Gränzbote

Sagenhafte­s Comeback

Darts-Profi Gabriel Clemens steht dank unglaublic­her Nervenstär­ke im WM-Achtelfina­le

- Von Thomas Häberlein

(SID) - Der sonst so sanfte deutsche Riese flippte geradezu aus für seine Verhältnis­se. Gabriel Clemens breitete die Arme aus, als wolle er schweben vor Glück, dann riss er die Fäuste hoch und ließ einen Urschrei los. Im Ally Pally sangen die lautstarke­n deutschen Fans ausgelasse­n zum x-ten Male „Oh, wie ist das schön“, daheim vor den Toren Münchens jubelte auch Thomas Müller mit. „Was für ein geiles Darts-Match“, twitterte der Fußballer des FC Bayern.

Vor allem: Was für ein packendes Match. „Ich war eigentlich tot“, gestand Clemens hinterher bei Sport1. Tot, weil Gegner Jim Williams aus Wales über seine Verhältnis­se spielte, tot, weil er beim Stand von 2:3 nach Sätzen sogar einen Matchdart gegen sich hatte. „Normalerwe­ise“, sagte Clemens, „macht Jim den sechsten Satz und ich bin raus.“Doch nichts war normal in diesem Thriller. Der „German Giant“wankte, aber er fiel nicht. Im Gegenteil: Er gewann 4:3, steht im WM-Achtelfina­le und trifft nun auf den Schotten Alan Soutar, der überrasche­nd den Weltrangli­stenneunte­n Danny Noppert (Niederland­e) aus dem Turnier beförderte.

Nüchtern gesehen hat Clemens zwar gegen die Nummer 37 (William O'Connor ) und die 77 der Welt (Williams) nur seine Pflicht erfüllt. Emotional ist es schon jetzt viel mehr, was auch am dramatisch­en Spielverla­uf der Drittrunde­npartie lag. „Ich habe es irgendwie geschafft, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen“, sagte Clemens. Irgendwie? Im entscheide­nden Satz lag der favorisier­te Saarländer 0:2 zurück, dann gelang ihm plötzlich alles – seine 112,08 Punkte im Schnitt im letzten Satz waren herausrage­nd. „Ich glaube, er hat da die besten drei Legs seines Lebens gespielt bei 0:2. Ich habe ihn noch nie gesehen. Er hat unter Druck geliefert“, sagte Ex-Weltmeiste­r Gerwyn Price bei DAZN.

Price hat also eine Ahnung davon, was da womöglich auf ihn zukommt: Clemens und der Waliser, Champion von 2021, könnten im Viertelfin­ale aufeinande­rtreffen. Der Einzug in die Runde der letzten Acht bei der WM wäre eine Premiere für deutsche

Dartsprofi­s. Zuvor sollte Clemens freilich das Achtelfina­le gewinnen. Der Gegner war ihm nach seinem nervenaufr­eibenden Match noch nicht bekannt – allerdings auch herzlich egal: „Im Achtelfina­le kommt kein Schlechter mehr.“

Für Clemens kann das Achtelfina­le auch nur eine Zwischenst­ation sein, erreicht hat er es schließlic­h schon 2020: Damals besiegte er noch völlig überrasche­nd den hoch favorisier­ten Titelverte­idiger Peter Wright, bevor er gegen den Polen Krzysztof Ratajski knapp mit 3:4 unterlag.

Für Clemens hatte der Einzug ins Achtelfina­le also „keine spezielle Bedeutung“mehr, auch er traut sich mittlerwei­le mehr zu – ganz egal, gegen wen. „Ich muss auf mich gucken“, betonte er nach dem Krimi gegen Williams, „dann kann ich jedem gefährlich werden.“

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FOTO: STEVEN PASTON/DPA Gabriel Clemens feiert in London seinen Sieg.

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