Die Krux mit dem Schnee
Abseits der bayerischen Alpen gehört der Feldberg zu den größten Wintersportgebieten Deutschlands. Millionen Euro sollen die Skipisten vor Schneemangel und Klimaveränderungen retten.
- Eine kurze Unterhaltung in einem Restaurant, bei dem am Feldberg das Skigebiet anfängt. „Endlich mal Schnee“, freut sich die Wirtin nach einem Blick durchs Fenster. Tatsächlich: Draußen wirbeln Flocken durch einen eisigen Wind. Schneefall ist ein Sehnsuchtsereignis – in den Alpen wie hier im Hochschwarzwald. Doch die Freude der Wirtin erhält umgehend einen brutalen Dämpfer. „Schau’ doch auf den Wetterbericht. Morgen regnet es deine weiße Pracht gleich wieder weg. Am besten machst du bis zum Frühjahr zu“, lästert ein Mann in Handwerkerkluft, der am Tresen Kaffee schlürft.
Die zufällig mitgehörten Worte fielen im ersten Januardrittel – also in einer für Schneefreunde tief depressiven Zeit. Für sie haben inzwischen Tiefdruckgebiete und frostige Temperaturen im Bergland einiges zum Besseren gewandelt. Auch der Hochschwarzwald hat ein kräftiges weißes Antlitz erhalten. Doch das Grundproblem für Seilbahnbetreiber, Hotels oder Gastronomie bleibt: Der Schnee kommt vor allem zur wirtschaftlich so wichtigen Weihnachtszeit nicht mehr wie bestellt. Am Feldberg war am Boden bis weit in den Januar hinein meist Fehlanzeige: null Zentimeter. Dabei hatte die Gegend einst einen Ruf als Schneeloch.
Naheliegend ist, dass die meteorologische Misere speziell auf niedrig gelegene Skigebiete Auswirkungen hat. Klimaforscher sind längst beim Abgesang auf solche Gebiete. „Ihre Anzahl wird sich bis zur Mitte des Jahrhunderts deutlich verringern“, prognostiziert etwa Maximilian Witting von der Uni München.
Auch das Skigebiet am Feldberg gehört in die niedrig gelegene Kategorie – selbst wenn der auf 1493 Metern gelegene Gipfel gerne als höchste Erhebung Baden-Württembergs gefeiert wird. Die Pisten erstrecken sich aber weiter unterhalb, gehen gerade von 950 bis 1450 Meter. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass diese Wintersportarena abseits der bayerischen Alpen zu den größten in Deutschland gehört. 30 Kilometer Abfahrten sind vorhanden. 14 Lifte und Sesselbahnen erschließen sie. Was selbst im Oberallgäu schon eine bedeutende Hausnummer wäre. Zumal einige Pisten höchst rasant sind – und zwar jene in Richtung des Weilers Fahl. Eine von ihnen war bis zur Jahrtausendwende sogar Schauplatz von Weltcuprennen.
Beim Feldberg redet man also nicht nur über die Zukunft einiger banaler Schlepplifte am Anfängerhang wie man es beispielsweise von der Schwäbischen Alb her kennt. Hier steht ein gewichtiger Teil der regionalen ökonomischen Grundlage auf dem Spiel. Zum einen dreht es sich um Arbeitsplätze. Zentral ist dabei der von hiesigen Kommunen getragene Liftverbund Feldberg. In ihm sind einige Mini-Skigebiete und eben der regionale Pistengigant als Krönung des Hochschwarzwalds zusammengeschlossen.
Der Liftverbund nimmt für sich in Anspruch, dass fast 2000 Jobs von seinem Wintersportbetrieb abhängen – vom Bügelhalter am Schlepplift-Einstieg über den Imbissbudenbetreiber bis hin zum Techniker für künstliche Beschneiung oder Skilehrer.
Ebenso eindrucksvoll erscheinen weitere Zahlen. Der Liftverbund erzielte in der vergangenen Skisaison einen Umsatz von über neun Millionen Euro. Die magere Corona-Zeit ausgeklammert, wurden zuletzt pro Jahr bis zu 400.000 angereiste Wintersportler gezählt. Sie sollen laut Schätzungen jeweils für eine regionale Wertschöpfung von rund 100 Millionen Euro gesorgt haben. Dies hat Gewicht in einem Landstrich, der vor allem vom Tourismus lebt.
