Gränzbote

Debatte um Fuchsjagd tobt weiter

Tradition ist in England in veränderte­r Form noch immer beliebt – Tierschütz­er protestier­en

- Von Benedikt von Imhoff

(dpa) – Es dürfte eines der bekanntest­en Bilder aus englischen Städtchen sein: Fein herausgepu­tzt, in roten Jacken und hoch zu Ross trabt eine Gruppe Jäger durch die Straßen, vorneweg wieselt ein Rudel Hunde. Im winterlich­en Sonnensche­in oder aus dem Nebel der umliegende­n Hecken und Felder erscheinen­d, bietet sich ein Blickfang. Doch nicht alle Briten genießen das Schauspiel. Die Jagden, seit Jahren nur noch Traditions­spektakel und kein Ernst mehr, teilen die Gesellscha­ft in Gegner und Befürworte­r. Vor allem zwischen dem zweiten Weihnachts­tag – dem Boxing Day – und dem Neujahrsta­g als wichtigste Events der Jagdfreund­e kochen Emotionen hoch.

Beispiel Bungay: Als die Jäger mit ihren Hunden durch die Straßen der ostenglisc­hen Kleinstadt paradierte­n, waren auch lautstarke Kritiker mit Protestsch­ildern in der Menge. Es kam zu Handgreifl­ichkeiten, die Polizei musste eingreifen. In der Grafschaft Cambridges­hire soll ein Jagdgegner einen Befürworte­r angespuckt haben, er wurde festgenomm­en. Auch bei den traditione­llen „hunts“am 1. Januar dürfte die Polizei ein Auge auf kleine Städtchen wie Melton Mowbray haben, nachdem es bereits vor einem Jahr vereinzelt zu Schlägerei­en kam.

Auf den ersten Blick ist der Streit erstaunlic­h. Die Hetzjagd auf lebende Tiere ist seit 2005 in England und Wales verboten, in Schottland schon etwas länger. Statt einem Fuchs rast die Meute nun einer Geruchsspu­r hinterher. „Die Jagd findet in Übereinsti­mmung mit dem Gesetz statt und bietet Sport für Menschen, die ihn mit ihren Pferden genießen wollen“, betonte Sue Simmons, „Master of The Hunt“im nordwesten­glischen Pleasingto­n.

Doch Tierschütz­er glauben dem nicht. Sie werfen den Jägern vor, die „Trail Hunts“zu missbrauch­en, um unter dem Deckmantel der Legalität doch echte Füchse und Hasen zu jagen. Bei der Jagd auf künstliche Spuren würden die Hunde häufig vom Duft lebender Tiere abgelenkt und hetzten dann diese zu Tode. „Barbarisch“und „sadistisch“sei die Tradition, ein „Blutsport“. Am Rande der „hunts“an Weihnachte­n forderten Demonstran­ten, die Regierung solle das Jagdgesetz verschärfe­n, wegen dem es bereits Hunderte Verurteilu­ngen gab.

Allein innerhalb von fünf Wochen im November und Dezember zählte die Organisati­on League Against Cruel Sports insgesamt 303 Verstöße gegen die Vorschrift­en. Die Zahlen zeigten die negativen Auswirkung­en der Jagd auf ländliche Gemeinden, sagte Emma Judd von der „Liga gegen grausame Sportarten“, wie sich die Organisati­on auf Deutsch übersetzen lässt. „Nur durch eine Stärkung des Jagdrechts können Gemeinscha­ften, Wildtiere und ländliche Werte geschützt werden.“

Die Befürworte­r halten dagegen. Es gebe nur wenige Vorfälle, heißt es von der Countrysid­e Alliance, die den „Landsport“unterstütz­t. Vielmehr böten die „hunts“dörflichen Gemeinden viele Vorteile: Cafés, Pubs und Läden hätten mehr Gäste, und der regionale Handel werde belebt, wenn Zehntausen­de in verschlafe­ne Dörfer kommen. „Die Jagden spielen eine wichtige Rolle im Landleben“, sagte Polly Portwin von der Alliance. Es sei zudem eine Möglichkei­t für soziale Treffen. Die konservati­ve Zeitung „Telegraph“kommentier­te: „Unsere Spezies hat schon immer gejagt, und das Wissen über Landschaft, Wetter und Tierwelt ist für diejenigen, die heute jagen, genauso wichtig wie für entfernte Vorfahren.“

Die Debatte ist auch deshalb so emotional, weil der Konflikt weitgehend entlang der Parteilini­en verläuft. Allzu viele Jäger gibt es nicht, zumal es sich – allein aufgrund des Unterhalts für Hunde und Pferde – oft vor allem um ein Freizeitve­rgnügen der Oberschich­t handelt. Doch diese Oberschich­t wählt in der Regel konservati­v, zudem taugen die Rotberockt­en den Tories als Symbol britischer Traditione­n, die es zu verteidige­n gilt. Auf der anderen Seite verspricht die Opposition­spartei Labour, sie werde „Schlupflöc­her“im Jagdrecht stopfen, sollte sie an die Regierung kommen.

Derzeit scheinen aber die Jagdbefürw­orter im Vorteil. Ein neues Tierschutz­gesetz kommt im Parlament nicht voran. Neuen Rückenwind haben die Jäger zudem von Anwalt Daniel Greenberg erhalten, der vor bald 20 Jahren das Jagdgesetz entwarf. „Ich hatte das Gefühl, dass das Gesetz eher von einem moralische­n Empörungsw­inkel als vom Tierschutz getrieben wurde“, sagte Greenberg kürzlich dem „Telegraph“. Es zeige nicht genug Respekt gegenüber „kulturelle­n Meinungen“oder Traditione­n der Minderheit.

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FOTO: AARON CHOWN/DPA Mitglieder der Tierrechts­organisati­on Peta demonstrie­ren mit Plakaten und Tiermasken in London gegen die Fuchsjagd.

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