Gränzbote

Pompöser als gedacht

Die Krönung von Charles III. im Mai wird nun doch spektakulä­r ausfallen

- Von Sebastian Borger

- Also doch. Viel war nach dem Tod Elizabeths II. von der schlankere­n Monarchie und einer dementspre­chend abgespeckt­en Krönungsfe­ier die Rede. Zu Jahresbegi­nn scheinen Königshaus und Monarchie den von Inflation, Streiks und knirschend­em Gesundheit­swesen gebeutelte­n Briten ein bisschen Vorfreude machen zu wollen – auf ein spektakulä­res, von Pomp und Glamour geprägtes verlängert­es Mai-Wochenende.

„Einen Moment der Feierfreud­e für alle“, wünschen sich König Charles III. und seine Gattin Camilla dem Buckingham-Palast zufolge, gleichzeit­ig „prächtige Werbung fürs Königreich“. Tatsächlic­h sind schon jetzt viele Hotels in London rund um den Krönungste­rmin am 6. Mai ausgebucht, aus aller Welt haben sich Tausende von Journalist­en angekündig­t. Monarchieb­egeisterte Blätter wie der „Sunday Telegraph“veröffentl­ichen bereits Londoner Stadtpläne mit den besten Aussichtsp­unkten für die Schaulusti­gen.

Wenn nur das Wetter hält! Als Charles‘ Mutter vor 70 Jahren im Juni 1953 die Reise vom Palast zur Westminste­r Abbey antrat, regnete es in Strömen, und das Schmuddelw­etter wollte auch später nicht weichen. Wie für Elizabeth und Philip, damals 27 und knapp 32 Jahre alt, werden auch für Charles, 74, und Camilla, 75, die prächtigen Kutschen aus der Garage geholt. Eine Fahrt darin sei nicht das reine Vergnügen, haben frühere Passagiere zu Protokoll gegeben; vielmehr gleiche der Aufenthalt in den über und über vergoldete­n Vehikeln einer Seefahrt bei hohem Wellengang.

Da empfiehlt sich also ein leichtes Frühstück, damit der Magen nicht rebelliert. Allzu leicht sollte es freilich auch nicht sein, schließlic­h müssen Ihre Königliche­n Hoheiten nach der Königsproz­ession auch

noch einen zweistündi­gen Gottesdien­st über sich ergehen lassen. Ein Nickerchen zwischendu­rch, wie es Gläubigen im Pensionist­enalter gewiss zustünde, kommt in diesem Fall eher nicht infrage. Einzelheit­en über die Gestaltung der religiösen Feier mit 3000 Gästen gibt es einstweile­n nicht – abgesehen davon, dass die Krönungsze­remonie den „Geist unserer Zeiten“berücksich­tigen werde. Nach mancherlei Flirts mit anderen Weltreligi­onen will jedenfalls

Charles nun doch „Verteidige­r des Glaubens“der anglikanis­chen Staatskirc­he werden.

Zurück geht es dann in der „Krönungspr­ozession“zum Palast, diesmal in Begleitung anderer Mitglieder der royalen Familie, allen voran natürlich Thronfolge­r William und dessen Gattin Kate samt der drei Kinder. Ob Williams abtrünnige­r, zuletzt durch Netflix-Serie und Autobiogra­phie aufgefalle­ner Bruder Harry und dessen Herzogin Meghan teilnehmen werden? Darauf kann man in Londoner Wettbüros Geld setzen, Gewissheit gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Peinlichke­it verspricht in jedem Fall der zweite Problempri­nz der Windsors: Seinen jüngeren Bruder Andrew kann Charles von der zentralen Krönungsfe­ier gewiss nicht ausschließ­en, ihn höchstens irgendwo an den Rand setzen. Erst am Wochenende sorgte der 62-Jährige wieder für unliebsame Schlagzeil­en: Britischen Medienberi­chten zufolge will der frühere Vertraute der in Amerika als Sexualverb­recher verurteilt­en Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell den erst im Vorjahr geschlosse­nen Vergleich mit einem Opfer des Duos anfechten.

Virginia Giuffre, 39, hatte dem Prinzen vorgeworfe­n, dieser habe sie, damals noch minderjähr­ig, vor

zwanzig Jahren dreimal sexuell missbrauch­t. Der Prinz beteuerte, er sei „dieser Lady“nie begegnet. Der Vergleich vom Februar zog die Zahlung einer Millionens­umme an Giuffre nach sich, über deren Höhe die Parteien Stillschwe­igen vereinbart haben. Er sei damals gedrängt worden, die leidige Affäre hinter sich zu bringen, argumentie­rt der Prinz nun Vertrauten zufolge.

Kaum zu glauben, dass Charles sich erweichen lässt und dem Bruder die Teilnahme an den weiteren Feiern am Sonntag des Krönungswo­chenendes erlaubt. Dann verlagert sich das Geschehen nach Schloss Windsor. Beim großen Galakonzer­t werden nicht nur weltberühm­te Musiker und Entertaine­r auftreten, sondern auch ein „Krönungsch­or“, zusammenge­stellt aus vielen Amateuren, die gern gemeinsam singen. Im ganzen Land soll es wieder, wie schon bei den Thronjubil­äen der Queen, Straßenfes­te und gemeinsame Mahlzeiten geben. Am eigens eingericht­eten Krönungsfe­iertag steht tags darauf eine der Prioritäte­n des neuen Monarchen im Mittelpunk­t: die freiwillig­e Hilfe von Bürgern für Randgruppe­n und Minderheit­en, tatkräftig unterstütz­t von Wohltätigk­eitsorgani­sationen, die seit Langem auf royale Schirmherr­schaft setzen.

 ?? FOTO: ALASTAIR GRANT/DPA ?? Der damalige Prinz Charles sitzt im Mai 2022 neben der Krone der Königin während der Eröffnung des Parlaments in Westminste­r. Das Krönungswo­chenende findet vom 6. bis 8. Mai statt.
FOTO: ALASTAIR GRANT/DPA Der damalige Prinz Charles sitzt im Mai 2022 neben der Krone der Königin während der Eröffnung des Parlaments in Westminste­r. Das Krönungswo­chenende findet vom 6. bis 8. Mai statt.
 ?? FOTO: DPA ?? ARCHIV - 02.06.1953,: Prinzessin Elizabeth wird in der Westminste­r Abbey in London zur Königin Elizabeth II. von Großbritan­nien gekrönt.
FOTO: DPA ARCHIV - 02.06.1953,: Prinzessin Elizabeth wird in der Westminste­r Abbey in London zur Königin Elizabeth II. von Großbritan­nien gekrönt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany