Unternehmen außerdem solide finanziert. Schwäbisch bleibt Blum auch bei der Frage nach dem Gewinn. Zahlen verrät er nicht, nur so viel: „Ich habe kein Boot am Bodensee und auch keinen Hubschrauber.“