Reform bei Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden
Stadt möchte Pauschalen für Verwaltungsleistungen für Talheim, Gunningen und Durchhausen erhöhen
- Die Verwaltungsgemeinschaft Trossingen mit Talheim, Gunningen und Durchhausen hat Reformbedarf. Trossingen übernimmt für die drei Umlandgemeinden seit Jahrzehnten einen nicht geringen Teil der Verwaltungsaufgaben. Doch finanziell legt die Stadt inzwischen dafür mehr und mehr drauf, da unter anderem Erstattungssätze seit Jahrzehnten nicht angepasst wurden. Nun soll ein neue vertragliche Regelung her - auch vor dem Hintergrund möglicher Kosteneinsparungen bei wachsenden Schulden der Stadt und dem zunehmenden Problem, Fachkräfte für die Verwaltungsarbeit zu finden.
Vor einem halben Jahrhundert, 1972, war die vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft mit Durchhausen und Gunningen festgezurrt worden; der fünf Jahre später auch Talheim beitrat. Ziel war eine „effizientere Erledigung der Aufgaben und ein höherer Grad an Spezialisierung für immer komplexer werdende Verwaltungsaufgaben“, blickte Trossingens Bürgermeisterin Susanne Irion im Gemeinderat zurück. Kleinere Kommunen gaben damals Aufgaben an größere ab - im Gegenzug habe das Innenministerium den eigenständigen Fortbestand der Dörfer gebilligt.
Durchhausen und Gunningen gaben damals weitreichende Befugnisse ab: Dazu gehörten unter anderem Bauleitplanung, Lohnbuchhaltung, Melde- und Standesamtswesen, Abgaben-, Rechnungs- und Kassengeschäfte, Aufstellung von Satzungsentwürfen, Unterhaltung von Gewässern und Gemeindestraßen, Ortspolizeibehörde und Schulträgerschaft. Durchhausen und Gunningen gaben mehr Aufgaben ab als Talheim.
Dem Wunsch der drei Nachbargemeinden nach möglichst viel Eigenständigkeit sei entgegen der Vereinbarung über Jahrzehnte Rechnung getragen worden, so Irion. So sei etwa das Meldewesen wieder rückübertragen worden, die Gemeinden hielten dafür eigenes Personal vor. „In der Praxis funktionierte dies auch deshalb reibungslos, weil über viele Jahre Personalunion bestand“, erläuterte Irion. So sei der langjährige Trossinger Kämmerer Erwin Link gleichzeitig Bürgermeister in Durchhausen gewesen. „Die Frage nach Zuständigkeiten bestand somit kaum.“
Nach 50 Jahren werde „der Umgang
und die Auslegung der Vereinbarung in vielerlei Hinsicht, vor allem in Bereichen mit großen Schnittstellen, zunehmend schwierig“, so Irion. Etwa deshalb, „weil die elektronische Datenverarbeitung damals maximal ein oder zwei Schreibmaschinen umfasste“. Auch arbeite Trossingen für sich selbst „aus Gründen der Kapazität und Wirtschaftlichkeit in der Regel im Bereich Hoch- und Tiefbau mit externen Partnern zusammen“; dadurch sei eine „bedingungslose Übernahme der Aufgaben für die Partnergemeinden nicht leistbar“.
In einem ersten Schritt sei deshalb versucht worden, „die Vereinbarung so neu zu fassen, dass sie den tatsächlichen Aufgabenerledigungen Rechnung trägt, und Teile des Leistungskatalogs zu streichen“, berichtete die Bürgermeisterin. Dazu zähle die Herausnahme des Passwesens, das in eigener Zuständigkeit und mit eigenem Personal erledigt werde.
Dies sei jedoch rechtlich nicht möglich, so Irion: Da es sich um „Altverwaltungsgemeinschaften“handele, „die Bedingung für den selbstständigen Fortbestand waren“, dürften diese Aufgaben nicht
rückübertragen werden; auch sei die Vereinbarung durch keinen der Partner kündbar.
Ein ähnliches Problem habe es in Spaichingen gegeben, sagte Irion. Dort sei die öffentlich-rechtliche Vereinbarung angepasst worden. Aufgaben für andere Kommunen der dortigen VG hätten zwar nicht rückübertragen werden können, sie seien jedoch „sinnvoll konkretisiert worden“. So sei geregelt worden, dass Aufträge extern vergeben werden, wenn sie von Spaichingen nicht „in vertretbarer Zeit erledigt werden können“.
„Zentraler Punkt“aus Sicht Trossingens sei die Frage der Erstattungen durch die drei Nachbargemeinden, betonte Irion. Gunningen und Durchhausen würden seit 1995 pro Einwohner 48,75 Euro erstatten. „Der Satz wurde, trotz Lohnsteigerungen von derzeit 50,5 Prozent, nie angepasst - da legen wir drauf“, sagte Irion im Gemeinderat. Talheim bezahle diese Pauschale nicht, weil hier keine ständigen laufenden Aufgaben wie Kämmerei und Lohnbuchhaltung übernommen würden. Teilweise werde mit Stundenleistungen der Trossinger Verwaltung gearbeitet, etwa bei der Bauplanung. Die Kommunen
der VG Trossingen hätten zum Teil darum gebeten, wieder mehr Aufgaben gemäß der Vereinbarung zu übernehmen und könnten auch „uneingeschränkt auf Leistungserfüllung bestehen“, so Susanne Irion. Dies sei „angesichts des Fachkräftemangels und der Notwendigkeit eines immer stärker spezialisierten Personals nachvollziehbar“. Im Gegenzug sieht sie für Trossingen „aber auch die Notwendigkeit einer gemäß dem tatsächlichen Aufwand entsprechenden Erstattung“.
„Es ist heute kaum nachzuvollziehen, wie die damalige Pauschale errechnet wurde und was damit tatsächlich umfasst war“, so Irion. Klar sei jedoch, dass die Pauschale „für die zahlreichen Sonderaufgaben der letzten Jahre“, wie die Umstellung auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen oder Änderungen beim Umsatzsteuergesetz, „schon jetzt sehr deutlich in den Bereich einer Kostenunterdeckung geht“. Sprich: Trossingen will eine Erhöhung der Pauschalen der Umlandgemeinden.
„Wir sind zu jeder Art von vertraglicher Regelung bereit“, sagte Irion im Gemeinderat. Unter anderem gehe es auch um Haftungsfragen bei Versicherungsfällen. Es müsse klar
festgelegt werden, „wer was macht, um zu einer für alle Seiten verträglichen Lösung zu kommen“.
„Wir sind sicher, dass die Trossinger Verwaltung es partnerschaftlich macht“, sprach sich Gustav Betzler (Freie Wähler) für eine Reform aus. Es sei an der Zeit, „das Werk der Zeit anzupassen“, meinte Wolfgang Schoch (CDU). „Es ist einiges in der Grauzone gelandet bei den Zuständigkeiten.“Der Trossinger Rat votierte einstimmig dafür, dass Bürgermeisterin und Verwaltung „partnerschaftlich die Reform der öffentlichrechtlichen Vereinbarung der VG vorantreiben“sollen.
Talheim sei die eigenständigste Mitgliedsgemeinde, sagt Bürgermeister Andreas Zuhl. „Wir haben lediglich den Bereich des Baurechtsamts nach Trossingen ausgelagert, wobei wir diese Aufgabe rechtlich eine untere Verwaltungsbehörde muss diese Funktion wahrnehmen nicht ausführen dürften.“Personalverwaltung, Kasse, Kämmerei, Bauamt, EDV, Ordnungsamt etc. liege in der Zuständigkeit Talheims. „Die Änderungen, mit der aktuellen Aufgabenverteilung, würden uns daher nur sehr wenig beeinflussen“, sagt Zuhl. „Grundsätzlich empfinde ich die
Diskussion über eine zukunftsfähige Ausrichtung der VG aber als richtig und wichtig und bin Susanne Irion dankbar, dass sie dieses schwierige Thema angeht“, sagt der Talheimer Bürgermeister. „Durch diese interkommunale Zusammenarbeit können wir bei stets komplexer werdenden Verwaltungsabläufen die Gemeinden entlasten und Synergieeffekte schaffen, was sich auch auf der Kostenseite niederschlägt.“
„Im Rahmen der Verwaltungsgemeinschaft mit der Stadt Trossingen versuchen wir Synergien zu nutzen, wo immer diese praktikabel sind und beide Seiten davon profitieren“, so Durchhausens Bürgermeister Simon Axt. „Dass die Stadt Trossingen, die über weitaus mehr Fachkräfte verfügt als das kleine Durchhausen, bestimmte Verwaltungsaufgaben für uns miterledigt, hilft uns, unsere Eigenständigkeit zu bewahren. Nicht zuletzt in Zeiten fortschreitender Digitalisierung und eines leer gefegten Arbeitsmarkts.“
„Mehr denn je können Trossingen und Durchhausen gleichermaßen von einer vertrauensvollen partnerschaftlichen interkommunalen Zusammenarbeit profitieren, wie sie sich seit Jahrzehnten bewährt“, sagt Axt. „Zumal der von der großen Politik versprochene Bürokratieabbau weiter auf sich warten lässt.“
Die Verwaltungsgemeinschaft sei eine Zweckgemeinschaft, welche zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden „angeordnet“wurde, blickt Steffen Haller, Bürgermeisterstellvertreter in Gunningen, zurück. Trossingen sei die „erfüllende Gemeinde“in der VG. „Somit ist Gunningen auf die Erledigung der Aufgaben durch Trossingen angewiesen. Dafür ist Trossingen andererseits auf eine gute Zuarbeit durch Gunningen angewiesen.“
Ziel sei es, die Zusammenarbeit zweckmäßig und wirtschaftlich zu gestalten, so Haller. Die verschiedenen Verwaltungsaufgaben erforderten Experten in einer Fülle von Sachgebieten. „Hier hat die Stadt die richtige Personalstruktur - und davon profitiert Gunningen ganz klar.“Eine Herausforderung sei es für die Beteiligten, die eigenen Anforderungen und Erwartungen gegenseitig abzustimmen. „Dies bedarf des regelmäßigen Dialogs und einer guten Kommunikation. Wenn wir die VG als Partnerschaft begreifen, ist es richtig und sinnvoll, diese gemeinsam auf den Prüfstand zu stellen und auf die aktuellen Bedürfnisse abzustimmen, damit wir in der Zukunft bestehen können.“