Den Hintergrund des winterlichen monetären Erfolgs erläutert Feldbergs Bürgermeister Johannes Albrecht, der zugleich Vorsitzender des Liftverbunds ist: „Im Schnitt gibt ein Skifahrer vier- bis fünfmal so viel Geld aus wie ein Sommergast.“Eine durchaus nachvollziehbare Rechnung. Abgesehen von einer möglichen Übernachtung muss er unter anderem ein Billet für die Lifte bezahlen. Die Tageskarte ist gegenwärtig nach einem neu eingeführten flexiblen Preissystem ab 39 Euro zu haben. Womöglich leiht sich der Wintersportfreund Skier oder bucht einen Skikurs. Die Kinder wollen zur Mittagszeit in einem Pistenrestaurant Pommes. Und beim feucht-fröhlichen Après-Ski-Treiben dürfte der Griff auch eher zu kostspieligem Alkohol
als zu billigem Mineralwasser gehen.
Finanziell schlecht also, wenn der Wintersport flachfällt – wie eben jüngst während der besinnlichen Tage um Weihnachten herum. Dies sei üblicherweise die Zeit, „in der wir ein Drittel unseres Winterumsatzes machen“, wie Bürgermeister Albrecht betont.
Anscheinend standen bloß Hotels der gehobenen Kategorie auf der Gewinnerseite. So der Feldberger Hof, laut Eigenwerbung Familienspezialist. Dessen Chef Thomas Banhardt sagte Medien zum Jahreswechsel, er sei ausgebucht. Ein Umstand, den er damit erklärt, dass sein Hotel Gäste auch abseits des Skifahrens beschäftigen kann: in erster Linie durch eine
Halle mit Indoor-Spielplatz, Hochseilgarten und sonstigen Freizeitbelustigungen.
Wer hingegen als Gästeherberge auf Skifahrer setzte, musste während der Weihnachtszeit mit Stornierungen zurechtkommen, ergaben Umfragen. Auch anderswo klingelten die Kassen nur leise bis gar nicht. Achim Isele, am Feldberg Betreiber eines Lebensmittel- und Souvenirmarkts, spricht von „50 Prozent weniger Umsatz“. Im benachbarten Sportgeschäft jedoch
mit angeschlossenem Skiverleih berichtete Verkäufer Linus Laber Anfang Januar: „Es läuft nichts.“Eine Aussage, die während des besagten schneefreien Zeitraums naturgegeben ebenso auf die Geschäftslage des Liftverbunds zutrifft.
Was aber tun? Himmlische Schneehilfe für ein besseres Weihnachtsgeschäft dürfte auch künftig nur eine frohe Hoffnung sein. Dazu die Statistik des Deutschen Wetterdienstes. Sie legt nahe, dass es inzwischen tendenziell erst im Laufe des Januars ausreichend schneit. Das Resümee der Meteorologen: „Die Wintersportsaison verkürzt sich.“Zumal auch ihr Ende rascher kommt. Im März und April gemahnen die Temperaturen manchmal schon an den Frühsommer. Ein schneereicher Winter von Dezember bis nach Ostern existiert demnach meist nur noch in der Erinnerung längst ergrauter Skiveteranen.
Kapitulieren möchte man im Hochschwarzwald vor dem Wetter aber nicht. Investitionen sollen die Lage retten. Der Liftverbund will rund 30 Millionen Euro ausgeben, um das Skigebiet am Feldberg attraktiv zu halten. In anders lautenden Informationen könnten es auch bis zu 50 Millionen Euro sein.
Eines der Mittel, um die Zukunft zu retten, sind Modernisierungen der Lifte. Hauptprojekt ist der Neubau einer 10er-Kabinenbahn am Seebuck, einer Kuppe vor dem eigentlichen Feldberg im höchstgelegenen Teil des Skigebiets. Ein alter Sessellift soll dafür weichen.
Das Kabinenbahn-Projekt dient dem Liftverbund gleichzeitig als Leuchtturm für die breitere touristische Aufstellung der Region: auch für Frühjahr, Sommer und Herbst gedacht. Des Weiteren wird sie laut Plan barrierefrei gebaut – tauglich für Rollstuhlfahrer, Rollatorbenutzer oder einfach gebrechliche Menschen. Ein Hinweis, auf den der Liftverbund „wegen der Alterung der Gesellschaft“viel Wert legt.
