Gränzbote

SPD vollzieht Kehrtwende in der Russlandpo­litik

Kanzlerpar­tei räumt außenpolit­ische Fehler in der Vergangenh­eit ein und sieht Führungsro­lle für Deutschlan­d

- Von Michael Fischer ●

(dpa) - Eine Führungsro­lle Deutschlan­ds in der Welt, Militär als Mittel der Friedenspo­litik und Kehrtwende im Verhältnis zu Russland: Die SPD will ihre Außen- und Sicherheit­spolitik auf dem Parteitag im Dezember neu aufstellen. Die Kommission Internatio­nale Politik der Partei legte am Montag ein erstes Konzept dafür vor, in dem auch Fehler in den letzten Jahrzehnte­n eingeräumt werden – gerade, was die Russlandpo­litik angeht. Die Zeitenwend­e im Zuge des Kriegs in der Ukraine zeige, „dass wir Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre nicht immer richtig eingeschät­zt haben“.

Das Konzept der Parteikomm­ission mit dem Titel „Sozialdemo­kratische Antworten auf eine Welt im Umbruch“wurde am Montag von Parteichef Lars Klingbeil im Parteipräs­idium und auf einer Pressekonf­erenz vorgestell­t. Klingbeil hatte die Debatte über eine Neuausrich­tung demokratis­cher Außenpolit­ik bereits im vergangene­n Jahr mit zwei Grundsatzr­eden angestoßen. Darin hatte er gefordert, dass Deutschlan­d den Anspruch einer „Führungsma­cht“verfolgen und das Militär als ein Mittel der Politik verstehen sollte. Außerdem räumte er eine Reihe von Fehlern

der SPD in der Russlandpo­litik ein. All das findet sich jetzt in dem 21seitigen Kommission­spapier wieder, wenn auch in veränderte­r Form.

Klingbeils Begriff der „Führungsma­cht“taucht in dem Papier nicht auf, er war beim linken Flügel der Partei auf Vorbehalte gestoßen. Dafür ist nun von einer deutschen „Führungsro­lle“die Rede. „Ein kooperativ­er Führungsst­il ist ein moderner Führungsst­il und die Antwort auf eine Welt im Umbruch“, heißt es.

Inwieweit Deutschlan­d auch militärisc­h eine Führungsro­lle übernehmen sollte, ist in der SPD umstritten.

Das wird aktuell in der Diskussion über Waffenlief­erungen in die Ukraine deutlich. Viele in der Partei setzen auf einen zurückhalt­enden Kurs, allen voran Fraktionsc­hef Rolf Mützenich. Die Parteikomm­ission benennt nun das Militär als Mittel der Friedenspo­litik: „Zu einer wirkungsvo­llen Friedenspo­litik gehören neben Diplomatie und einer engagierte­n Entwicklun­gspolitik auch die militärisc­hen Fähigkeite­n unserer Sicherheit­sund Verteidigu­ngsbündnis­se.“

Das Papier enthält ein klares Bekenntnis zum Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s in die Verteidigu­ng zu investiere­n. Bis zum Ukraine-Krieg war das noch undenkbar. Es ist gar nicht so lange her, dass ein SPD-Außenminis­ter Sigmar Gabriel das Ziel mit der Warnung vor einem „Militärbul­len“in der Mitte Europas ablehnte. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei.

Auch vorbei sind die Zeiten, in denen die SPD die Partnersch­aft mit Russland gepflegt hat. Im immer noch gültigen Grundsatzp­rogramm der Partei von 2007 wird die strategisc­he Partnersch­aft mit Russland als „unverzicht­bar“für Deutschlan­d und die Europäisch­e Union bezeichnet. Und selbst im Wahlprogra­mm der SPD von 2021 heißt es noch: „Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.“Nun wird dieser Satz ins Gegenteil gedreht: „Solange sich in Russland nichts fundamenta­l ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisier­t werden müssen.“

Die SPD-Kommission distanzier­t sich in dem Kommission­spapier auch grundsätzl­ich von der Russland-Strategie, die sie über viele Jahre verfolgt hat. „Das Festhalten an der Annahme, mit immer stärkeren wirtschaft­lichen Verflechtu­ngen langfristi­g zu einer Demokratis­ierung und Stabilisie­rung Russlands beizutrage­n, war ein Fehler.“

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Lars Klingbeil, SPD-Bundesvors­itzender, bei der Pressekonf­erenz im Willy-BrandtHaus. Die SPD-Spitze will eine Neuausrich­tung ihrer Außenpolit­ik beraten.

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