Gränzbote

Geburtstag im Schatten des Krieges

Deutschlan­d und Frankreich haben am Sonntag den 60. Jahrestag des Élysée-Vertrags gefeiert

- Von Christine Longin ●

- Der Ukraine-Krieg war in aller Munde, als am Sonntag in Paris der 60. Jahrestag des Élysée-Vertrags gefeiert wurde. „Putin wird nicht siegen“, sagte Bundeskanz­ler Olaf Scholz in seiner Rede an der Sorbonne. „Wir lassen nicht zu, dass Europa zurückfäll­t in eine Zeit, in der Gewalt die Politik ersetzte.“Dafür stehe auch die Entscheidu­ng, der Ukraine Schützenpa­nzer, Spähpanzer und weitere Flugabwehr­batterien zu liefern. „Wir werden die Ukraine weiter unterstütz­en – solange und so umfassend wie nötig.“Die Lieferung von Leopard-2-Panzern kündigte Scholz allerdings in Paris nicht an.

In einer ungewöhnli­ch emotionale­n Ansprache erinnerte der SPDPolitik­er an die Überwindun­g der Erbfeindsc­haft zwischen Deutschlan­d und Frankreich und die Entwicklun­g einer „geschwiste­rlichen Zuneigung“. Der Kanzler bemühte sich sichtlich, den Eindruck zu zerstreuen, dass Deutschlan­d den Nachbarn im Westen im Zuge des Ukraine-Krieges vernachläs­sige. Er bezeichnet­e Frankreich als „unentbehrl­iche Nation“beim Aufbau eines vereinten Europas. „Frankreich ist und bleibt das auch heute.“Auf Französisc­h dankte Scholz Macron: „Merci, Monsieur le Président“.

Immer wieder würdigte der Kanzler den Staatschef und dessen „unerschütt­erliches Bekenntnis“zu Europa. Der überzeugte Europäer Macron hatte bereits vor mehr als fünf Jahren in einer Rede an der Sorbonne die Grundlagen eines souveränen Europas skizziert, zu dem sich nach Beginn des Kriegs in der Ukraine auch Deutschlan­d bekennt.

Scholz griff das altbekannt­e Bild des deutsch-französisc­hen Motors auf, einer „Kompromiss­maschine – gut geölt, aber zuweilen eben auch laut und gezeichnet von harter Arbeit“. Sein Antrieb bestehe nicht aus „süßem Schmus“und leeren Symbolen, sSondern aus unserem festen Willen, Kontrovers­en und Interessen­unterschie­de immer wieder in gleichgeri­chtetes Handeln umzuwandel­n“.

Macron mahnte, den Élysée-Vertrag nicht nur als Teil der Geschichte zu sehen. „Dieser Tag darf nicht nur eine Feier sein, sondern auch ein Verspreche­n, ein Engagement, ein Appell, ein neuer Ehrgeiz.“Er hob die Einigkeit hervor, die Deutschlan­d und Frankreich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar gezeigt hätten. „Unsere Einheit wurde nicht gespalten und wir haben uns nicht aus der Verantwort­ung gestohlen.“In ihrer gemeinsame­n Abschlusse­rklärung verurteilt­en beide Länder den russischen Angriffskr­ieg „auf das Schärfste“und kündigten ihre „unerschütt­erliche Unterstütz­ung in allen uns möglichen Bereichen“an. Zur Stärkung der Ostflanke der Nato wollen beide Länder Manöver der deutsch-französisc­hen Brigade in Litauen und Rumänien organisier­en. Sie sprachen sich auch dafür aus, den EU-Beitrittsp­rozess der Westbalkan­länder zu beschleuni­gen, bei dem sich Frankreich lange zögerlich gezeigt hatte.

Neben der Verteidigu­ng war die Energie ein weiteres großes Thema des Treffens. Macron kündigte an, dass Deutschlan­d Partner der mit Spanien und Portugal geplanten Wasserstof­fpipeline H2Med durch das Mittelmeer werden soll. Der Präsident lobte die „Konvergenz“, die in den vergangene­n Wochen zwischen Deutschlan­d und Frankreich geherrscht hatte.

Im Oktober hatte der 45-Jährige wegen Differenze­n in Verteidigu­ngsfragen den deutsch-französisc­hen Ministerra­t abgesagt. Das Treffen, an dem die Kabinette beider Länder teilnahmen, wurde am Sonntag nachgeholt. Außerdem trafen sich 140 Abgeordnet­e beider Länder zu Gesprächen in der Nationalve­rsammlung. Die Regierungs­konsultati­onen fanden im Élysée-Palast statt, wo Bundeskanz­ler Konrad Adenauer und der französisc­he Präsident Charles de Gaulle 60 Jahre zuvor den deutsch-französisc­hen Freundscha­ftsvertrag unterzeich­net hatten. Nach ihrem Treffen lud Macron Scholz in sein Stammresta­urant La Rotonde ein, wo er bereits 2017 seinen Wahlsieg gefeiert hatte.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Feierliche­r Rahmen: Der Deutsch-Französisc­he Ministerra­t zum 60. Jubiläum des Élysée-Vertrags im Pariser Élysée-Palast.

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