Jeder mögliche Kunde müsse sich am Feldberg wiederfinden können, wurde bereits von Julian Probst bekräftigt. Sein Job ist die Geschäftsführung der Feldbergbahnen GmbH, jüngst gegründet, um das Gebiet besser zu vermarkten. Erwartbar frohlockt er, dass der Feldberg „zum Ganzjahresgebiet weiterentwickelt wird“. Prinzipiell ist er dies aber schon. Der Löwenanteil der Besucher kommt in der wärmeren Jahreszeit. Neben Wandern ist Mountainbiking ein großes Thema. Auch hierfür sind Investitionen angedacht.
Wobei die Schwarzwälder nicht die einzigen Mittelgebirgler sind, die ihren Tourismus angesichts der Klimaveränderungen mit dem Griff in die Kasse pflegen wollen. Das Skigebiet Mitterdorf im Bayerischen Wald gibt zur Aufrüstung 20 Millionen Euro aus – auch im Hinblick auf eine Sommertauglichkeit der Destination. Besonders erfreut ist man dort über eine Hilfestellung aus München. Die bayerische Staatsregierung zahlt ein Viertel der Summe.
Von so etwas träumen auch die Verantwortlichen am Feldberg – in diesem Fall mit Blick auf Stuttgart. Doch das von der CDU-Politikerin Nicole Hoffmeister-Kraut geführte Wirtschaftsministerium gibt sich zurückhaltend. Der Grund dafür liegt eher abseits von neuen Bergbahnkonzepten. Der Liftverbund will nämlich etwas, das inzwischen bei vielen Zeitgenossen als Todsünde gilt: den Ausbau der künstlichen Beschneiung.
Bisher kann am Feldberg ein knappes Drittel der Pisten maschinell beschneit werden. Rund 100 Geräte stehen bereit. Zwei Wasserspeicher mit zusammen 8600 Kubikmeter Inhalt versorgen sie. Viel zu wenig, befindet der Liftverbund. Der genannte Grund: Die Zahl der für eine technische Beschneiung nötigen kalten Tage nimmt ab, gleichzeitig fehlt das Wasser, um in der kurzen eisigen Zeit all die Schneekanonen auf Hochtouren laufen zu lassen. Fällt nichts vom Himmel, bleibt das Gros der Pisten deshalb grün-braun.
Ein neuer Wasserspeicher mit bis zu 180.000 Kubikmetern Inhalt könnte dies aber ändern, glauben die örtlichen Skistrategen. Eine Forderung, die Umweltschützer reizt. Das Wasser für die künstliche Beschneiung müsste vom Tal heraufgepumpt werden, das steigert die Aufgeregtheit zusätzlich. „Das geht gar nicht“oder „kompletter Unsinn“sind Reaktionen aus Kreisen von Ökoverbänden. Der BUND attestiert eine „zerstörerische Wachstumsspirale“.
Gegner von Schneekanonen halten diese wegen ihres Wasser- und Stromverbrauchs für einen Umweltfrevel. Mit Blick auf das Feldberg-Gebiet stören sich Ökoaktivisten zudem an einer „künstlich ausgedehnten Skisaison“. Sie fremdeln selbst mit dem Ausbau für einen Ganzjahresbetrieb. „Noch mehr Menschen auf den Berg zu bringen, ist sowohl ökologisch wie ökonomisch eine komplette Fehlentwicklung“, sagt der für den Landesnaturschutzbund tätige Feldberger Michael Schäfer zu den Ausbauplänen.
Was aber von den Projekten überhaupt kommen könnte, ist unklar. Es gibt noch nicht einmal einen Planfeststellungsprozess. Aktuell hat sich aber die Stimmung am Feldberg wegen des aktuellen Schneefalls spürbar verbessert. Motto: Die nächsten Wochen müssen die Wintersaison retten. Das sind die Fasnetsferien, dazu noch Gäste aus Nachbarländern, die traditionell den Februar für einen Feldberg-Aufenthalt nutzen.
Inzwischen werden immerhin 17 bis 22 Zentimeter Schnee gemeldet, sechs Lifte laufen und 8,4 Kilometer Piste sind präpariert. Dies betrifft den oberen, eher flacheren Bereich des Gebiets. Zum Leidwesen ambitionierter Brettlfans gilt dies aber nicht für die rasanten Abfahrten. Sie liegen am tiefsten Punkt des Wintersportgebiets.
„Im Schnitt gibt ein Skifahrer vier- bis fünfmal so viel Geld aus wie ein Sommergast.“Feldbergs Bürgermeister Johannes Albrecht, zugleich Vorsitzender des Liftverbunds