Gränzbote

Europas Raketen werden zu Spätzünder­n

Raumfahrtb­ehörde Esa hat viele Probleme und Pannen mit ihren Trägerrake­ten – Ariane 6 fliegt mit großer Verspätung erst Ende des Jahres ins All

- Von Rachel Boßmeyer ●

(dpa) - Die neue europäisch­e Trägerrake­te Ariane 6 soll erst Ende des Jahres starten, der erste kommerziel­le Flug der kleineren Vega C ging kürzlich schief. Um die europäisch­en Trägerrake­ten ist es derzeit nicht gut bestellt. Aber was heißt das für die europäisch­e Raumfahrt? Droht Europa weiter abzufallen?

„Wir sind in einer ernsthafte­n Krise des europäisch­en Trägerrake­ten-Sektors“, teilte die europäisch­e Raumfahrta­gentur Esa mit. Esa-Chef Josef Aschbacher sagte am Montag in Paris: „Ab Mitte dieses Jahres haben wir keinen garantiert­en Zugang Europas zum All mit europäisch­en Trägerrake­ten und das ist für uns alle ein riesiges Problem.“

Der Esa zufolge habe diese Krise vor knapp einem Jahr begonnen, als Russland entschied, seine Sojus-Raketen vom europäisch­en Weltraumba­hnhof in Kourou in Französisc­hGuayana abzuziehen. Es folgten Verzögerun­gen bei der Ariane 6, die nun im letzten Quartal des Jahres erstmals starten soll – und damit drei Jahre später als ursprüngli­ch geplant. Ende Dezember reihte sich dann der gescheiter­te erste kommerziel­le Flug der Vega C in die Liste der Probleme ein.

Was genau bei dem Flug schieflief, als die Rakete nur wenige Minuten nach dem Start von ihrem Kurs abkam, soll eine Expertenko­mmission ergründen. Raketenbet­reiber Arianespac­e hatte von einem Problem beim Triebwerk Zefiro 40 und einem Druckabfal­l gesprochen. Erste Ergebnisse der Kommission soll es im Februar geben. Er sei bereit, dann zügig zu handeln, sagte Esa-Chef

Aschbacher. „Ich glaube, dass wir relativ starke Maßnahmen treffen müssen, was die Qualitätsk­ontrolle betrifft.“Aschbacher verwies auch auf die zwei Fehlstarts, die es 2019 und 2020 mit der Vega, dem Vorgängerm­odell der Vega C, gegeben hatte.

Eigentlich sollten in diesem Jahr drei bis vier Vega-C-Raketen an den Start gehen, wie Arianespac­e mitteilte. Abhängig von dem Ergebnis der Untersuchu­ngskommiss­ion werde man diese Starts verwalten: Je nach Masse der Satelliten sei es zumindest theoretisc­h möglich, die Flugkörper mit der Vega ins All zu befördern.

Vega C und Ariane 6 sollen Europas Raumfahrt wettbewerb­sfähiger machen und sind daher enorm wichtig. Die Ariane 6 ist das Nachfolgem­odell der Ariane 5, die seit 1996 im Einsatz ist. Die Vega C ist eine Weiterentw­icklung der Vega-Rakete, die seit 2012 leichte Satelliten ins All bringt.

Angesichts der Probleme sei Europas Zugang zum All „kurz gefährdet“, schätzt Aschbacher. Es gebe jedoch die finanziell­en Mittel, das Problem anzugehen und zu lösen. Von der Esa hieß es, sobald Ariane 6 und Vega C flögen, seien sie perfekt auf die Bedürfniss­e der europäisch­en Institutio­nen abgestimmt. Der Zugang zum All stehe nicht auf dem Spiel. „Die kurzfristi­ge Priorität ist es, den Jungfernfl­ug der Ariane 6 und eine sichere, zügige und robuste Rückkehr der Vega C zum Fliegen schnell und verlässlic­h abzusicher­n.“

Notwendig ist das für die Esa auch, weil etwa der Erdbeobach­tungssatel­lit Sentinel-1C, der mit Radartechn­ik Tag und Nacht Bilder von der Erdoberflä­che liefern soll, im Mai oder Juni an Bord einer Vega C in den Weltraum gebracht werden soll. Andere Missionen sind noch mit den letzten Ariane-5-Raketen geplant.

Die Sonde Euclid hingegen, die ursprüngli­ch mit einer Sojus-Rakete ins All fliegen sollte und eine 3DKarte des Universums erstellen soll, wird diesen Sommer mit einer Falcon 9 des US-Raumfahrtu­nternehmen­s SpaceX abheben. Mit der russischen Sojus hätten ebenso Satelliten für das Satelliten­navigation­ssystem Galileo ins All gesollt.

Laut Esa wird dafür zwar die Ariane 6 als Trägerrake­te bevorzugt, aber auch nichteurop­äische Raketen würden der Kontinuitä­t halber in Betracht gezogen.

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FOTO: MANUEL PEDOUSSAUT/ESA/DPA Die Startrampe der Ariane 6 auf dem europäisch­en Weltraumba­hnhof in Französisc­h-Guayana beherbergt nun zum ersten Mal ein vollständi­g montiertes Exemplar der neuen Trägerrake­te der Esa.

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