Die Fasnet ist in Aldingen angekommen
Nur noch vereinzelt Vorbehalte – Auch viele evangelische Aldinger sind aktiv dabei
- Über Aldingens Straßen hängen schon die Narrenbändel, so wie in einer traditionellen Fasnetshochburg. Dabei hat die „fünfte Jahreszeit“in Aldingen selbst – im Gegensatz zum Teilort Aixheim – keine besonders lange Geschichte. Im Vorfeld des großen Umzugs am kommenden Sonntag gehen wir der Frage nach, wie die Fasnet (inzwischen) in der Aldinger DNA verankert ist.
„Vom Fastnachtsunsinn mit seinen Verkleidungen und dem damit leicht verbundenen Fastnachtsunfug sind wir dieses Jahr nicht verschont geblieben“, beklagte das Evangelische Gemeindeblatt für Aldingen schon im März 1910. Die Narrenfreude Aldingen haben diesen alten Ausschnitt stolz auf ihre Homepage gestellt. Während im Februar 1910 das Bankett zur Feier des Geburtstags des Königs „leider nur schwach“besucht gewesen sei, sei ein „gut durchgeführter Unterhaltungsabend des Liederkranzes unter Mitwirkung des Kirchenchors“„sehr gut“besucht gewesen, berichtete das Gemeindeblatt. Ob mit dem „Fastnachtsunfug“dieser Unterhaltungsabend gemeint war? Aber die Mitwirkung des (evangelischen) Kirchenchors spricht eher dafür, dass dieser als Alternative zur Fasnet gedacht war.
Ihren Ursprung hat die Fasnet ja bekanntlich im Brauchtum vor Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern in der katholischen Kirche. Vielen Narren, wie etwa dem Vorsitzenden der Narrenfreude Aldingen, Ralf Schräpel, ist dies auch wichtig: „Ich persönlich versuche, die Fastenzeit einzuhalten.“Daher ist die Fasnet in ihrer traditionellen Form vor allem in katholischen Orten wie Aixheim verankert. In ursprünglich evangelischen Gemeinden wie Aldingen oder Trossingen dagegen gibt es erst seit den 1990er-Jahren eine organisierte Fasnet. So gibt es in Aldingen seit 1994 die Narrenfreunde und die daraus hervorgegangenen Original Lindenmännle und seit 2002 auch den Guggenmusik-Verein „Gugge Mucke“.
„Ich komme aus der Deißlinger Zunft“, so Schräpel, „die hat 100 Jahre auf dem Buckel. Da sind die 30 Jahre in Aldingen natürlich nicht viel dagegen.“Dennoch gäbe es inzwischen auch in Aldingen junge Leute, die mit der Fasnet und ihrem Brauchtum aufgewachsen sind. „Wir haben einen guten Stamm, die die Fasnet leben und im Herzen und vielleicht auch in ihrer DNA haben.“Ohne das seien Erfolge wie die Aufnahme in den Narrenfreundschaftsring Schwarzwald-Baar-Heuberg nicht möglich gewesen. Allerdings sei der Neustart nach der Coronapause schwer gefallen. „Aber das geht älteren Fasnetsvereinen genau so.“
Schräpel sieht in der Fasnet vor allem eine Möglichkeit, „anderen Leuten auch mal den Spiegel vorzuhalten und gewisse Dinge zu glossieren“– durchaus auch (kommunal-)politisch wie im Narrenblatt „Ummeder“.
„Ich sehe, dass die Fasnet für viele Bürger wichtig ist und wichtig geworden ist“, bestätigt Aldingens Bürgermeister Ralf Fahrländer. „Wie überall“, so Fahrländer, gäbe es aber auch in Teilen der Aldinger Bevölkerung nach wie vor Vorbehalte.
„Es gibt noch ältere Evangelische, die die alten Zeiten noch im Kopf haben und erzählen, dass man früher nicht konfirmiert wurde, wenn man nach Aixheim zur Fasnet gegangen ist“, berichtet der evangelische Pfarrer
Ulrich Dewitz. – Obwohl selbst kein Freund der Fasnet, fügt er hinzu: „Aber keine Sorge: Die Zeiten sind vorbei“.
