Schemengericht verurteilt vier Frauen mit Power
Haben sie falsch getrommelt oder endlich mal Schwung in den Hemdglonkerumzug gebracht?
- Die Anschuldigungen waren schwerwiegend: Verantwortungslosigkeit! Anarchie! Taktlosigkeit! Birgit Müller, Erika Schellhammer und Ute Heller mussten sich am Donnerstag vor dem Möhringer Schemengericht verantworten. Und überraschend kam noch eine vierte Angeklagte dazu.
Sind sie „drei verdiente, langjährige Närrinnen“oder renitente Falschtrommlerinnen? Um diese Frage ging es bei der Verhandlung des närrischen Gerichts, das nach eigenen Angaben fast 500 Jahre alt ist. Der Vorwurf: Die drei Frauen, allesamt beim Turnverein Möhringen engagiert, sollen am Schmotzigen Donnerstag 2023 beim Hemdglonkerumzug einen Fauxpas begangen haben. Statt der traditionellen Trommelsprüche und -takte hatten die Frauen etwas Neues angestimmt: „We will, we will rock you!“
Mehrfach seien sie zurechtgewiesen worden, rekapitulierte der Schemenrichter, aber das hätten sie ignoriert. „Ihr habt die Traditionen wohl vergessen im Suff !“, warf er ihnen vor.
Die drei „Frauen mit Power“, wie sie sich nannten, versuchten erst, alles abzustreiten, pochten auf Vergesslichkeit („In unserem Alter – ihr Schemenricher wisst ja, wie das ist“) und Nicht-Anwesenheit („Wir waren zum Tatzeitpunkt auf dem Klo!“). Dann räumten sie doch ein, am Bruch der Traditionen beteiligt gewesen zu sein. Oder gibt’s da überhaupt eine Tradition? Schellhammer, Heller und Müller hielten dem Schemengericht vor, dass die Noten fürs Trommeln nirgends hinterlegt und die Verse auf der Homepage auch nicht korrekt seien.
Und dann wäre da auch noch der Hemdglonkerumzug an sich. „Ohne uns Turnerfrauen wäre der Umzug um 10 Uhr vorbei“, sagte Heller. Der Verteidiger pf lichtete bei: „Die meisten bleiben in der zweiten Wirtschaft hängen – ihr habt den Umzug gerettet!“Dazu kam noch ein Schreiben von Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. Die Authentizität ließ sich nicht verifizieren, laut Schellhammer schrieb er aber: „Mein besonderer Dank gilt den Frauen, die die Fasnet in Möhringen bewahrt und weiterentwickelt haben!“
Apropos Frauen: Viel Applaus und Aufsehen bekam der Zwischenruf „Hanselerennen mit Frauen!“. Das traditionelle Möhringer Hanselerennen am Fasnetsdienstag ist bislang Männern vorbehalten.
Ein Zeuge brachte der Verhandlung eine neue Wendung. Der Fahnenträger des Umzugs hatte die eigentliche Rädelsführerin ausfindig gemacht: Sigrun Herbinger, ebenfalls im Turnverein, hatte die Frauen offenbar angestiftet, mit dem neuen Lied vorneweg zu marschieren. Wegen „Anführerschaft von organisierter Bandenkriminalität“wurde sie aus dem Publikum vors Gericht zitiert. Und war sich keiner Schuld bewusst. Traditionen bräuchten auch mal was Neues, argumentierte sie. Sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe gesagt, „an der Fasnet ist es erlaubt, über die
Stränge zu schlagen“.
Schuldig befand das Schemengericht die vier Frauen natürlich trotzdem – einen Freispruch habe es schließlich noch nie gegeben, betonte der Schemenrichter. Das Gericht gab sich milde, vielleicht weil ein Richter in Sachen Turnverein befangen war: Die Frauen müssen Trommeln für den Kinderhemdglonkerumzug 2025 basteln und die Kinder dafür schon am Städtlefest akquirieren.
Der zweite Angeklagte, Gerd Rudolf, Leiter des städtischen Bauhofs, fehlte krankheitsbedingt. Aber „ aufgehoben ist nicht aufgeschoben“, kündigte einer der Richter an. Es gebe ja noch nächstes Jahr. Ob dann der Ton reibungslos funktioniert? Trotz neuer Tonanlage kam die Verhandlung nicht ohne Knirschen, Knarzen und Ausfälle aus. Woran’s lag? Zu viele Frequenzen im Raum. Oder zu viele Narren?