Entspannt und erfolgshungrig
Die deutschen Handballer starten mit ambitionierten Zielen in die WM-Vorbereitung
(SID) - Paul Drux stieg mit einem Lächeln aus dem Taxi, Philipp Weber schrieb entspannt Autogramme – der Kurzurlaub hatte den deutschen Handballern vor ihrer kniffligen WM-Mission sichtlich gutgetan. „Es war schön, ein paar Tage die Füße hochzulegen und abzuschalten“, sagte der Berliner Drux, nachdem er am Montagmittag mit neuen Kräften im Teamquartier in Hannover eingetroffen war.
Beim Start in die heiße Phase der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Polen und Schweden strahlten die 18 Auserwählten um Kapitän Johannes Golla große Gelassenheit und noch größere Vorfreude aus. Gleich am Nachmittag hatte Alfred Gislason um 17 Uhr die erste Trainingseinheit angesetzt. „Wir haben nun einige Tage Zeit, um an den letzten Feinheiten zu feilen“, sagte Drux.
Genau genommen zehn Tage bleiben Bundestrainer Gislason, der bereits am Sonntag aus Reykjavik nach Hannover gereist war, bis zum Abflug nach Kattowitz am 12. Januar. „In erster Linie geht es um den Feinschliff im Angriff und in der Abwehr. Um Missverständnisse zu minimieren, werden wir versuchen, jeden Tag ein kleines Stück vorwärts und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, was verschiedene
Taktiken angeht. Wir haben nicht viel Zeit, aber die wollen wir effektiv nutzen“, verkündete Gislason die Marschroute für den WM-Lehrgang. Zwei Duelle mit Island, für den DHB-Coach ein Medaillenkandidat bei der WM, dienen am Samstag in Bremen (16.15 Uhr/ZDF) und am Sonntag in Hannover (15.30 Uhr/ zdf.de) als echte Härtetests. „Die Isländer sollte jeder auf dem Zettel haben“, warnte Andreas Wolff.
Der Torhüter fiebert einem besonderen Turnier im deutschen Nachbarland entgegen. Der frühere Kieler spielt seit dreieinhalb Jahren beim
polnischen Topteam Vive Kielce – und in Polen ging 2016 beim überraschenden EM-Triumph sein Stern am Handball-Himmel auf. „Die Situation ist vielleicht ähnlich wie damals, einige Spieler sind verletzt oder stehen nicht zur Verfügung“, sagte Wolff in einem ARD-Interview. Zugleich weiß der Keeper aber natürlich, dass seit der bislang letzten deutschen Medaille viel passiert ist.
Wolffs Person steht sinnbildlich für den Wandel. Vor sieben Jahren zählte er noch zu den Youngsters, mittlerweile ist er mit 31 Jahren der Drittälteste im DHB-Kader. Julian Köster, Juri
Knorr und Lukas Zerbe sind die „neuen Wolffs“und wollen bei der WM überraschen. „Die Vorfreude wiegt schwerer als die Anspannung“, sagte Köster vor seiner WM-Premiere.
Die DHB-Spieler träumen vom ganz großen Coup. „Wir sind an einem Punkt, wo es das Ziel sein muss, endlich mal wieder sportlichen Erfolg für Deutschland zu holen“, forderte Anführer Golla bei der Sportschau. Auch Gislason sieht den Saisonhöhepunkt ein Jahr vor der Heim-EM „auf keinen Fall als Vorbereitungsturnier“, seine Mannschaft könne und wolle Erfolg haben: „Schon jetzt.“
Dafür, das ist allen klar, muss Deutschland aber stets am Leistungsmaximum spielen. Das Viertelfinale, das von einigen Spielern längst als Ziel formuliert wurde, sollte angesichts einer günstigen Auslosung aber allemal machbar sein. Der Weg bei der zweiten WM mit 32 Teams führt über Kattowitz, wo die DHB-Auswahl in Vorrundengruppe E gegen Asienmeister Katar (13. Januar), Serbien (15. Januar) und Algerien (17. Januar) ums Weiterkommen kämpft. In der Hauptrunde dürften an selber Stelle Norwegen und Nordmazedonien als größte Hürden warten. Ein mögliches Viertelfinale findet in Danzig statt.
An die K.o.-Phase denkt aber (noch) niemand. Zunächst sollen in Hannover die Grundlagen für ein Wintermärchen gelegt werden.