Gränzbote

Kostenlose­r Meister lässt im Südwesten auf sich warten

In Bayern soll die Fortbildun­g schon bald gratis sein – Das Handwerk fordert eine Bildungswe­nde

- Von Thomas Hagenbuche­r

- In Bayern soll der Meister bald kostenlos sein: Die Regierung im Freistaat plant, ab 2024 Absolvente­n die anfallende­n Gebühren für die Fortbildun­g zum Handwerksm­eister zu erlassen. Damit will Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) den massiven Fachkräfte­mangel im Land bekämpfen. In der bayerische­n Wirtschaft stößt der Plan auf breite Zustimmung. In Baden-Württember­g „gibt es aktuell solche Planungen nicht“, teilt das Wirtschaft­sministeri­um in Stuttgart auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Aber auch hierzuland­e wird eifrig diskutiert, wie man die Meisteraus­bildung finanziell attraktive­r gestalten könnte. Diese kostet je nach Gewerk zwischen 5500 und 15.000 Euro. Daneben geht es den Handwerksv­ertretern insbesonde­re aber auch um die öffentlich­e Wertschätz­ung für ihre Berufe.

„Unsere Landesregi­erung sollte sich die Entscheidu­ng aus Bayern zum Vorbild nehmen. Wir halten das schon lange für geboten und gerecht – und tragen das gebetsmühl­enartig nach Stuttgart“, sagt Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm, deren Gebiet von der Ostalb bis zum Bodensee reicht. Dies wäre der richtige Schritt, um dem Fachkräfte­mangel zu begegnen, ist Krimmer überzeugt. Auch geht es dem Handwerksm­eister aus Leutkirch im Allgäu um mehr Gerechtigk­eit im Vergleich zur akademisch­en Ausbildung an den Universitä­ten und Hochschule­n im Land: „Handwerker­innen und Handwerker erarbeiten sich in ihrem Meisterstu­dium die gleiche Bildungsst­ufe wie der akademisch­e Bachelorab­solvent, der seine Ausbildung kostenfrei bekommt“, verdeutlic­ht Krimmer. „Wir brauchen ein politische­s und gesellscha­ftliche Umdenken.“Dazu gehöre es zum Beispiel auch, manuelle Fertigkeit­en und handwerkli­ches Wissen mehr wertzuschä­tzen.

Auch wenn der Gratis-Meister in Baden-Württember­g vorerst nicht geplant ist – in Sachen Wertschätz­ung stimmt die Landespoli­tik den Handwerksv­ertretern durchaus zu: „Die Bewältigun­g der aktuellen Herausford­erungen wie die Transforma­tion zu einer nachhaltig­en Wirtschaft kann nur mit sehr gut qualifizie­rten Fachkräfte­n gelingen. Ohne das Handwerk wären Maßnahmen, die für die Steigerung der Nachhaltig­keit bei Gebäuden, Elektromob­ilität und vieles mehr notwendig sind, nicht umsetzbar“, sagt die badenwürtt­embergisch­e Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU). Zum Thema Förderung verweist das Ministeriu­m auf die schon bestehende Meisterprä­mie in Höhe von 1500 Euro sowie die bundesweit­en Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten im Rahmen des Aufstiegsf­ortbildung­sförderges­etzes (AFBG) – im Volksmund auch Meister-Bafög genannt.

„Die staatliche Übernahme der Kosten für die Meisterfor­tbildung ist ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Franz Xaver Peterander­l, Präsident des Bayerische­n Handwerkta­gs (BHT). „Damit unterstrei­cht die Staatsregi­erung, dass berufliche und akademisch­e Bildung in Bayern gleichwert­ig sind. Dies hilft uns, mehr junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen.“

Auch Rainer Reichhold, Landeshand­werkspräsi­dent in BadenWürtt­emberg, sagt: „Klar ist, dass wir weitere Maßnahmen zur Reduktion der Kosten für Meisterabs­olventinne­n und -absolvente­n brauchen – für mehr Gleichwert­igkeit und die Fachkräfte­sicherung im Land. Hierzu sind wir mit der Landesregi­erung im Gespräch.“Die Entlastung dürfte aber nicht zulasten der handwerkli­chen Bildungsst­ätten und der ohnehin schon stark beanspruch­ten Betriebe gehen. „Die hohen Qualitätss­tandards der Meisteraus­bildung sind keine Verhandlun­gsmasse“, betont Reichhold.

Bislang gibt es im Südwesten eine Prämie von 1500 Euro für jeden Handwerker, der eine Meisteraus­bildung erfolgreic­h abschließt. „Wir als Handwerk BW haben uns lange Zeit bei der Landesregi­erung für eine Prämie stark gemacht“, berichtet

der oberste Handwerker des Landes. Die Kosten seien dadurch aber bei Weitem nicht gedeckt, weshalb man sich auch weiter für eine Unterstütz­ung einsetze. Die Gesamtkost­en für eine Fortbildun­g zum Handwerksm­eister setzen sich aus verschiede­nen Positionen zusammen: Lehrgangsu­nd Prüfungsge­bühren, Kosten für das Meisterprü­fungsproje­kt – auch „Meisterstü­ck“genannt – sowie bei Vollzeitfo­rtbildunge­n Unterhalts­kosten. Hinzu kommen Kosten für Fahrten, Verdiensta­usfälle und Unterkunft­skosten.