Auch als der evangelische Kindergarten „Im Brühl“noch in der Trägerschaft der Aldinger Kirchengemeinde war (inzwischen ist die Trossinger Kirchengemeinde zuständig), sei dort zwar keine Fasnet gefeiert worden, es gab aber auch „keinen Streit, keine Verbote, keine Ächtung“, betont Pfarrer Dewitz.
Dennoch: „Ich habe das Gefühl, dass an dieser Stelle die Empfindungen stark auseinander gehen“, berichtet Dewitz aus der Innensicht der evangelischen Gemeinde. „Es gibt Evangelische, die ganz aktiv bei der Fasnet mit dabei sind, aber auch solche wie ich, die der Sache nichts abgewinnen können.“Die Zeiten der „großen Kämpfe“zwischen den Konfessionen und ihrem unterschiedlichen Lebensstil seien aber vorbei, „wir haben heute andere Themen“.
„Aldingen ist nicht mehr der Ort wie er bis zu den 50er-Jahren war“, stellt auch Museumsleiter Roland Heinisch fest, „inzwischen leben hier mehr Katholiken als Protestanten“. Doch der konfessionelle Unterschied spielt bei der Fasnet ohnehin kaum noch eine Rolle: „Wenn ich die Evangelen aus dem Narrenrat rausschmeißen würde, wäre die Hälfte weg“, so Ralf Schräpel schmunzelnd.
Wie viele neue Fasnetsvereine lassen sich auch die Narrenfreunde und die Lindenmännle von Aldinger Geschichte und Sagen inspirieren: Das Lindenmännle, das eine Figur in beiden Aldinger Narrenvereinen ist, bezieht sich zum Beispiel auf die Dorflinde, das Wahrzeichen von Aldingen, das mindestens seit 1797 auch auf dem Gemeindesiegel verwendet wird. Schlösslebühl-Hex, Aldinger Narro und der Graf von Dellingen wiederum spielen auf die einstige Burg auf dem Schlösslebühl und die nahe gelegene Wüstung Dellingen an und auf die Sagen, die sich darum ranken.
Gemeinderatsprotokolle aus dem 19. Jahrhundert zeigen, dass man in Aldingen nicht nur mit der Fasnet, sondern überhaupt mit Lustbarkeiten wie etwa dem Tanzen so seine Probleme hatte. Vor allem im Winter, wenn sich „die ledigen Leute“gemeinsam in den Stuben versammelten, wurde wohl gerne getanzt. Nachdem sich der Pfarrer beschwert hatte, machte es der Gemeinderat „zur strengsten Pflicht“, nicht nur nie Musikanten in ihren Häusern aufspielen zu lassen, sondern sie sollen insbesondere ein wachsames Auge darauf richten, dass alles Spielen in ihren Häusern aufhöre, und die jungen Leute nie nach 10 Uhr in ihren Häusern dulden“.
Selbst mit sonntäglichem Kegelspiel hatte der Aldinger Gemeinderat im 19. Jahrhundert seine Probleme, da die Jugend „hiedurch zum Hang zur Spielsucht und zur Sittenlosigkeit hingerissen wird und für die Zukunft dem Verderben entgegen geht“, wie es im Protokoll einer Gemeinderatssitzung von 1835 heißt.
Vom Ortsteil Aixheim aus, wo die Fasnet schon 1681 erstmals urkundlich erwähnt wird, und wo es seit 1929 die Hans-Wuost-Narrenzunft gibt, wird die relativ junge Aldinger Fasnet seit Beginn wohlwollend begleitet, sagt Hans-Wuost-Zunftmeister Michael Bader. „Man kann unterstützen oder man kann dagegen arbeiten“, so Bader, „und wir haben das von Anfang an unterstützt“. So besuchten die Aldinger und Aixheimer Zünfte einander – von Jahr zu Jahr abwechselnd – bei ihren Umzügen.
Auch Narrenfreunde und Original Lindenmännle, die 1994 im Streit auseinander gegangen waren, kommen inzwischen wieder „gut miteinander aus“, freut sich Ralf Schräpel. Anfängliche Gräben seien Stück für Stück zugeschüttet worden und man hilft sich gegenseitig. „Es geht nicht um einen Zusammenschluss“, so Schräpel, „aber um gute Zusammenarbeit“. So werden die Original Lindenmännle am Sonntag mit ihrem großen Besen auch wieder beim Unzug der Narrenfreude dabei sein.