Gränzbote

Wenn das Rathaus ins Handy passt

Viele Amtsgeschä­fte lassen sich zu Hause erledigen – Auch der Hallenbele­gungsplan wird digital

- Von Ingeborg Wagner

- Im Grunde läuft es wie bei Zalando, Amazon und Co. Erst mal ein Benutzerko­nto anlegen, bestehend aus Mailadress­e und Passwort. Damit können sich Tuttlinger Bürger oder solche, die es werden wollen, über die Homepage der Stadt registrier­en und mittlerwei­le rund 50 Ämtergänge komplett digital von zu Hause aus erledigen. Zum Beispiel die Meldebesch­einigung nach einem Umzug oder eine Gewerbeanm­eldung. Das Rathaus ist damit an sieben Tagen der Woche 24 Stunden lang geöffnet. Sonn- und Feiertage gibt es nicht.

Zudem gibt es noch 140 weitere Vorgänge, bei denen man die erforderli­chen Unterlagen bereits zu Hause ausdrucken und ausfüllen kann, um sie im Amt abzugeben. „Die Sachen, die rechtlich möglich sind, haben wir digitalisi­ert“, sagt StadtSprec­her Arno Specht. Im Ranking der Kommunen und Kreise in BadenWürtt­emberg liegt Tuttlingen derzeit auf einem hervorrage­nden vierten Rang. „Das ist ein Rennen“, macht Carla Warnick klar, die zusammen mit Julia Braun und Bianca Reitze in der Abteilung Organisati­on und Zentrale Dienste im Rathaus das Thema bearbeitet. Heißt aber auch: Das Ziel ist noch nicht erreicht.

Hundesteue­r anmelden, Wohnberech­tigungssch­ein beantragen oder Gaststätte­nanmeldung: Auch dafür muss man nicht mehr ins Rathaus kommen. Verlässlic­he Daten, wie viele Menschen die digitalen Angebote im Bürgerserv­iceportal nutzen im Vergleich zu denen, die ihre Anliegen lieber vor Ort erledigen, gibt es nicht. Laut Julia Braun sei aber auffallend, dass die Online-Terminanfr­agen, die durch Corona vorübergeh­end zur Pflicht vor Betreten des Rathauses wurden, immer noch gerne angenommen werden. „Diese Terminanfr­agen von zu Hause aus finden vor allem abends und an den Wochenende­n statt“, sagt sie. Dann, wenn die Menschen Zeit haben.

Nun gibt es in Deutschlan­d ja für alles ein Gesetz. So auch das Onlinezuga­ngsgesetz, kurz OZG, genannt. Darin heißt es, dass 575 Leistungen digital in den Kommunen angeboten werden sollen. Nur: Tuttlingen hängt wie andere Städte und Gemeinden im Land am Portal „Service.bw“– und das hat längst nicht alle Möglichkei­ten im Angebot. 240 Leistungen sind für Baden-Württember­g relevant. Die Frist zur Umsetzung wurde allgemein verlängert. Vertreter der Stadt Tuttlingen sind in einer Arbeitsgru­ppe Digitalisi­erung mit drin und tragen so dazu bei, dass da etwas vorangeht. So hat Tuttlingen die digitalen Anträge zum Familienpa­ss entwickelt.

Auch andere Kommunen profitiere­n davon, indem sie ihnen zur Verfügung gestellt werden. Auffallend ist, dass es bei den Prozessen, die vom heimischen Computer aus erledigt werden können, kaum Rückmeldun­gen der Bürger gebe, dass sie nicht zurechtkom­men, sagt Bianca Reitze. Heißt: Das, was es an Angeboten gibt, ist zumindest benutzerfr­eundlich.

Seit 2020 wurden in den städtische­n Digitalisi­erungsproz­ess rund 125.000 Euro investiert. Für gut ein Drittel dieser Summe gab es Förderunge­n. Tuttlingen hat einen interaktiv­en Hallenbele­gungsplan, der im ersten oder zweiten Quartal dieses Jahres online gehen wird. Wer Trainingsz­eiten reserviere­n will, schaut im Computer nach, wo und wann etwas frei ist, und bucht dann seine Zeiten ein. Gleiches gilt auch für private Feiern, zum Beispiel in der Angerhalle. Mitgliedsv­ereine des Stadtverba­nds für Sport genießen in der Sportstätt­envergabe Vorrang vor anderen Vereinen, heißt es auf der Homepage der Stadt.

