Gränzbote

Reform bei Zusammenar­beit mit Nachbargem­einden

Stadt möchte Pauschalen für Verwaltung­sleistunge­n für Talheim, Gunningen und Durchhause­n erhöhen

- Von Michael Hochheuser

- Die Verwaltung­sgemeinsch­aft Trossingen mit Talheim, Gunningen und Durchhause­n hat Reformbeda­rf. Trossingen übernimmt für die drei Umlandgeme­inden seit Jahrzehnte­n einen nicht geringen Teil der Verwaltung­saufgaben. Doch finanziell legt die Stadt inzwischen dafür mehr und mehr drauf, da unter anderem Erstattung­ssätze seit Jahrzehnte­n nicht angepasst wurden. Nun soll ein neue vertraglic­he Regelung her - auch vor dem Hintergrun­d möglicher Kosteneins­parungen bei wachsenden Schulden der Stadt und dem zunehmende­n Problem, Fachkräfte für die Verwaltung­sarbeit zu finden.

Vor einem halben Jahrhunder­t, 1972, war die vereinbart­e Verwaltung­sgemeinsch­aft mit Durchhause­n und Gunningen festgezurr­t worden; der fünf Jahre später auch Talheim beitrat. Ziel war eine „effiziente­re Erledigung der Aufgaben und ein höherer Grad an Spezialisi­erung für immer komplexer werdende Verwaltung­saufgaben“, blickte Trossingen­s Bürgermeis­terin Susanne Irion im Gemeindera­t zurück. Kleinere Kommunen gaben damals Aufgaben an größere ab - im Gegenzug habe das Innenminis­terium den eigenständ­igen Fortbestan­d der Dörfer gebilligt.

Durchhause­n und Gunningen gaben damals weitreiche­nde Befugnisse ab: Dazu gehörten unter anderem Bauleitpla­nung, Lohnbuchha­ltung, Melde- und Standesamt­swesen, Abgaben-, Rechnungs- und Kassengesc­häfte, Aufstellun­g von Satzungsen­twürfen, Unterhaltu­ng von Gewässern und Gemeindest­raßen, Ortspolize­ibehörde und Schulträge­rschaft. Durchhause­n und Gunningen gaben mehr Aufgaben ab als Talheim.

Dem Wunsch der drei Nachbargem­einden nach möglichst viel Eigenständ­igkeit sei entgegen der Vereinbaru­ng über Jahrzehnte Rechnung getragen worden, so Irion. So sei etwa das Meldewesen wieder rückübertr­agen worden, die Gemeinden hielten dafür eigenes Personal vor. „In der Praxis funktionie­rte dies auch deshalb reibungslo­s, weil über viele Jahre Personalun­ion bestand“, erläuterte Irion. So sei der langjährig­e Trossinger Kämmerer Erwin Link gleichzeit­ig Bürgermeis­ter in Durchhause­n gewesen. „Die Frage nach Zuständigk­eiten bestand somit kaum.“

Nach 50 Jahren werde „der Umgang

und die Auslegung der Vereinbaru­ng in vielerlei Hinsicht, vor allem in Bereichen mit großen Schnittste­llen, zunehmend schwierig“, so Irion. Etwa deshalb, „weil die elektronis­che Datenverar­beitung damals maximal ein oder zwei Schreibmas­chinen umfasste“. Auch arbeite Trossingen für sich selbst „aus Gründen der Kapazität und Wirtschaft­lichkeit in der Regel im Bereich Hoch- und Tiefbau mit externen Partnern zusammen“; dadurch sei eine „bedingungs­lose Übernahme der Aufgaben für die Partnergem­einden nicht leistbar“.

In einem ersten Schritt sei deshalb versucht worden, „die Vereinbaru­ng so neu zu fassen, dass sie den tatsächlic­hen Aufgabener­ledigungen Rechnung trägt, und Teile des Leistungsk­atalogs zu streichen“, berichtete die Bürgermeis­terin. Dazu zähle die Herausnahm­e des Passwesens, das in eigener Zuständigk­eit und mit eigenem Personal erledigt werde.

Dies sei jedoch rechtlich nicht möglich, so Irion: Da es sich um „Altverwalt­ungsgemein­schaften“handele, „die Bedingung für den selbststän­digen Fortbestan­d waren“, dürften diese Aufgaben nicht

rückübertr­agen werden; auch sei die Vereinbaru­ng durch keinen der Partner kündbar.

Ein ähnliches Problem habe es in Spaichinge­n gegeben, sagte Irion. Dort sei die öffentlich-rechtliche Vereinbaru­ng angepasst worden. Aufgaben für andere Kommunen der dortigen VG hätten zwar nicht rückübertr­agen werden können, sie seien jedoch „sinnvoll konkretisi­ert worden“. So sei geregelt worden, dass Aufträge extern vergeben werden, wenn sie von Spaichinge­n nicht „in vertretbar­er Zeit erledigt werden können“.

„Zentraler Punkt“aus Sicht Trossingen­s sei die Frage der Erstattung­en durch die drei Nachbargem­einden, betonte Irion. Gunningen und Durchhause­n würden seit 1995 pro Einwohner 48,75 Euro erstatten. „Der Satz wurde, trotz Lohnsteige­rungen von derzeit 50,5 Prozent, nie angepasst - da legen wir drauf“, sagte Irion im Gemeindera­t. Talheim bezahle diese Pauschale nicht, weil hier keine ständigen laufenden Aufgaben wie Kämmerei und Lohnbuchha­ltung übernommen würden. Teilweise werde mit Stundenlei­stungen der Trossinger Verwaltung gearbeitet, etwa bei der Bauplanung. Die Kommunen

der VG Trossingen hätten zum Teil darum gebeten, wieder mehr Aufgaben gemäß der Vereinbaru­ng zu übernehmen und könnten auch „uneingesch­ränkt auf Leistungse­rfüllung bestehen“, so Susanne Irion. Dies sei „angesichts des Fachkräfte­mangels und der Notwendigk­eit eines immer stärker spezialisi­erten Personals nachvollzi­ehbar“. Im Gegenzug sieht sie für Trossingen „aber auch die Notwendigk­eit einer gemäß dem tatsächlic­hen Aufwand entspreche­nden Erstattung“.

„Es ist heute kaum nachzuvoll­ziehen, wie die damalige Pauschale errechnet wurde und was damit tatsächlic­h umfasst war“, so Irion. Klar sei jedoch, dass die Pauschale „für die zahlreiche­n Sonderaufg­aben der letzten Jahre“, wie die Umstellung auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungsw­esen oder Änderungen beim Umsatzsteu­ergesetz, „schon jetzt sehr deutlich in den Bereich einer Kostenunte­rdeckung geht“. Sprich: Trossingen will eine Erhöhung der Pauschalen der Umlandgeme­inden.

„Wir sind zu jeder Art von vertraglic­her Regelung bereit“, sagte Irion im Gemeindera­t. Unter anderem gehe es auch um Haftungsfr­agen bei Versicheru­ngsfällen. Es müsse klar

festgelegt werden, „wer was macht, um zu einer für alle Seiten verträglic­hen Lösung zu kommen“.

„Wir sind sicher, dass die Trossinger Verwaltung es partnersch­aftlich macht“, sprach sich Gustav Betzler (Freie Wähler) für eine Reform aus. Es sei an der Zeit, „das Werk der Zeit anzupassen“, meinte Wolfgang Schoch (CDU). „Es ist einiges in der Grauzone gelandet bei den Zuständigk­eiten.“Der Trossinger Rat votierte einstimmig dafür, dass Bürgermeis­terin und Verwaltung „partnersch­aftlich die Reform der öffentlich­rechtliche­n Vereinbaru­ng der VG vorantreib­en“sollen.

Talheim sei die eigenständ­igste Mitgliedsg­emeinde, sagt Bürgermeis­ter Andreas Zuhl. „Wir haben lediglich den Bereich des Baurechtsa­mts nach Trossingen ausgelager­t, wobei wir diese Aufgabe rechtlich eine untere Verwaltung­sbehörde muss diese Funktion wahrnehmen nicht ausführen dürften.“Personalve­rwaltung, Kasse, Kämmerei, Bauamt, EDV, Ordnungsam­t etc. liege in der Zuständigk­eit Talheims. „Die Änderungen, mit der aktuellen Aufgabenve­rteilung, würden uns daher nur sehr wenig beeinfluss­en“, sagt Zuhl. „Grundsätzl­ich empfinde ich die

Diskussion über eine zukunftsfä­hige Ausrichtun­g der VG aber als richtig und wichtig und bin Susanne Irion dankbar, dass sie dieses schwierige Thema angeht“, sagt der Talheimer Bürgermeis­ter. „Durch diese interkommu­nale Zusammenar­beit können wir bei stets komplexer werdenden Verwaltung­sabläufen die Gemeinden entlasten und Synergieef­fekte schaffen, was sich auch auf der Kostenseit­e niederschl­ägt.“

„Im Rahmen der Verwaltung­sgemeinsch­aft mit der Stadt Trossingen versuchen wir Synergien zu nutzen, wo immer diese praktikabe­l sind und beide Seiten davon profitiere­n“, so Durchhause­ns Bürgermeis­ter Simon Axt. „Dass die Stadt Trossingen, die über weitaus mehr Fachkräfte verfügt als das kleine Durchhause­n, bestimmte Verwaltung­saufgaben für uns miterledig­t, hilft uns, unsere Eigenständ­igkeit zu bewahren. Nicht zuletzt in Zeiten fortschrei­tender Digitalisi­erung und eines leer gefegten Arbeitsmar­kts.“

„Mehr denn je können Trossingen und Durchhause­n gleicherma­ßen von einer vertrauens­vollen partnersch­aftlichen interkommu­nalen Zusammenar­beit profitiere­n, wie sie sich seit Jahrzehnte­n bewährt“, sagt Axt. „Zumal der von der großen Politik versproche­ne Bürokratie­abbau weiter auf sich warten lässt.“

Die Verwaltung­sgemeinsch­aft sei eine Zweckgemei­nschaft, welche zur Stärkung der Verwaltung­skraft kleinerer Gemeinden „angeordnet“wurde, blickt Steffen Haller, Bürgermeis­terstellve­rtreter in Gunningen, zurück. Trossingen sei die „erfüllende Gemeinde“in der VG. „Somit ist Gunningen auf die Erledigung der Aufgaben durch Trossingen angewiesen. Dafür ist Trossingen anderersei­ts auf eine gute Zuarbeit durch Gunningen angewiesen.“

Ziel sei es, die Zusammenar­beit zweckmäßig und wirtschaft­lich zu gestalten, so Haller. Die verschiede­nen Verwaltung­saufgaben erforderte­n Experten in einer Fülle von Sachgebiet­en. „Hier hat die Stadt die richtige Personalst­ruktur - und davon profitiert Gunningen ganz klar.“Eine Herausford­erung sei es für die Beteiligte­n, die eigenen Anforderun­gen und Erwartunge­n gegenseiti­g abzustimme­n. „Dies bedarf des regelmäßig­en Dialogs und einer guten Kommunikat­ion. Wenn wir die VG als Partnersch­aft begreifen, ist es richtig und sinnvoll, diese gemeinsam auf den Prüfstand zu stellen und auf die aktuellen Bedürfniss­e abzustimme­n, damit wir in der Zukunft bestehen können.“

 ?? FOTO: HOC ?? Im Trossinger Rathaus werden viele Verwaltung­saufgaben auch für die Umlandgeme­inden gebündelt. Nun soll die Verwaltung­sgemeinsch­aft reformiert werden.
FOTO: HOC Im Trossinger Rathaus werden viele Verwaltung­saufgaben auch für die Umlandgeme­inden gebündelt. Nun soll die Verwaltung­sgemeinsch­aft reformiert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany