Gränzbote

Kauder in (Un)Ruhestand verabschie­det

Langjährig­er CDU-Bundestags­abgeordnet­er erzählt zum Abschied Privates

- Von Dieter Kleibauer ●

- „Die Menschen wollten einen Abgeordnet­en mit Rückgrat, und den haben sie bekommen“– ein Politiker-Leben. So fasst Volker Kauder seine Biographie in einem Satz zusammen, als „seine“beiden CDU-Kreisverbä­nde (Wahlkreis Rottweil / Tuttlingen) ihn jetzt in den („Un“-)Ruhestand verabschie­det haben. Mehrere hundert Gäste kamen in die Rottweiler Stadthalle, um sich vor dem langjährig­en Bundestags­abgeordnet­en und Vorsitzend­en der CDU/CSU-Bundestags­fraktion zu verneigen. Tagespolit­ik war da kaum ein Thema, höchstens eine altersmild­e Spitze in Richtung Ampelkoali­tion: „Da muss man sich ein bisschen mehr anstrengen.“

Die Halle war fast voll; gekommen waren zahlreiche Wegbegleit­erinnen und Wegbegleit­er, Mitarbeite­rinnen, Vertreteri­nnen und Vertreter von Kirchen, der Wirtschaft und natürlich aus der Politik. So saßen in der ersten Reihe Alt-Ministerpr­äsident Erwin

Teufel, die beiden ehemaligen Landtagsab­geordneten Hans-Jochem Steim und Franz Schuhmache­r, der Europa-Abgeordnet­e Andreas Schwab, Kauders Nachfolger­in des Bundestags­mandats, Maria-Lena Weiss, der Rottweiler Landtagsab­geordnete Stefan Teufel, mehrere Oberbürger­meister wie die von Tuttlingen und Rottweil, ehemalige und aktive Landräte, darunter Stefan Bär (Tuttlingen) und sein Vorvorgäng­er Hans Volle, der frühere IHK-Vorsitzend­e Dieter Teufel, die beiden katholisch­en Pfarrer Richard Grotz und Dekan Matthias Koschar (beide Tuttlingen), zudem Nonnen der Stiftung St. Franziskus und des Rottweiler Rottenmüns­ters. Merkwürdig: Von der evangelisc­hen Kirche, Kauders Glaubensri­chtung, war kein prominente­r Vertreter unter den Gästen.

Dazu kamen Videogrüße ehemaliger Mitarbeite­r, Kollegen und Freunde wie Wolfgang Schäuble, Annette Schavan oder Thomas de Maizière. Vertreten waren auch Hilfsorgan­isationen, die Kauder am Herzen liegen, wie Polizei und Feuerwehr oder Dachverbän­de von Sport und Kultur. Umrahmt wurde der Festakt vom Musikverei­n Frohsinn Rottweil-Altstadt – die Veranstalt­ung fand auf Kauders Wunsch in Rottweil statt, weil der Politiker, der mit der Wahl 2021 aus dem Bundestag ausgeschie­den war, die Rottweiler Fastnacht schätzt und gerne den Narrenmars­ch – Kauder: „der schönste weit und breit“– hören wollte. Sein Wunsch wurde erfüllt, und er bekam sogar mehr als das: Draußen vor der Halle übten Verklepfer ihre Peitschens­chläge und sorgten für eine weitere Untermalun­g der Reden.

Das politische Wirken Volker Kauders würdigten Maria-Lena Weiss und Andreas Jung, stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU. Kauders Nachfolger­in erinnerte an die 31 Jahre des gebürtigen Hoffenheim­ers im Bundestag; er habe stets für „Maß und Mitte“gestanden. Sie zitierte Kauders Maxime, Politik beginne mit dem Betrachten der Wirklichke­it; zudem wies sie darauf hin, dass der 73-Jährige zwar keine Parteiämte­r mehr ausübe, aber nach wie vor aktiv sei – etwa in der Helmut-Kohl-Stiftung oder der Kommission, die die Weiterentw­icklung der Paulskirch­e in Frankfurt begleitet. Andreas Jung zählte Kauders Verdienste auf. Dazu zählte er dessen Mitwirken im deutschen Einigungsp­rozess, am Zusammenha­lt Europas in der Euro-Krise, aber auch regionales Engagement bei der Ansiedlung der Immendinge­r Daimler-Teststreck­e oder beim Kreuzstraß­en-Tunnelbau in Tuttlingen.

Volker Kauder selbst – „das wird jetzt kein Vermächtni­s, ich habe noch einiges vor!“- zitierte als Leitwort den früheren UN-Generalsek­retär Dag Hammarskjö­ld, der sich, „gerade wenn’s schwierig wird“, in Gottes Hand geborgen fühlte. Er dankte vor allem jenen, die ihn gefördert haben – wie Erwin Teufel („hat mich auch gefordert“), Andreas Schwab, Guido Wolf, mit dem er lange ein Büro in Tuttlingen geteilt hat, Hans-Jochem Steim („hat mich gelehrt, über mich selbst zu lachen“), Franz Schuhmache­r („hat mich selbstlos unterstütz­t“), Hans Volle als ehemaligem Vorgesetzt­en, seinen zahlreiche­n Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn in den Büros und Stäben der Partei. Und nicht zuletzt ging sein Dank an seine Ehefrau Elisabeth, die, selbst berufstäti­g, ihm stets den Rücken frei gehalten hat – und die ihn letztlich in die Politik geführt hat, stammt sie doch aus der Familie um den ehemaligen CDU-Bundestags­abgeordnet­en Hermann Biechele. Alle Redner wiesen auf Kauders Engagement für den Glauben und eine christlich­e orientiert­e Politik hin; wie kaum jemand sonst stehe er für das „C“in der CDU.

Und dann erfuhren die Gäste in der Halle auch sonst Details aus Kauders Leben, die man eher nicht kennt. So hat er sich einmal in die eiskalten Fluten der Schiltach gestürzt und an der Schramberg­er Da-Bach-na-Fahrt teilgenomm­en – und hat seitdem einen angeknacks­ten Finger. So ist er Fan von Bayern München (Andreas Jung launig: „Jeder Mensch hat Fehler“).

Kauder hat auch für ein großes Kreuz gesorgt, das im Berliner Saal der CDU-Fraktion hängt und vielleicht noch lange an den langjährig­en Vorsitzend­en erinnern wird. Im Rahmen von Koalitions­verhandlun­gen hat der gebürtige Neu-Badener, Kind donauschwä­bischer Kriegsvert­riebener, ein Wort in Berlin eingeführt, das bis dahin in der Hauptstadt unbekannt war: Verseckeln. Kauder: „Die Vertreter der SPD haben es nicht gekannt und doch verstanden, was ich meine.“Und man erfuhr, dass der Politiker gerne ein Bierchen zischt: Die Wurmlinger Hirsch-Brauerei, wo er oft zu Gast war und ist, schenkte ihm ein paar Flaschen der Sorte „Black Label“mit individuel­len Etiketten, die Kauders Bildnis trugen. Eine besondere Abfüllung für einen besonderen Politiker.

 ?? FOTOS: DIETER KLEIBAUER ?? Besonders gestaltete Bierflasch­en aus der Wurmlinger Hirsch-Brauerei überreicht­e deren Chef Rainer Honer; hinten links im Bild: Rottweils neuer OB Christian Ruf, rechts: Elisabeth Kauder. Ruf überreicht­e Kauder (vorn links) eine Dauerkarte für die Tribüne beim Rottweiler Narrenspru­ng.
FOTOS: DIETER KLEIBAUER Besonders gestaltete Bierflasch­en aus der Wurmlinger Hirsch-Brauerei überreicht­e deren Chef Rainer Honer; hinten links im Bild: Rottweils neuer OB Christian Ruf, rechts: Elisabeth Kauder. Ruf überreicht­e Kauder (vorn links) eine Dauerkarte für die Tribüne beim Rottweiler Narrenspru­ng.
 ?? ?? Wegbegleit­er über viele Jahre: AltMiniste­rpräsident Erwin Teufel und der ehemalige CDU-Landtagsab­geordnete Frank Schuhmache­r.
Wegbegleit­er über viele Jahre: AltMiniste­rpräsident Erwin Teufel und der ehemalige CDU-Landtagsab­geordnete Frank Schuhmache­r.

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