Pompöser als gedacht
Die Krönung von Charles III. im Mai wird nun doch spektakulär ausfallen
- Also doch. Viel war nach dem Tod Elizabeths II. von der schlankeren Monarchie und einer dementsprechend abgespeckten Krönungsfeier die Rede. Zu Jahresbeginn scheinen Königshaus und Monarchie den von Inflation, Streiks und knirschendem Gesundheitswesen gebeutelten Briten ein bisschen Vorfreude machen zu wollen – auf ein spektakuläres, von Pomp und Glamour geprägtes verlängertes Mai-Wochenende.
„Einen Moment der Feierfreude für alle“, wünschen sich König Charles III. und seine Gattin Camilla dem Buckingham-Palast zufolge, gleichzeitig „prächtige Werbung fürs Königreich“. Tatsächlich sind schon jetzt viele Hotels in London rund um den Krönungstermin am 6. Mai ausgebucht, aus aller Welt haben sich Tausende von Journalisten angekündigt. Monarchiebegeisterte Blätter wie der „Sunday Telegraph“veröffentlichen bereits Londoner Stadtpläne mit den besten Aussichtspunkten für die Schaulustigen.
Wenn nur das Wetter hält! Als Charles‘ Mutter vor 70 Jahren im Juni 1953 die Reise vom Palast zur Westminster Abbey antrat, regnete es in Strömen, und das Schmuddelwetter wollte auch später nicht weichen. Wie für Elizabeth und Philip, damals 27 und knapp 32 Jahre alt, werden auch für Charles, 74, und Camilla, 75, die prächtigen Kutschen aus der Garage geholt. Eine Fahrt darin sei nicht das reine Vergnügen, haben frühere Passagiere zu Protokoll gegeben; vielmehr gleiche der Aufenthalt in den über und über vergoldeten Vehikeln einer Seefahrt bei hohem Wellengang.
Da empfiehlt sich also ein leichtes Frühstück, damit der Magen nicht rebelliert. Allzu leicht sollte es freilich auch nicht sein, schließlich müssen Ihre Königlichen Hoheiten nach der Königsprozession auch
noch einen zweistündigen Gottesdienst über sich ergehen lassen. Ein Nickerchen zwischendurch, wie es Gläubigen im Pensionistenalter gewiss zustünde, kommt in diesem Fall eher nicht infrage. Einzelheiten über die Gestaltung der religiösen Feier mit 3000 Gästen gibt es einstweilen nicht – abgesehen davon, dass die Krönungszeremonie den „Geist unserer Zeiten“berücksichtigen werde. Nach mancherlei Flirts mit anderen Weltreligionen will jedenfalls
Charles nun doch „Verteidiger des Glaubens“der anglikanischen Staatskirche werden.
Zurück geht es dann in der „Krönungsprozession“zum Palast, diesmal in Begleitung anderer Mitglieder der royalen Familie, allen voran natürlich Thronfolger William und dessen Gattin Kate samt der drei Kinder. Ob Williams abtrünniger, zuletzt durch Netflix-Serie und Autobiographie aufgefallener Bruder Harry und dessen Herzogin Meghan teilnehmen werden? Darauf kann man in Londoner Wettbüros Geld setzen, Gewissheit gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Peinlichkeit verspricht in jedem Fall der zweite Problemprinz der Windsors: Seinen jüngeren Bruder Andrew kann Charles von der zentralen Krönungsfeier gewiss nicht ausschließen, ihn höchstens irgendwo an den Rand setzen. Erst am Wochenende sorgte der 62-Jährige wieder für unliebsame Schlagzeilen: Britischen Medienberichten zufolge will der frühere Vertraute der in Amerika als Sexualverbrecher verurteilten Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell den erst im Vorjahr geschlossenen Vergleich mit einem Opfer des Duos anfechten.
Virginia Giuffre, 39, hatte dem Prinzen vorgeworfen, dieser habe sie, damals noch minderjährig, vor
zwanzig Jahren dreimal sexuell missbraucht. Der Prinz beteuerte, er sei „dieser Lady“nie begegnet. Der Vergleich vom Februar zog die Zahlung einer Millionensumme an Giuffre nach sich, über deren Höhe die Parteien Stillschweigen vereinbart haben. Er sei damals gedrängt worden, die leidige Affäre hinter sich zu bringen, argumentiert der Prinz nun Vertrauten zufolge.
Kaum zu glauben, dass Charles sich erweichen lässt und dem Bruder die Teilnahme an den weiteren Feiern am Sonntag des Krönungswochenendes erlaubt. Dann verlagert sich das Geschehen nach Schloss Windsor. Beim großen Galakonzert werden nicht nur weltberühmte Musiker und Entertainer auftreten, sondern auch ein „Krönungschor“, zusammengestellt aus vielen Amateuren, die gern gemeinsam singen. Im ganzen Land soll es wieder, wie schon bei den Thronjubiläen der Queen, Straßenfeste und gemeinsame Mahlzeiten geben. Am eigens eingerichteten Krönungsfeiertag steht tags darauf eine der Prioritäten des neuen Monarchen im Mittelpunkt: die freiwillige Hilfe von Bürgern für Randgruppen und Minderheiten, tatkräftig unterstützt von Wohltätigkeitsorganisationen, die seit Langem auf royale Schirmherrschaft setzen.