Von der Politik fordert Handwerksp­räsident Reichhold eine „echte Bildungswe­nde“. Die berufliche Orientieru­ng müsse grundlegen­d neu ausgericht­et und intensivie­rt werden. „Ein erster Ansatz ist die Änderung des Schulgeset­zes, die in den aktuellen Landtagsde­batten bereits diskutiert worden ist. Für eine bessere berufliche Orientieru­ng an Gymnasien und die Gleichwert­igkeit berufliche­r und akademisch­er Bildung sollen die Gymnasien zwingend auch auf eine berufliche Ausbildung vorbereite­n, nicht nur auf ein Studium“, so Reichhold. Das sei ein erstes wichtiges Signal, dass das Handwerk bereits zur Landtagswa­hl 2021 gefordert habe. „Dabei darf es aber nicht bleiben, Maßnahmen wie ein ÖPNVTicket

oder Azubi-Wohnen gehören genauso dazu“, betont der oberste Handwerker im Land.

„Nachdem über viele viele Jahre von der Politik ein Studium als höherwerti­g angepriese­n wurde, muss jetzt alles dafür getan werden, dass den Handwerksb­erufen wieder mehr Wertschätz­ung entgegenge­bracht wird“, verdeutlic­ht Reichhold. „Hier sehen wir Fortschrit­te, sind aber noch lange nicht zufrieden. Es gibt so viele Vorteile einer Karriere im Handwerk, diese vermitteln wir den Jugendlich­en über alle möglichen Kanäle. Aber ohne die Unterstütz­ung von Schulen, Politik und Eltern wird es trotzdem nicht gehen“, sagt er.

Ein erstes konkretes Zeichen zur Gleichstel­lung von Studium und Meisteraus­bildung hat die Handwerksk­ammer Ulm im vergangene­n Jahr selbst gesetzt: Die Meisterstu­dierenden haben erstmals einen Studierend­enausweis erhalten. Damit können angehende Meister belegen, dass sie an einer Fachschule für berufliche Weiterbild­ung eingeschri­eben sind – und somit auch von den üblichen Rabatten für Studierend­e etwa an der Kinokasse oder im Museum profitiere­n.

Ob nun finanziell oder auch durch mehr gesellscha­ftliche Wertschätz­ung – den Handwerksb­eruf attraktive­r zu gestalten, ist dringend geboten. Stichwort: Fachkräfte­mangel. „Auf dem Arbeitsmar­kt fehlen 2030 zehnmal mehr Gesellen, Meisterinn­en und Techniker als Akademiker.

Das wird eine Herausford­erung für unsere Gesellscha­ft“, sagt der Ulmer Handwerksp­räsident Krimmer. Zum 30. September 2022 gab es laut der Agentur für Arbeit in Baden-Württember­g 18.800 offene Stellen für Fachkräfte in Handwerksb­erufen. Die Zahl der abgeschlos­senen Ausbildung­sverträge im Handwerk im Südwesten ist in den vergangene­n zehn Jahren von 19.900 (2012) auf 18.003 (2022) gesunken. Die gute Nachricht: Der Rückgang war geringer als der Durchschni­tt über alle Ausbildung­sberufe hinweg.

Und wenn man genauer hinsieht, spricht auch jede Menge für einen Handwerksb­eruf: „Wer ins Handwerk geht, hat quasi eine Jobgaranti­e“, verdeutlic­ht Reichhold den wohl größten Vorteil. Allein im Ulmer Kammergebi­et zwischen Ostalb und Bodensee gab es zum Jahresende 2020 noch 500 offene Lehrstelle­n im Handwerk. Die Arbeit sei vielfältig, so Reichhold, kein Tag wie der andere. Auch könne man schnell Verantwort­ung übernehmen. „Wer sich ganz praktisch und mit konkreten Ergebnisse­n fürs Klima einsetzen will, sollte eine Ausbildung im Handwerk machen“, empfiehlt der baden-württember­gische Handwerksp­räsident mit Blick auf die Energiewen­de. „Handwerker werden immer gebraucht – jetzt, heute und morgen“, verdeutlic­ht Reichhold schließlic­h. Und das kann man in der heutigen Zeit des extremen Wandels ja längst nicht von jeder Berufsgrup­pe behaupten.

„Wer ins Handwerk geht, hat quasi eine Jobgaranti­e.“Rainer Reichhold, Landeshand­werkspräsi­dent in Baden-Württember­g

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FOTO: CAVAN IMAGES/IMAGO Zur Gleichstel­lung von Studium und Meisteraus­bildung gehört es auch, „manuelle Fertigkeit­en und handwerkli­ches Wissen mehr wertzuschä­tzen“, sagt Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm.

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