Gränzbote

Die eigenen Eltern aus Hass erstochen

Lange Haftstrafe­n für Tochter und ihren Freund nach Doppelmord von Mistelbach in Oberfranke­n

- Von Kathrin Zeilmann

(dpa) - Der Hass auf die eigenen Eltern gipfelte in zwei brutalen Morden: Im Prozess um den Doppelmord von Mistelbach sind die beiden Angeklagte­n schuldig gesprochen worden. Ein 19-Jähriger wurde am Montag vor dem Landgerich­t Bayreuth zu einer Jugendstra­fe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er war der Freund der ältesten Tochter des Arzt-Ehepaars, das vor etwa einem Jahr in einem Dorf bei Bayreuth brutal erstochen worden war. Auch die Tochter selbst ist wegen Mordes verurteilt worden – zu neuneinhal­b Jahren Jugendstra­fe.

Die Jugendkamm­er sah die 17-Jährige als treibende Kraft der Tat, obwohl ihr Freund zugestoche­n hatte und sie nicht am Tatort war. „Sie handelte aus Hass auf ihre Eltern“, sagte die Vorsitzend­e Richterin Andrea Deyerling. Beide Eltern sollten aus dem Weg geräumt werden. „Sie ist die Initiatori­n dieser Tat.“Ohne sie wäre es nie zu den Morden gekommen.

Die Juristin umriss die Dimension der Tat: „eine Tragödie, eine Katastroph­e“. Das ermordete Ehepaar, ein 51 Jahre alter Kinderarzt und eine 47 Jahre alte Medizineri­n, hinterläss­t neben der nun verurteilt­en Tochter noch drei jüngere Kinder. Die Tat bleibe unfassbar, sagte Deyerling, und habe viel Leid über viele Menschen gebracht. „In diesem Saal sind noch nie so viele Tränen geflossen“, blickte sie auf die 14 Verhandlun­gstage zurück, bei denen die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen worden war.

Die Kammer zeichnete in der Urteilsbeg­ründung detaillier­t nach, wie es zu dem brutalen Mord kam: Demnach behauptete die Angeklagte immer wieder, die Eltern würden sie schlecht behandeln und schlagen. Sie und ihr Bruder hätten sogar Suizidgeda­nken.

Doch tatsächlic­h habe es anders ausgesehen, die Behauptung­en des Mädchens seien widerlegt worden, sagte die Richterin: Die Eltern seien überforder­t gewesen mit ihrer schulschwä­nzenden Teenager-Tochter, hätten sogar das Jugendamt um Hilfe gebeten. Es sei so weit gekommen, dass die Mutter einen Selbstvert­eidigungsk­urs machen wollte, weil sie Angst vor Auseinande­rsetzungen mit ihrer ältesten Tochter hatte. Die heute 17-Jährige habe gegenüber Freunden und Geschwiste­rn immer wieder kundgetan, dass sie ihre Eltern tot sehen wollte.

Der Angeklagte war wenige Wochen vor der Tat zu seiner Freundin gezogen, er war zu Hause rausgeflog­en. Die Familie habe ihn freundlich aufgenomme­n, sogar auf dem Weihnachts­gruß der Familie sei er mit fotografie­rt gewesen, hieß es weiter. Dennoch glaubte er den Schilderun­gen seiner Partnerin, dass die Eltern sie schlagen würden. Die Jugendlich­e habe erkannt, dass er leicht manipulier­bar sei, sagte Deyerling: „Er war bereit, alles für sie zu tun.“

Als ihr Freund in der Nacht zum 9. Januar 2022 vor ihr stand – mit Sturmhaube, Stirnlampe und mit dem Messer in der Hand, soll die heute 17-Jährige gesagt haben: „Du siehst echt sexy aus.“Im Schlafzimm­er der beiden Eltern stach er schließlic­h brutal zu – eine Vielzahl von Stichen, die sogar durch Knochen hindurchgi­ngen, traf die beiden Opfer. Sie starben noch am Tatort. Derweil blieb das Mädchen in der oberen Etage. Als ein Bruder durch die Schreie der Mutter geweckt wurde, hielt er ihn davon ab, einzuschre­iten oder Hilfe zu holen.

Das junge Paar hatte beschlosse­n, nach der Tat zu fliehen. Zu Fuß ging es nach Bayreuth, weil sie das Familienau­to nicht aus der Garage bekamen. Dort stellte sich der nun verurteilt­e Täter schließlic­h der Polizei. Seine Freundin hielt er lange heraus, gab an, aus einer Aggression­sstörung heraus gehandelt zu haben. Erst später räumte er ein, dass sie ihn angestifte­t hatte.

Das Mädchen jedoch stritt eine Beteiligun­g an der Tat laut Jugendkamm­er weiterhin ab. Ihr Verteidige­r hatte in den Plädoyers einen Freispruch verlangt. Sie habe geschlafen und sei selbst erst durch die Schreie erwacht, hatte sie demnach erklärt. Das sei aber alles durch Zeugenauss­agen des Bruders widerlegt, sagte die Richterin. Eineinhalb Stunden dauerte die Urteilsbeg­ründung, die nun verurteilt­e Täterin blickte meist direkt nach vorne. „Die Eltern wurden getötet, die Geschwiste­r wurden zu Vollwaisen“, fasste Deyerling zusammen. Und blickte dem Mädchen ebenso fest in die Augen.

„Sie ist die Initiatori­n dieser Tat.“Die Vorsitzend­e Richterin Andrea Deyerling zu der 17-jährigen Tochter

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