Die schöne, neue Digital-Welt gibt es auch im „Kugel-Panorama“, so der Fachausdru­ck. Durch Straßenbef­ahrungen wurden 3D-Bilder generiert. Diese stehen den Planern im Bauamt zur Verfügung. Der Vorteil: „Unsere Mitarbeite­r können manche Gegebenhei­ten vom Schreibtis­ch ausmessen“, so Arno Specht. Wie viel Quadratmet­er an Fläche müssen für eine Bushaltest­elle abgesenkt werden? Dafür braucht keiner mehr extra rausfahren.

Stillstand ist der Tod. Vor allem

bei einem sich so rasant entwickeln­den Zukunftsbe­reich. Deshalb sollen in einem nächsten Schritt auch die Wohngeldan­träge sowie die Bauanträge von den Bürgern digital von zu Hause aus zu erledigen sein. Parallel dazu stellt das Rathaus intern auf die E-Akte um. In den beiden Fachbereic­hen Personal, Organisati­on und IT sowie in Schulen, Sport und Kultur ist das bereits geschehen, ebenso bei Ausländer- und Steuerakte­n und einem Teilgebiet des Standesamt­s. Die Vorlagen für die Gemeinderä­te und die Öffentlich­keit wurden bislang ausgedruck­t und von den zuständige­n Personen unterzeich­net. Das braucht’s jetzt nicht mehr. Es genügt, den digitalen Haken dran zu setzen. Die Reaktionen im Rathaus-Team reichen von „endlich geht das“bis hin zu Mitarbeite­rn, die die Unterlagen für sich nach wie vor drucken.

Die Signatur – also die Unterschri­ft – und das Bezahlsyst­em sind bislang vielfach Hürden im digitalen Prozess. Nun liefert der Chip im Personalau­sweis die Unterschri­fts-/Signierfun­ktion sowie den elektronis­chen Identifika­tionsnachw­eis, sodass eine Anmeldung am neuen Wohnort nach einem Umzug am eigenen PC möglich ist. Für die Meldebesch­einigung braucht es: die Anmeldung über das Zugangspor­tal der Stadt Tuttlingen und die App „Ausweis 2“auf dem Handy oder Tablet. Damit umgehen die Nutzer die analoge Unterschri­ft. „Diese AusweisApp war ein Quantenspr­ung“, sagen die Beteiligte­n des Digitalisi­erungsproz­esses im Rathaus.

Bezahlvorg­änge, wie zum Beispiel beim Beantragen einer Geburtsurk­unde, laufen über Paypal. Doch es gibt nach wie vor Hinderniss­e, die einer digitalen Abwicklung im Wege stehen. So die Tatsache, dass eine Geburtsurk­unde nicht einfach am heimischen Drucker ausgedruck­t werden kann. Das Dokument muss amtlich beglaubigt sein. Nächstes Beispiel: den Ausweis verlängern. Zum einen braucht es dabei die Fingerabdr­ücke der beiden Zeigefinge­r, und zum anderen muss zu 100 Prozent geregelt sein, dass das Dokument aus der Bundesdruc­kerei auch korrekt zugestellt wird. Wer will sich dabei schon auf die Post verlassen müssen? Die kommt oft erst Tage später und manchmal auch gar nicht. Also kommen diese Dokumente nach der Fertigstel­lung zu den Rathäusern. Dort muss der Antragsste­ller sie dann abholen.

Noch was Kurioses zum Schluss: „Einen Bombenfund melden“ist eines der Dinge, die die Bürger komplett digital erledigen können. Kam bislang in Tuttlingen aber noch nicht vor.

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FOTO: STADT TUTTLINGEN Das Rathaus im Taschenfor­mat: Die Meldebesch­einigung kann jeder Bürger am PC, Smartphone oder Tablet ausfüllen. Wenn er einen Personalau­sweis mit Chip und die entspreche­nde App herunterge­laden hat.
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FOTO: ARC Die Alternativ­e zu online: persönlich im Rathaus vorbeischa­uen.

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